Warum es in Holzwickede wieder keinen Bürgerhaushalt geben wird
Bürgerhaushalte sind in Mode gekommen. Auf Landes- oder Bundesebene gibt es zwar bislang noch keinen einzigen Bürgerhaushalt. Aber in immer mehr Kommunen werden so genannte Bürgerhaushalte erstellt – seit zwei Jahren gibt es angeblich auch einen in Holzwickede. Das Problem: Nur ein bisschen Bürgerhaushalt geht nicht.
Zweimal schon hat die Gemeinde Holzwickede einen „Bürgerhaushalt“ vorgelegt. Jedes Mal stieß man dabei auf nur geringes Interesse bei den Bürgern. Bei zwei speziellen Informationsveranstaltungen im Forum waren nur wenige Politiker anwesend und noch weniger Bürger. Doch was sind die Gründe für dieses vermeintliche Desinteresse?
Definition Bürgerhaushalt
Eigentlich sollte ja jeder kommunale Haushalt einer die Bürger der Kommune sein. Allenfalls in diesem Sinne gibt es auch in Holzwickede einen Bürgerhaushalt. Was aber tatsächlich mit Bürgerhaushalt gemeint ist, ist eine in den 1980er Jahren entwickelte, direkte Art von (kommunaler) Bürgerbeteiligung. Die Verwaltung einer Kommune bemüht sich dabei um mehr Haushaltstransparenz und lässt die Bürger zumindest über Teile der frei verwendbaren Haushaltsmittel mitbestimmen und entscheiden (Wikipedia). Es geht also um das aktive Einbeziehen der Bürger in die Verwendung von öffentlichen Geldern und damit um etwas grundlegend anderes als das klassische Modell „Verwaltung plant, Politik entscheidet“.
Die drei Phasen eines Bürgerhaushaltes
Zwar gibt es unterschiedliche Ansätze von Bürgerhaushalten, doch allen gemeinsam sind folgende drei wichtige Phasen.
Information: Die Einwohner werden durch Öffentlichkeitsarbeit über den Haushalt informiert und für den Bürgerhaushalt mobilisiert.
Beteiligung: Die Bürgerinnen und Bürger können ihre eigenen Ideen und Prioritäten einbringen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass es vorher eine grundlegende Information und öffentliche Diskussion oder einen Austausch gibt. Das kann in Versammlungen geschehen oder aber im Internet.
Rechenschaft: Und natürlich müssen die Verantwortlichen im Rathaus anschließend auch kommunizieren und begründen, welche Ideen der Bürger umgesetzt wurden oder eben nicht.
Nach Ansicht der Initiative buergerhaushalt.org, der zentralen Anlaufstelle für alle Fragen zum Bürgerhaushalt im Internet, sind folgende Faktoren für einen erfolgreichen Bürgerhaushalt besonders wichtig:
- Politik und Verwaltung stehen dem Vorhaben positiv gegenüber, unterstützen es tatkräftig und nehmen Bürgervorschläge ernst.
- Informationen sind verständlich und bürgernah aufbereitet, zum Beispiel per „lesbarem“ oder „offenem Haushalt“. Gleiches gilt für den Rechenschaftsbericht.
- Es wird eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit betrieben, die viele unterschiedliche Menschen erreicht.
- Die Ergebnisse müssen zu den aktuellen politisch-administrativen Prozessen passen
- Der Dialog wird von Moderatoren begleitet, ob online oder vor Ort.
- In allen Phasen des Prozesses wird transparent gearbeitet.
- Bürgerinnen und Bürger werden bereits an der Prozessgestaltung beteiligt.
- Und natürlich muss eine Kommune auch personell und finanziell in der Lage sein, diese Faktoren, ohne die ein echter Bürgerhaushalt kaum möglich ist, umsetzen zu können.
So st es wirklich um den „Bürgerhaushalt“ in Holzwickede bestellt
Information der Bürger?
Außer einer öffentlichen Ratssitzung hat bisher keine zusätzliche Information oder Aufklärung durch die Gemeinde in Sachen Bürgerhaushalt stattgefunden. Der Haushaltsentwurf 2015 als solcher steht auch nicht im Internet zur Verfügung. Und so wird es auch bleiben, wie Kämmerer Rudi Grümme bedauert. Aufgrund ihrer personellen Ausstattung sei die Kämmerei nicht in der Lage, den Etatentwurf einzuscannen und online zu stellen. Außerdem: „Es handelt sich ja auch erst um einen Entwurf. In vier Wochen nach den Klausuren der Parteien wird er sowieso noch geändert.“ Immerhin will der Kämmer versuchen, den Haushaltsplan sukzessive als PDF-Datei online zu stellen, wenn erst einmal im Dezember beschlossen ist. Nur: Geändert werden kann die endgültige Fassung dann nicht mehr.
Eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit, die viele Menschen erreicht?
Auch das muss bezweifelt werden. Immerhin hat es die Gemeinde geschafft, Anfang dieser Woche einen Link auf ihrer Homepage einzurichten, über den Bürger Anregungen und Vorschläge zum Haushalt 2015 online einreichen können (holzwickede.de). Kämmerer Rudi Grümme weist außerdem darauf hin, dass der Haushaltsentwurf 2015 in der Kämmerei während der üblichen Dienststunden zur öffentlichen Einsicht ausliegt.
Moderatoren, die den Dialog begleiten?
Auch die gibt es nicht. Allerdings können sich Bürger mit ihren Fragen in den Dienststunden an die Mitarbeiter der Kämmerei wenden. Berufstätigen bietet Grümme sogar an: „Die Leute können auch noch später kommen. Wir sind auch nach den Geschäftszeiten noch da.“ Allerdings sollte dann vorher unbedingt ein Termin vereinbart werden ( T. 915 120).
Transparentes Vorgehen der Verwaltung/Politik?
Wirklich transparent wird von der Verwaltung/Politik nicht gearbeitet. Zwar wird sind die Sitzungen des Rates und der Fachausschüsse teilweise öffentlich. Doch die politische Diskussion um den Haushalt, mögliche Änderungen und politische Verabredungen erfolgen in den nichtöffentlichen Klausuren der Parteien und hinter verschlossenen Türen. Erst die Ergebnisse dieser nichtöffentlichen Diskussionen werden dann wieder öffentlich in Ausschüssen und dem Gemeinderat präsentiert und formal beschlossen.
Beteiligung/Einbeziehung der Bürger bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfes?
Natürlich kann jeder Bürger die öffentlichen Sitzungen besuchen oder sich auch politisch in einer der Parteien engagieren. Darüber hinaus findet eine Beteiligung der Bürger an der Gestaltung des Haushaltes so gut wie nicht statt. Allerdings können interessierte Bürger auch die Kämmerei in der Poststraße 2 persönlich aufsuchen, empfiehlt Grümme. Das habe den Vorteil, dass Fragen der Bürger sofort beantwortet und grundsätzliche Informationen gegeben werden könnten. „Der Haushaltsentwurf ist sehr umfangreich und nicht leicht zu verstehen. Wir könnten dann schon mal dazu grundsätzliche Erläuterungen geben, etwa was unsere Einnahmen oder Pflichtaufgaben sind.“
Solche Erklärungen dürften allerdings auch bitter nötig sein, denn eine Informationsveranstaltung zum „Bürgerhaushalt“ in Holzwickede, wie in den beiden Vorjahren, wird es nicht geben, kündigt Grümme an. Der Aufwand einer solchen Veranstaltung sei für das geringe Interesse, das die Bürger dabei gezeigt hätten, einfach zu groß. „Bürger, die sich wirklich interessieren, können ihre Vorschläge auch online auf unserer Internetseite einreichen. Jeder kann dabei seinen Ideen freien Lauf lassen. Wir stellen die Vorschläge anschließend ungefiltert dem Rat vor“, verspricht der Kämmerer. Eine freie finanzielle Spitze, über man verfügen könne, gebe es sowieso nicht. Und süffisant fügt er hinzu: „Lassen wir uns mal überraschen, vielleicht können wir ja irgendwo noch eine sechsstellige Summe einsparen.“
Finanzielle und personelle Ausstattung der Gemeinde für den Bürgerhaushalt?
Geld gibt es nicht zu verteilen – auch nicht für den Bürgerhaushalt. Die Gemeinde Holzwickede steckt immer noch in der Haushaltssicherung und ist gezwungen strikten Sparkurs zu fahren. Mit der Aufstellung des Haushaltes sind drei Mitarbeiter in der Kämmerei befasst. „Wir können die zusätzliche Arbeit, die so ein Bürgerhaushalt macht, gar nicht leisten“, gesteht Kämmerer Rudi Grümme ein. Dabei stehe er grundsätzlich der Idee der Bürgerhaushalte positiv gegenüber, betont Holzwickedes Kämmerer.
Wir können die zusätzliche Arbeit, die so ein Bürgerhaushalt macht, gar nicht leisten. Uns fehlt einfach das Personal dafür“
Rudi Grümme, Kämmerer der Gemeinde Holzwickede
„Allerdings ist die Umsetzung sehr aufwendig. Die großen Kommunen wie Dortmund und Essen können das leichter leisten. Uns fehlt einfach das Personal dafür.“ Gerade einmal 14 Tage sei es her, dass man so gerade eben auf den Tage genau pünktlich den Haushaltsentwurf 2015 fertiggestellt und in den Gemeinderat einbringen konnte. Mit diesem Entwurf gehen die Fraktionen nun in ihre Klausurberatungen. Anschließend werden ihre Änderungswünsche an dem Entwurf vorgenommen und der überarbeitete Entwurf dann in der letzten Ratssitzung des Jahres (11. Dezember) beschlossen. Danach liegt die endgültige Haushaltsplanung 2015 für die Gemeinde vor. Für einen echten Bürgerhaushalt ist da gar keine Zeit.
Das Schlimmste, was bei einem Bürgerhaushalt passieren könne, warnen Verfechter dieser Idee, sei, dass Bürger sich völlig frustriert und enttäuscht abwenden, weil sie sich engagiert beteiligt haben, von ihren Vorschlägen am Ende aber keiner umgesetzt worden sei. Immerhin: Wenn sich die Verantwortlichen im Rathaus von Holzwickede um eines keine Sorgen machen müssen, dann dürften das wohl Bürger sein, die sich völlig frustriert abwenden, NACHDEM sie sich engagiert bei der Aufstellung des „Bürgerhaushaltes“ beteiligt haben.
Bürgerhaushalt, Finanzen, Haushalt