Marie Schütte 1.000 Besucherin bei Adventsfenster: Mehr als 2.000 Euro für Jugendarbeit der „Villa“
Marie Schütte aus Unna-Billmerich war die 1.000 Besuchern der diesjährigen Adventsfenster-Aktion in der Emscherquellgemeinde Holzwickede. Die Neunjährige besuchte am Freitagabend das HSC-Adventsfenster, traditionell das vorletzte „Fenster“ des Jahres. Die junge Dame erhielt aus den Händen vom Vorsitzenden des Holzwickeder SC, Udo Speer, Fan-Utensilien des Fußball-Westfalenligisten. Organisator Klaus Pfauter erklärte: „Das sind großartige Zahlen. Über 1.000 Besuchern bei den Adventsfenstern, über 2.000 Euro an Gesamtspenden für die segensreiche Jugendarbeit der „Villa“ – das ist eine Bilanz, auf die alle Holzwickeder sehr stolz sein können.“
Der BVB-Archivar und langjährige Pressesprecher der Stadt Dortmund, Gerd Kolbe, setzte noch, völlig zurecht, einen drauf: „Wenn es die Pfauters, die sich für die Mini-Bibliothek und die Sauberkeit in der Emscherquellgemeinde so massiv einsetzen nicht geben würde, müsste man dieses engagierte Ehepaar erfinden. Was die beiden leisten, ist einfach phantastisch.“
Über 100 Besucher am neuen Wintergarten des HSC
Es ist so etwas wie Aufbruchstimmung beim HSC nach einem Jahr 2022 mit dem negativen Höhepunkt des Oberliga-Abstiegs zu spüren. Dass am Vorabend des Heiligen Abends über 100 Besucher zum Adventsfenster ins Ballhaus strömten, ist längst keine Selbstverständlichkeit.
Auszeichnung für neunjährige Marie Schütte
Die traditionelle, selbst verfasste Weihnachtsgeschichte von Gerd Kolbe trug den schönen Titel „Die flotten Drei aus dem Stadthaus“. Erzählt wird, wie Wilhelm Hansmann (Oberstadtdirektor), Fritz Henßler (Oberbürgermeister) und Fritz Kauermann (Sportdezernent) kurz vor Weihnachten 1949 Borussia Dortmund animierten, im folgenden Frühjahr ein Freundschaftsspiel im Stadion „Rote Erde“ gegen Tottenham Hotspur auszutragen. Damit sollte ein erster Schritt der Annährung zwischen Deutschland und England nach dem 2. Weltkrieg vollzogen werden (Die ganze Weihnachtsgeschichte finden Sie im Anschluss an diesen Artikel).
Ausgezeichnet wurde beim Adventsfenster die neunjährige Marie Schütte aus Billmerich. Beim Adventsfenster, eine Aktion des Ehepaars Pfauters mit 24 „Türchen“ in ganz Holzwickede wurde zum Stichtag 23. Dezember von 1.000 Gästen besucht. Die 1.000 Besucherin war die neunjährige Marie Schütte: Sie erhielt zum Dank HSC-Fanutensilien vom HSC-Vorsitzenden Udo Speer.
Doris Volke und die „frivole Geschichte vom Truthahn“
Seit einigen Jahren gern gesehener literarischer Gast ist Doris Volke. Dieses Mal begeisterte sie das Publikum mit der Geschichte vom „Truthahn“ – eine durchaus schlüpfige Story zu Weihnacht. Und es gab sogar ein Happy End. Na ja… Weihnachten muss ja auch nicht immer bitterernst sein.
Erlös für die „Villa“ in Holzwickede
Eine stattliche Summe kam bei der Spendenaktion beim HSC-Adventsfenster zusammen. Die bisher in der gesamten Emscherquellgemeinde gesammelten 2.000 Euro wurden noch mal deutlich erhöht. Das Geld geht an den Jugendtreff „Villa“ in Holzwickede für die Jugendarbeit.
Weihnachtsgeschichte 2022
Nachstehend finden Sie die Weihnachtsgeschichte aus der Feder von Gerd Kolbe, die er beim Adventsfenster des HSC gestern auch verlesen hat, im Wortlaut:
Die „flotten Drei“ aus dem Stadthaus
Man schrieb den 16. Dezember 1949. Wilhelm Hansmann, der schwergewichtige Dortmunder Oberstadtdirektor, saß an seinem Schreibtisch im alten Stadthaus und arbeitete am Vorwort für das Buch „Von der toten zur lebendigen Stadt,“ in dem über die Situation der durch den 2. Weltkrieg schwer gezeichneten Stadt und ihren Wiederaufbau berichtet wurde. 93 % der City waren zerstört, 90.000 Wohnungen ebenso. Deutschland hatte großes Unglück in die Welt getragen, die eigene Bevölkerung nicht ausgenommen. Wie konnte man das jemals wiedergutmachen? Welche Möglichkeiten der Annäherung an die früheren Kriegsgegner wären denkbar, von einer Aussöhnung ganz zu schweigen? Diese Themen lagen Hansmann, dem ehemaligen Landrat von Hörde, sehr am Herzen. Da fiel sein Blick auf eine Meldung in seiner täglichen Lektüre, der „Londoner Times,“ die sein Interesse weckte.
Flugs sprang er auf und schwebte trotz seiner Körperfülle regelrecht beseelt durch die engen Flure des Kullrich-Gebäudes hin zu seinem Freund, Stadtrat Fritz Kauermann, dem er den Artikel zeigte. Kauermann, der starke Mann des lokalen Sports, reagierte ähnlich erfreut wie sein Besucher. Gemeinsam begaben sie sich zu Fritz Henßler, dem Oberbürgermeister. Ohne auf die Etikette des Anklopfens zu achten, betraten sie in etwas hemdsärmeliger Manier Henßlers Reich. „Fritz, ich habe da gerade etwas sehr Tolles in der Times gelesen,“ sagte Hansmann atemlos und fuchtelte mit der Gazette herum. „Schau her, ich habe sie mitgebracht.“
„Fasst kurz zusammen, was Ihr auf dem Herzen habt,“ meinte Henßler, wie immer in Zeitnöten.
Hansmann: „Hier steht, dass der englische Fußballclub Tottenham Hotspur, die berühmten Spurs, im kommenden Frühjahr mehrere Spiele in Deutschland durchführen möchte. Das könnte ein erster kleiner Schritt auf dem Weg zu einer sportlichen Annäherung zwischen England und Deutschland werden. Wir sollten schnell mal mit Heinrich Schwaben vom BVB sprechen, ob sich die Borussen nicht als möglicher Gegner hier in der „Roten Erde“ ins Gespräch bringen wollen. Tottenham hat jüdische Wurzeln. Das gibt der Sache noch eine besondere politische Note.
Kauermann ergänzte: “Ich kenne ja General Bournes von der britischen Rheinarmee recht gut. Den könnten wir als Türöffner bei den Spurs einsetzen, wenn der BVB mitmacht. Was hältst Du davon?“
Hansmann und Henßler waren übrigens wegen ihrer politischen Einstellung von den Nazis verfolgt und gefoltert worden. Henßler, der 1933 im Reichstag gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte, verbrachte sogar mehrere leidvolle Jahre im KZ Sachsenhausen. Kauermann, früher aktiv im 1933 verbotenen Arbeitersport, hatte damals ebenfalls schlimme Erfahrungen gemacht.
Fritz Henßler hatte sich vor einem halben Jahr beim überwältigenden Empfang des Deutschen Vizemeisters Borussia Dortmund auf dem Neuen Markt als Anhänger der Jungs vom Borsigplatz „geoutet.“ Seitdem erwähnte er immer wieder stolz den großen Erfolg der Schwarz-Gelben in seinen Ansprachen und Reden.
Wie nicht anders zu erwarten, bekamen Kauermann und Hansmann schnell das „Ja“ Henßlers und schwirrten frohgemut wieder ab. Heinrich Schwaben, der BVB-Grande, war auch sehr angetan von den Plänen. Also nahm Kauermann über seinen Freund Bournes Kontakt zu den Londonern auf, und drei Tage vor Heilgabend 1949 flatterte ein Brief auf seinen Schreibtisch, der sich schnell als Zusage der „Heißsporne“ entpuppte. Als Termin für das große Match wurde der 24. Mai 1950 angeboten. Das war ein wirklich schönes Weihnachtsgeschenk für den „flotten Dreier“ aus dem Stadthaus und natürlich auch für den BVB.
Und so kam es, dass die Gäste aus dem Nordosten der englischen Hauptstadt im Mai 1950 im nach wie vor schwer „kriegsbeschädigten“ Stadion Rote Erde ihre erste Visitenkarte überhaupt in Dortmund abgaben. Es wurde „eine vollendete Demonstration englischer Fußballkunst, die sich auch in dem Endergebnis von 4:0 für den Gast ausdrückte“, schrieb damals die Presse. Der unterlegene BVB hielt über die gesamte Spielzeit jedoch wacker dagegen, sodass die 18.000 Besucher, unter ihnen Hansmann, Kauermann und Henßler, eine klasse Partie erleben durften.
Tottenham kam mit allen Stars, darunter auch Verteidiger Alf Ramsey, einem der bekanntesten englischen Kicker aller Zeiten und in einem Atemzug mit den Legenden Sir Bobby Charlton und Bobby Moore zu nennen. Seine größten Erfolge erzielte er als Trainer der englischen Nationalmannschaft, mit der er 1966 Fußball-Weltmeister wurde. Danach adelte ihn die Queen zum „Sir“.
Die 18.000 Zuschauer in der Roten Erde spielten knapp 40.000 DM ein. Beide Teams entschieden beim gemeinsamen Bankett, diesen Betrag in voller Höhe dem Deutschen Roten Kreuz in Dortmund zu spenden. So brachte die Partie auch noch einen warmen Geldregen für einen wohltätigen Zweck. Ähnlich wie 1919, als der BVB nach dem 1. Weltkrieg in Neheim-Hüsten das allererste Benefizspiel der DFB-Geschichte überhaupt absolvierte.
Das Spiel gegen die Spurs nutzten die Drei von der Stadt übrigens, um den BVB zu bitten, selber mit dem Fußball zum „Brückenbauer“ zu werden und dabei insbesondere gegen früheren Kriegsgegner anzutreten.
Und so folgten Spiele gegen Mannschaften aus Frankreich, England, Norwegen, Jugoslawien und viele, viele mehr. 1953 gingen die Schwarz-Gelben auf eine eigene Versöhnungstour durch England. Aus Birmingham schickten sie eine Grußadresse an die kurz zuvor inthronisierte Queen, in der sie von ihrer Mission berichteten. Und siehe da: Elisabeth II. antwortete über ihren Staatssekretär und gab ihrem Wohlwollen über die BVB-Aktivitäten Ausdruck. Ein Jahr später ging es dann sogar in die USA.
Damit wurde Borussia Dortmund der heimliche „Außenminister“ Dortmunds und einer der Wegbereiter der Auslandsgesellschaft, die auch heute noch existiert.
Und Wilhelm Hansmann trank genüsslich gemeinsam mit seinen Freunden Fritz Henßler und Fritz Kauermann ein gutes Dortmunder auf die völkerverbindende Kraft von „König Fußball“ und meinte verschmitzt: „Ab und zu ist es doch wirklich erhellend, mal die Londoner Times zu lesen!“
Frohe Weihnachten 2022