Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm: Kürzungen beim Jobcenter gefährden Sozialkaufhäuser und Tafeln
Bildungseinrichtungen und Wohlfahrtsverbände im Kreis Unna schlagen Alarm: Massive Mittel-Kürzungen bei den Jobcentern gefährden Arbeit und Bildung für viele 100 Menschen im Kreisgebiet. Und: Die soziale Infrastruktur – etwa bei den Tafeln oder den Sozialkaufhäusern – ist in ihrer Existenz bedroht. „Das ist ein Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik, der unbedingt gestoppt werden muss“, erklärt Dorothèe Schackmann, Geschäftsführerin des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) und zugleich Sprecherin der Wohlfahrtsverbände im Kreis Unna.
700 Mio. Euro will der Bund den Jobcentern 2024 im Vergleich zum laufenden Jahr kürzen. Im Kreis Unna hat das Jobcenter dadurch im nächsten Jahr nur noch 3,3 Mio. Euro oder 63 Prozent weniger Mittel als 2023 zur Verfügung, um bewährte Angebote fortzuführen oder auch neue Lehrgänge aufzulegen, erklärt Werkstatt-Geschäftsführer Herbert Dörmann. „Das kann das Aus für Sozialkaufhäuser und Tafelstandorte im Kreis Unna bedeuten“, so Dörmann weiter. Die Werkstatt hat sich gerade auf den Weg gemacht, die Tafeln im Kreis weiterzuführen. Dafür wurden 38 ehemals Arbeitslose eingestellt, die die ehrenamtlichen Helfer beim Abholen, Verpacken und Ausgeben von Lebensmitteln unterstützen und dadurch zugleich wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen können.
Auch Kaufnett und Ausgabestelle in Holzwickede betroffen
Auch Christine Weyrowitz, Geschäftsführerin von Kaufnett ist voller Sorge — vor allem wegen der kleineren ihrer sechs Diakonie-Sozialkaufhäuser in den Kreiskommunen, darunter auch in Holzwickede: „Bei diesem Kürzungsszenario werden wir nicht alle Standorte halten können.“ Das sieht auch Thorsten Schmitz, Geschäftsführer bei der AWO-Tochter Bildung und Lernen für die dort aufgebauten Sozialkaufhäuser so.
Kippen die Tafeln und Sozialkaufhäuser, dann kippt auch die Versorgung der ärmsten und bedürftigsten Menschen in der Region mit günstigen Lebensmitteln, bezahlbaren Möbeln, Kleidung, Spielzeug und Haushaltsausstattung. Allein die Tafeln verteilen wöchentlich an über 2.000 Menschen – darunter viele Familien mit Kindern, Ältere und auch Geflüchtete – frisches Obst, Salat oder Gemüse. Außerdem rechnet Werkstatt-Chef Dörmann durch die Kürzungen mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, denn: „Für 700 bis 800 Menschen wird es beim Jobcenter kein Geld mehr Beschäftigungs- und Bildungsangebote geben, obwohl sie diese Unterstützung dringend brauchen!“
Zusätzlich zu den Streichungen in 2024 sollen ab 2025 nochmals 900 Mio. € bei den Jobcentern gespart werden. Das will man durch eine Verlegung der Zuständigkeit für Jugendliche erreichen. Die sollen ab dem übernächsten Jahr nicht mehr durch das Jobcenter, sondern durch die Bundesagentur für Arbeit betreut werden. Dann zahlt nicht mehr der Bund, sondern die Arbeitslosenversicherung die Kosten – ein „Taschenspieler-Trick“ aus Sicht der Bildungsträger, denn gespart werde in Wahrheit gar nichts. Stattdessen gingen die seit 18 Jahren erworbenen Kompetenzen und Erfahrungen in den Jobcentern verloren und müssten bei der Bundesagentur mühsam nur erworben werden.
Appell an Ampelkoalition
Bildungsträger und Wohlfahrtsverbände fordern daher die Bundestagsabgeordneten der Ampelkoalition dazu auf, sich massiv gegen die geplanten Finanzeinschnitte bei den Schwächsten der Gesellschaft zu stemmen. Ralf Plogmann, Geschäftsführer der Caritas, findet dafür deutliche Worte: „Es kann und darf nicht sein, dass die Berliner Ampel den selbst verordneten Sparzwang auf dem Rücken der Schwächsten und Ärmsten austrägt!“. „Wir brauchen“ ergänzt Herbert Dörmann, „finanziell angemessen ausgestattete Jobcenter. Sie müssen ihre sozialpolitische Aufgabe einer bestmöglichen Förderung der ihnen anvertrauten bedürftigen Menschen auch wahrnehmen können.“
Johanna
Ich glaube schon, dass einiges gespart würde, wenn die Betreuung der U25-Jährigen durch die Agentur für Arbeit und nicht mehr durch die Jobcenter erfolgte. Denn das SGB III (Agtenur für Arbeit) hält einige wichtige Förderinstrumente, die das SGB II (Jobcenter) vorsieht, überhaupt nicht vor. Das SGB III hat zudem eine deutlich andere Zielrichtung als das SGB II (schnelle Beendigung der Arbeitslosigkeit versus nachhaltige Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten). Ich denke, dass das auch ein Grund ist, warum man diese Verschiebung möchte. Es wäre nämlich durchaus deutlich billiger. Abwarten, ob es so kommt.