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Stellten das Projekt des Freundeskreises vor, von li.: Jochen Hake (Vorsitzender), Tom Jonas Linke, Klaus-Dieter Diekmann (stv. Vorsitzender) und Hannah Gerling. (Foto: P. Gräber Emscherblog)

Vom Erbfeind zum Partner: Freundeskreis startet Projekt zum Wandel der deutsch-französischen Erinnerungskultur

Stellten das Projekt des Freundeskreises  vor, von li.: Jochen Hake (Vorsitzender), Tom Jonas Linke, Klaus-Dieter Diekmann (stv. Vorsitzender) und Hannah Gerling. (Foto: P. Gräber Emscherblog)
Stellten das Projekt des Freundeskreises vor, von li.: Jochen Hake (Vorsitzender), Tom Jonas Linke, Klaus-Dieter Diekmann (stv. Vorsitzender) und Hannah Gerling. (Foto: P. Gräber Emscherblog)

 In der deutsch-französischen Geschichte gibt es viele Erinnerungs-, Gedächtnis- und Gedenkorte, die eine nationale oder auch nationalistische Sichtweise betonen. Sie belegen ein deutsch-französisches Verhältnis vergangener Zeiten, das häufig mit dem Begriff der Erbfeindschaft  charakterisiert ist. Nur ein Beispiel dafür ist das Kellerkopfdenkmal, das in der zweiten Hälfte des 1920er Jahre im Auftrag des Veteranenverbandes eines zuvor in Lothringen stationierten Infanterieregiments errichtet wurde. Es dokumentiert ursprünglich das revanchistische Ziel, nach der Niederlage französische Territorien zurückzugewinnen. In der näheren Umgebung von Holzwickede und auch der Partnerstadt Louviers lassen sich weitere Beispiele finden. Genau hier setzt nun der Freundeskreis mit einem neuen Projekt an, das heute (22. April) von den beiden Vorsitzenden Jochen Hake und Klaus-Dieter Diekmann sowie den beiden jungen Protagonisten Hannah Gerling und Tom Jonas Linke vorgestellt wurde.

Geboren wurde die Idee, sich in einem generations- und länderübergreifenden Projekt mit dem Wandel der deutsch-französischen Erinnerungskultur zu befassen und dafür die französischen Freunde aus Louviers zu gewinnen, bereits im Sommer 2020. Durch die Corona-Pandemie geriet das Projekt allerdings etwas in Stocken.  Ideengeber und auch Leiter der Planungsgruppe, die das Projekt beharrlich weiterentwickelte, ist Klaus-Dieter Diekmann, ein früherer Geschichts- und Französischlehrer.

Förderung durch den Bürgerfonds

Es handelt sich nicht um irgendein neues Projekt, wie Jochen Hake gleich zu Beginn heute deutlich macht: „Dieses Projekt hat eine ziemlich große Bedeutung für unseren Verein. Neben unseren deutsch-französischen Kulturtagen ist es sicherlich das größte überhaupt, das wir nun mit unseren französischen Partnern durchführen.“

Voraussetzung dafür war letztlich eine Förderung durch den im April vorigen Jahres gegründeten deutsch-französischen Bürgerfonds, bei dem man einen Förderantrag stellte. „Wir sind dann in den Genuss gekommen, mit einem Prozentsatz von 80 Prozent gefördert zu werden“, so Jochen Hake. „Darüber waren wir sehr glücklich und konnten dann auch sofort loslegen.“ Begonnen hat die Projektphase am 1. März. Danach zieht es sich bis Ende des Jahres und läuft dann endgültig aus.

„Dieses Projekt hat eine ziemlich große Bedeutung für unseren Verein. Neben unseren deutsch-französischen Kulturtagen ist es sicherlich das größte überhaupt, das wir mit unseren französischen Partnern durchführen.“

– Jochen Hake (Vorsitzender)

 „Es kommt uns bei diesem Projekt darauf an, den Wandel in der Erinnerungskultur herauszuarbeiten“, so Klaus-Dieter Diekmann. Denn das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen war ja nicht immer so freundschaftlich wie in der Gegenwart. Dazu wollen die Beteiligten nicht nur die beiden letzten Weltkriege, sondern auch noch das 19. und sogar 18. Jahrhundert in den Fokus nehmen. „Der größte Teil dieser Zeitspanne mit vielen Kriegen ist durchaus mit dem Prädikat Erbfeindschaft besetzt“, weiß Diekmann. Der Begriff „Erinnerungsort“ soll dabei ganz bewusst weit gefasst werden: „Letztlich können auch Straßennahmen oder auch Texte ein Erinnerungsort sein. Natürlich können wir nicht alle Erinnerungsorte erfassen. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, dass wir uns auf jeweils auf zehn Beispiele beschränken.“

Regionale Erinnerungsorte erforschen

Diese alte Postkarte zeigt das Kellerkopf-Denkmal im 1920/30. (Foto: Archiv)
Einer der ausgewählten Erinnerungsorte: Diese alte Postkarte zeigt das Kellerkopf-Denkmal im 1920/30. (Foto: Archiv)

 Eines dieser Beispiele wird etwa ein monumentales Denkmal in Welver sein,  das ohne jede historische Einordnung an die Schlacht bei Vellinghausen im Jahr 1761 während des siebenjährigen Krieges zwischen Preußen und Frankreich erinnert, bei der etwa 5.000 Franzosen ums Leben kamen. Die französischen Partner wollen ihre regionale Suche etwas ausweiten und auch die Normandie einbeziehen.

Da es um den Wandel geht, soll das Ende des 2. Weltkrieges keine Zäsur sein. Vielmehr soll insbesondere auch der Zeitraum ab 1963 werden, als mit Abschluss des deutsch-französischen Vertrages (Élysée-Vertrag) durch Konrad Adenauer und Charles De Gaulle ein wesentlicher Baustein für eine Aussöhnung gesetzt wurde.

Selbstverständlich gibt es auch gemeinsamen Erinnerungsorte. Im Mittelpunkt des Projektes steht eine gemeinsame Reise mit den Louvierser Partnern in den Süden Frankreichs, wo es zur Bildung solcher gemeinsamer Erinnerungsorte gekommen ist. Drei davon werden angereist: So soll das Internierungs- und Deportationslager Les Milles, einem Vorort von Aix-en-Provence besucht werden. Die beiden anderen Erinnerungsorte sind Dieulefit, eine französische Gemeinde im Süden des Départements Drôme in der Region Auvergne-Rhône-Alpes, die eine lange Tradition als Flüchtlingsort hat. Schließlich soll auch noch  Sanary-sur-Mer besucht werden, eine kleine Gemeinde an der Côte d’Azur, die als Exilort für aus Nazi-Deutschland geflüchtete deutsche Schriftsteller bekannt wurde.

„Wir werden an diesen Orten Führungen haben und dann auch unsere Erkenntnisse in Wort und Bild dokumentieren. Das werden wir hier am Ort auch so machen“, erläutert Diekmann. Die Ergebnisse der gemeinsamen Reise und der Besuche an den regionalen Erinnerungsorten in und um Holzwickede und Louviers werden dann abschließend in zweisprachigen Ausstellungen in beiden Partnerstädten öffentlich präsentiert.

Generationsübergreifender Ansatz

Ein ganz wichtiger Aspekt des Projektes ist der generationsübergreifende Ansatz und die gemischte Alters- und Geschlechterstruktur, betonen die beiden Freundeskreis-Vorsitzenden. Etwa die Hälfte der in dem Projekt Mitwirkenden sind Erwachsene, die andere Hälfte Schülerinnen und Schüler. Vier davon kommen vom Clara-Schumann-Gymnasium, aber auch vom Käthe-Kollwitz- und dem Stadt-Gymnasium nehmen Schüler teil. Auf Louvierser Seite ist das Projektteam mit Erwachsenen und Schülern ebenfalls paritätisch besetzt. „Der jüngste Teilnehmer ist eine 15-jährige Französin, die älteste eine 80-jährige Dame aus Holzwickede“, bestätigt Jochen Hake. „Wir, aber auch der Bürgerfonds haben großen Wert auf diese generationsübergreifende Mischung gelegt. Wir wollen ja nicht nur die älteren Generationen, sondern auch möglichst viele junge Menschen motivieren, sich zu engagieren für die deutsch-französische Zusammenarbeit.“

Jeweils 14 deutsche und französische Teilnehmer werden an der Reise Ende nächsten Monats teilnehmen. Insgesamt wirken 35 Personen an dem Projekt mit.

Ausstellungen zum Abschluss geplant

Einer von ihnen ist, Tom Jonas Linke. Der Schüler am CSG beschreibt seine Motivation so: „Ich bin sehr an dem Thema interessiert, weil ich auch geschichtlich sehr interessiert bin. Ich habe Geschichte auch jetzt im Abitur. Deutsch-französische Geschichte geht natürlich sehr weit zurück. Da ist es wichtig zu sehen, wie sich das Verhältnis verändert hat. Es war halt nicht immer so wie heute. Als junger Mensch ist es sehr schwer, sich vorzustellen wie es früher einmal war. Deshalb möchte ich an dem Projekt teilnehmen, um zu sehen und auch anderen zu zeigen, wie es früher einmal war und wertzuschätzen, was wir heute geschafft haben: den Frieden und die Kooperation mit Frankreich.“

Deshalb möchte ich an dem Projekt teilnehmen, um zu sehen und auch anderen zu zeigen, wie es früher einmal war und wertzuschätzen, was wir heute geschafft haben: den Frieden und die Kooperation mit Frankreich.“

– Tom Jonas Linke (Schüler am CSG)

Ähnlich sieht es auch seine Mitschülerin Hannah Gerling: „Ich finde auch das Thema sehr wichtig und  auch, dass man sich darüber informiert. Es ist auch eine einzigartige Möglichkeit, sich in beiden Ländern intensiv mit den einzelnen Erinnerungsorten auseinanderzusetzen, was man ohne dieses Projekt vielleicht nicht so machen würde.“

Abschließend betont Jochen Hake noch einmal: „Die Öffentlichkeitswirkung, die  anschließend eintritt, wenn wir mit der Ausstellung an die Bürgerschaft in Holzwickede und Louviers herantreten dürfen, die gemeinsame Erfahrung bei der Reise Ende nächsten Monats – alles das wäre ohne die Unterstützung durch den Bürgerfonds nicht möglich. Dafür sind wir wirklich sehr dankbar. Es zeigt aber auch, dass die Vorbereitung und Antragstellung die Verantwortlichen in Berlin davon überzeugt hat, dass dieses Projekt eine wirklich gute Sache ist. Auch für das Prestige von Holzwickede ist dieses Projekt sicher wichtig.“

Erinnerungsorte, Freundeskreis


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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