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Streit zwischen Rentner und E-Biker auf Landskroner Straße: Anklage wegen Beleidigung und Nötigung

Weil er am 9. Oktober vorigen Jahres gegen 8.15 Uhr einem 58 Jahre alten E-Bike-Fahrer auf der Landskroner Straße bei der Ausfahrt von seinem Grundstück zunächst die Vorfahrt genommen, ihm dann auch noch den Mittelfinger gezeigt und ihn schließlich von der Straße gedrängt haben soll, muss sich der 71 Jahre alte Rentner K. aus Holzwickede wegen Beleidigung und Nötigung vor dem Amtsgericht Unna verantworten.

Gegensätzlicher könnte die Darstellung, was an jenem kalten Oktobermorgen passierte, allerdings nicht sein, wie sich in der Verhandlung heute (12. April) zeigte. So wies der Rentner, der ohne Rechtsbeistand erschienen war, alle Anklagevorwürfe kategorisch zurück. Der Fahrradfahrer, der ihn anzeigte, habe „eine frei erfundene Geschichte“ erzählt. 

Fahrradfahrer „wie ein Hooligan“ gekleidet

Danach schilderte der 71-Jährige seine Version: Er habe bei der Ausfahrt von seinem Grundstück „den Fahrradfahrer gesehen“, wie dieser „in etwa 20 bis 30 Meter Entfernung“ auf der ansteigenden Landskroner Straße in Richtung Römerstraße gefahren sei. „Ich bin dann die etwa 100 Meter bis zur Kreuzung Römer- und Wellstraße gefahren.“ Dort habe er anhalten müssen, um nach links in die Wellstraße abzubiegen. „Plötzlich tauchte auf der linken Seite ein maskierter Radfahrer im schwarzen Kampfanzug auf. Er habe „wie ein Hooligan“ ausgesehen: „Er war komplett schwarz gekleidet: Schuhe, Hose, Jacke und sogar der Helm und seine Spezialbrille – alles schwarz.“

Der Radler habe zunächst gegen die Fahrertür gelehnt und sich dann, sein Fahrrad immer zwischen sich und das Auto haltend, vor den Wagen gestellt, um sich das Kennzeichen zu notieren.

„Der hat die ganze Geschichte einfach erfunden. Er kann so etwas gut, weil er aus der Werbebranche kommt und hat sie auch schon online verbreitet. Er muss eine Persönlichkeitsstörung haben.“

– Angeklagter (71 J.)

Der Rentner will weder beleidigende Gesten gemacht noch auch nur ein Wort mit dem Fahrradfahrer gesprochen haben. „Wenn einer genötigt wurde, dann ich. Ich bin dann schließlich nach links weggefahren.“ Zuvor habe er aber noch gesehen, wie der Radfahrer zu einer männlichen Person auf der Straßenseite gegenüber gegangen sei, den er „offensichtlich überredet hat, als Zeuge aufzutreten“, so der Angeklagte. 

Die Aussage dieses „angeblichen Zeugen“ sei voller „Merkwürdigkeiten“. „Ich soll beispielsweise in Richtung Sölde weggefahren sein. Ich bin aber aus Richtung Sölde gekommen“, so der Angeklagte auf Nachfrage des Richters. Seinen Kontrahenten, den Fahrradfahrer, habe er überhaupt nur zweimal wahrgenommen: Bei der Ausfahrt von seinem Grundstück in einiger Entfernung und dann neben sich an der Kreuzung. „Der hat die ganze Geschichte einfach erfunden“, behauptete der Rentner heute vor Gericht. „Er kann so etwas gut, weil er aus der Werbebranche kommt und hat sie auch schon online verbreitet.“ Warum er so etwas macht? „Er muss eine Persönlichkeitsstörung haben“, so der Angeklagte zum Richter.  „Wissen Sie, die Landskroner Straße war sehr lange gesperrt. Vielleicht hat es ihn gestört, dass auf einmal noch jemand anderes mit ihm auf der Straße war.“

Vorfahrt missachtet und abgedrängt

Der Fahrradfahrer, ein 58 Jahre alter Geschäftsführer aus Sölde, schilderte im Zeugenstand, wie er an besagtem Morgen mit seinem E-Bike die Landskroner Straße bergauf fuhr. In Höhe des Hixterwaldes habe wie fast jeden Tag ein weinroter Kastenwagen am rechten Fahrbahnrand gestanden. Auf Höhe dieses Kastenwagens sei der Angeklagte von seinem Grundstück „plötzlich losgefahren und hat mir die Vorfahrt genommen“, so der Zeuge. Dabei sei er „gegen den Transporter gedrängt“ worden. „Ich habe gerufen: ,Hey, aufpassen!‘ . Daraufhin hat er mir dann den Mittelfinger gezeigt.“

Doch an der Einmündung Römer- und Wellstraße habe der Angeklagte anhalten müssen. „Ich war ziemlich erregt, nachdem er mich gegen den Transporter gestoßen hatte und wollte ihn zum Aussteigen bringen“, räumte der Zeuge ein. „Aber er ist einfach nach links weitergefahren.“ Zuvor habe der Angeklagte ihn jedoch mit seinem Auto bedrängt und auch leicht angefahren.

„Er ist langsam vor mir her gefahren und ich war rechts hinter ihm. Dann hat er hat mir den Mittelfinger gezeigt, ohne sich dabei zur mir umzudrehen. Die Geste war eindeutig.“

– Zeuge (58 J.)

Auf Nachfrage des Gerichts war der Radler ganz sicher: „Er ist langsam vor mir her gefahren und ich war rechts hinter ihm. Dann hat er mir den Mittelfinger gezeigt, ohne sich dabei zur mir umzudrehen. Die Geste war eindeutig.“  Der Angeklagte sei dann weiter langsam vor ihm in Richtung Kreuzung Römerstraße gefahren und er auf seinem E-Bike hinter ihm her. „Plötzlich schnitt er mich und ich bin mit der Schulter gegen seinen Außenspiegel gefallen, der umklappte. Danach hat er beschleunigt.“ 

Verletzt worden sei er allerdings nicht. Auch sein Fahrrad habe nur einen kleinen Kratzer bekommen.

„Ich bin dann zu einem Mann, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand und habe ihn gefragt, ob er etwas gesehen hat und als er Zeuge auftreten würde. Er hatte alles beobachten können und war auch sofort bereit dazu.“

Verhandlung vertagt: Zeuge erkankt

Persönlich konnte dieser Zeuge allerdings heute krankheitsbedingt nicht zur Verhandlung erscheinen. Trotzdem wäre das Gericht wohl heute gerne auch ohne seine Vernehmung zu einem Urteil gekommen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass der Zeuge unter einer Persönlichkeitsstörung leidet. Ganz im Gegenteil: Er hat hier eine sehr dezidierte und sachliche Aussage gemacht“, ließ Richter Jörn Granseuer eine eindeutige Tendenz erkennen. Und an den Angeklagten gewandt: „Ich denke nicht, dass er die Geschichte erfunden hat. Er hätte doch auch gar keinen Grund, so etwas abzuziehen. Vielmehr war alles absolut nachvollziehbar, was er hier gesagt hat. Vielleicht sollten Sie einmal nachdenken, ob Sie uns hier eine Geschichte aufgetischt haben.“

Doch der Angeklagte beharrte darauf, dass er die Wahrheit gesagt und der Geschädigte nur eine Geschichte erfunden hat.  „Er ist ein Profi aus dem Medienbereich, der weiß, wie so etwas geht“, so der 71-Jährige stur. „Es gibt keine Beweise für seine Geschichte. Die Aussage des angeblich andere Zeugen ist auch voller Ungereimtheiten.“

„Kann es nicht sein, dass Sie Erinnerungslücken haben oder vielleicht an beginnender Demenz leiden? Es macht doch alles gar keine Sinn, was Sie hier erzählen“, versuchte die Staatsanwältin dem Rentner eine letzte Brücke zu bauen. Doch beides wies der Angeklagte weit von sich.

Der Richter vertagte daraufhin die Verhandlung bis der erkrankte Zeuge persönlich gehört werden kann.  

Beleidigung, Nötigung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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