Heilloses Durcheinander um Sportabzeichen: Keine Ehrung mehr und keine Prüfung?
In Holzwickede wird viel für den Breitensport und seine ehrenamtlichen Helfer getan. Diesen Eindruck wollen die Verantwortlichen der Gemeinde jedenfalls nach außen vermitteln. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Ehrenamtliche haben sich entnervt vom Dauerstreit mit dem Kreissportbund (KSB) und der Untätigkeit der Gemeinde frustriert zurückgezogen. Hinter den Kulissen herrscht heilloses Durcheinander um die wichtigsten Auszeichnungen im Breitensport, weil sich niemand zuständig fühlt. Folge: Alle Holzwickeder, die voriges Jahr ihr Sportabzeichen erworben haben, müssen in diesem Jahr hinter ihren Auszeichnungen herlaufen und noch ist offen, ob in diesem Jahr überhaupt noch einmal Sportabzeichen-Prüfungen abgenommen werden.
Ausgelöst hat das Chaos Ehrenamtler Lothar Wolf mit seinem Rücktritt schon im November vorigen Jahres. Nach zehn Jahren als Sportabzeichen-Obmann warf der 68-Jährige verärgert die Brocken hin. „Ich hatte einfach nicht mehr das Gefühl, dass man mir die Unterstützung und Wertschätzung entgegenbringt, die ich als Ehrenamtler erwarten kann“, begründet Lothar Wolf seinen Schritt. „Natürlich habe ich den KSB und auch die Gemeinde sofort über meinen Rücktritt informiert.“
Ich hatte einfach nicht mehr das Gefühl, dass man mir die Unterstützung und Wertschätzung entgegenbringt, die ich als Ehrenamtler erwarten kann.“
Lothar Wolf zur Begründung für seinen Rücktritt als Sportabzeichen-Obmann
Eigentlich eine schallende Ohrfeige für den KSB, mit dessen Mitarbeitern in Opherdicke es „immer wieder Reibereien gegeben“ habe. Aber auch von der Gemeinde ist Wolf enttäuscht: „Die Gemeinde hat uns voriges Jahr richtig auf den Pott gesetzt“, sagt er. „Ich habe viele Gespräche mit Vertretern der Gemeinde wegen der Arbeiten im Montanhydraulikstadion geführt. Doch die Hochsprunganlage kann immer noch nicht genutzt werden und auch die Laufbahn für die Weitsprung-Anlage wirft auf der linken Seite dicke Beulen.“ Auch die Bürgermeisterin habe er angesprochen. „Aber es hat sich nichts getan. Für die Fußballer wird von der Gemeinde alles getan, die Leichtathletik wird stiefmütterlich behandelt.“
Unterstrichen wird dieser Eindruck durch das, was nach dem Rücktritt des Sportabzeichen-Obmanns passierte – nämlich nichts.
Sportabzeichen-Obmann und Prüfer werfen Brocken hin
Das Problem: Wie Lothar Wolf erklärt, haben mit ihm auch die meisten seiner Prüfer hingeworfen. „Mein Nachfolger steht alleine da. Viele der Prüfer sind ja noch deutlich älter als ich. Wir kennen uns schon sehr lange und haben die letzten zehn Jahre jeweils von Anfang Mai bis Ende September jeden Dienstag meistens mit zehn Prüfern auf dem Platz gestanden, um die Prüfungen für die Sportabzeichen abzunehmen. Die machen das auch nicht mehr.“
Als Sportabzeichen-Obmann hat Lothar Wolf nicht nur die Prüfungen abgenommen, sondern jahrelang auch die Verteilung der Urkunden organisiert: In feierlichem Rahmen erhielten die stolzen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die das Sportabzeichen erworben hatten, ihre Auszeichnungen überreicht. „Vom Brötchen schmieren bis zum Organisieren der Halle habe ich das ja auch noch alles gemacht“, sagt Wolf. Obwohl er schon vor fünf Monaten alle Beteiligten von seinem Rücktritt informiert haben will und damit auch klar war, dass er keine Sportabzeichen-Ehrung mehr organisieren wird in diesem Jahr, passierte – immer noch nichts.
Vor zwei Wochen trafen sich dann Matthias Hartmann (Kreissportbund), der zuständige Fachbereichsleiter der Gemeinde Holzwickede, Matthias Aufermann, Ehrenamtler Dirk Jacobi vom Gemeindesportverband und Stefan Böcker von der Turngemeinde. In diesem Gespräch informierte der KSB-Geschäftsführer darüber, dass es vermutlich gelungen sei eine Nachfolgerin für Lothar Wolf zu finden. Diese werde sich in den nächsten Wochen bei Matthias Aufermann vorstellen.
Auszeichnungen müssen im Bürgerbüro abgeholt werden
Das „Problem“ der Urkundenübergabe an die erfolgreichen Sportabzeichen-Absolventen aus dem Vorjahr löste Fachbereichsleiter Matthias Aufermann mit dem geringstmöglichen Aufwand: Die Erwerber müssen sich die Urkunden bei ihm im Bürgerbüro abholen. Wer das nicht kann, soll sich melden und bekommt die Urkunde dann auch zugeschickt. Auf Nachfrage, ob es denn seit November nicht möglich gewesen sei, frühzeitig eine angemessene Übergabe zu organisieren, versichert Aufermann. „Wir haben ja erst vor zwei Wochen in dem Gespräch mit dem KSB davon erfahren, dass der Sportabzeichen-Obmann zurückgetreten ist“.
Wir haben ja erst vor zwei Wochen in dem Gespräch mit dem KSB davon erfahren, dass der Sportabzeichen-Obmann zurückgetreten ist.“
Begründung von Fachbereichsleiter Matthias Aufermann , warum es dieses Jahr keine Sportabzeichen-Verleihung im Forum gibt
Immerhin geht der Fachbereichsleiter davon aus, dass noch Prüfer vorhanden sind, wenn sich die Nachfolgerin von Lothar Wolf in den nächsten Tagen bei ihm melden wird. Sicher ist er allerdings nicht. „Wir haben aber die Adressen, so dass wir sie kontaktieren können.“
Wer für den Sportabzeichen-Obmann und die Prüfer in Holzwickede organisatorisch zuständig ist, scheint völlig unklar zu sein. Solange die ehrenamtlichen Kräfte funktionierten und sich niemand kümmern musste, war das kein Problem. Doch nun herrscht heilloses Durcheinander.
Keiner fühlt sich zuständig
„Keine Ahnung, ob es noch genügend Prüfer in Holzwickede gibt“, sagt KSB-geschäftsführer Matthias Hartmann. „Davon höre ich das erste Mal. Wir haben aber auch nichts mit den Sportabzeichen-Prüfungen zu tun und geben nur die Urkunden aus.“ Normalerweise melde der Sportabzeichen-Obmann die Prüfer beim KSB wegen der Prüferlizenz an, beschreibt Hartmann das Verfahren. Nach dem Rücktritt von Lothar Wolf habe es allerdings auch schon die Anfrage eines Prüfers gegeben, ob er denn auch ohne Obmann noch Sportabzeichen-Prüfungen abnehmen könne. „In diesem ungünstigsten Fall kann ein Prüfer die Ergebnisse auch direkt bei uns einreichen“, meint Hartmann. „So etwas ist aber bisher noch nie vorgekommen. Normalerweise regeln das die Kommunen alleine.“
Der KSB habe inzwischen auch eine Nachfolgerin für Lothar Wolf gefunden. „Damit haben wir mehr getan, als wir eigentlich mussten“, meint Hartmann. Ihren Namen will er noch nicht nennen. „Aber sie wird sich in den nächsten Tagen bei der Gemeinde melden, die dann auch die Prüfer einladen wird.“
So ein Durcheinander gibt es in keiner anderen Kommune.“
KSB-Geschäftführer Matthias Hartmann mit Blick auf die Gemeinde Holzwickede
Allerdings könnte es auch durchaus sein, dass die Sportabzeichen-Prüfungen nach dem Rücktritt von Lothar Wolf dieses Jahr „in Holzwickede voll vor die Wand fahren“, räumt der KSB-Geschäftsführer ein. „Holzwickede ist wirklich ein ganz besonderer Fall. Da hat sich in der Vergangenheit eine eigene Organisation ergeben, weil Lothar Wolf auch alles an sich gezogen hat. So ein Durcheinander gibt es in keiner anderen Kommune.“ Normalerweise sei der Sportabzeichen-Obmann beim Gemeindesportverband angedockt, der davon aber womöglich aber gar nichts ahnt. GSV-Vorsitzender Dirk Jacobi wiegelt auch tatsächlich ab: „Mitglied im GSV sind nur Vereine – und der Sportabzeichen-Obmann ist meines Wissens nach kein Verein.“
Keine Sportabzeichen-Abnahme mehr bei der TGH
Die Sportabzeichen-Prüfer sind in allen anderen Kommunen des Kreises bei den Sportvereinen angesiedelt, wie der KSB-Geschäftsführer erklärt. In Holzwickede kommt dafür eigentlich nur die Turngemeinde in Frage, bei der auch tatsächlich die viele der Prüfer Mitglied sind. Nur: Auf seiner Internetseite meldete der Verein schon im Januar unter der Überschrift „Keine Sportabzeichen-Abnahme mehr bei der TgH“ kurz und bündig: „Unser bisheriges Angebot des offenen Trainings für die Abnahme des Deutschen Sportabzeichens muss leider dauerhaft entfallen. Informationen über weitere Stützpunkte erhalten Sie hier oder direkt telefonisch bei Frau Sellwich vom Kreissportbund Unna unter 02303-271524. Wir danken Lothar Wolf als langjährigen Obmann und allen weiteren Helfern für ihr Engagement!“
Steht zu befürchten, dass neben der Sportabzeichen-Ehrung dieses Jahr auch die Sportabzeichen-Prüfungen ausfallen. Einen Vorteil hätte das zumindest aus Sicht der verantwortlichen: Wer keine Sportabzeichen mehr vergibt, muss im Jahr darauf auch keine mehr verleihen.