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Die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde bekämpfte heute Morgen einen Gebäudebrand an der Reuterstraße 17. (Foto: Feuerwehr Holzwickede)

74-jähriger Rentner legt eigenes Haus in Schutt und Asche: Drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe

Die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde bekämpfte heute Morgen einen Gebäudebrand an der Reuterstraße 17. (Foto: Feuerwehr Holzwickede)
Das Wohnhaus Reiterstraße 17 wurde durch den von dem Angeklagten gelegten Brand total beschädigt. Die Holzwickede Feuerwehr hatte stundenlang gegen das Feuer gekämpft. (Foto: Feuerwehr Holzwickede)

Das letzte Kapitel einer echten Familientragödie wurde heute vor dem Schöffengericht in Unna geschrieben: Wegen schwerer Brandstiftung wurde dort der 74 Jahre alte Rentner O. aus Holzwickede zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Der 74-Jährige hatte in der Nacht zum 13. Juni dieses Jahres das Wohnhaus Reuterstraße 17 in Brand gesetzt. Wie der Brandsachverständige hinter feststellte, hatte der Rentner dazu gegen 3.45 Uhr morgens an mindestens sechs Stellen Brandsätze (Grillanzünder) gelegt: im unteren Teil des Hauses, das ihm und seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau gehört, sowie in der oberen Wohnung, die seiner Schwiegermutter bewohnt und bewohnt wird. Diese befand sich am Tattag jedoch in der Kurzzeitpflege, sodass der Rentner ganz allein im Haus war.

Hintergrund ist eine Familientragödie

Das Wohnhaus brannte kurz darauf lichterloh im Vollbrand. Die Feuerwehr der Gemeinde hatte stundenlang alle Hände voll zu tun, um ein Übergreifen des Feuers auf benachbarte Häuser zu verhindern. Das Wohnhaus Reuterstraße 17 wurde strak beschädigt und unbewohnbar. Der Sachschaden wird auf rund 400.000 Euro geschätzt.

Außerdem verbrannten 53.000 Euro an Bargeld in dem Haus, wie es heute in der Verhandlung hieß. Dies große Summe Bargeld hatte der Rentner ausnahmsweise zu Hause, weil die Tresore der Sparkasse wenige Tage zuvor bei der Überflutung der Tiefgarage in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Die Sparkasse hatte daraufhin die betroffenen Kunden gebeten, ihr Geld abzuholen.   

Der Rentner wurde in der Tatnacht noch während es brannte in einem Auto in der wenige Meter vom Haus entfernten Garage entdeckt: Verstört, die Hände zerkratzt und mit Ruß verdreckt. Vor der Tat hatte der 74-Jährige auch bereists zwei Abschiedsnachrichten an seinen Sohn und eine Nachbarin geschickt. Noch am selben Tag wurde er dem Haftrichter vorgeführt.

Die tragischen Hintergründe der Tag kamen heute vor Gericht zur Sprache: Denn im März 2021 hatte O. seine Ehefrau auf der Straße mit 15 Messerstichen niedergestochen und verletzt, weil er es nicht verkraften konnte, dass sich diese nach 50 Ehejahren von ihm getrennt hatte (Emscherblog berichtete). Im November 2021 war der Rentner deshalb vom selben Richter, dem er auch heute wieder gegenüberstand, zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Seine verständliche Bitte, den Richter als befangen „auszutauschen“, scheiterte allerdings, weil dies nicht zulässig ist. Gegen dessen damaliges Urteil hatte O. Rechtsmittel eingelegt und das Landgericht reduzierte seine Haftstrafe tatsächlich auf zweieinhalb Jahre.

Aufforderung zum Haftantritt vor der Brandstiftung

Offenbar ging der 74-Jährige danach davon aus, dass er mit diesem Urteil in den offenen Vollzug kommt. Dies war ihm wichtig, wie O. heute, teils unter Tränen, schilderte, weil er sich um seine Schwiegermutter kümmern wollte, zu der er offenbar ein sehr gutes Verhältnis hat. Kurz vor der Tat im Juni vorigen Jahres hatte der 74-Jährige dann allerdings die Aufforderung bekommen, seine Haftstrafe anzutreten. Das habe ihn völlig aus der Fassung gebracht, zumal er in der Tatnacht – für ihn ungewöhnlich – drei Flaschen Bier und zwei Schnäpse getrunken habe.

„An die Tat kann ich mich nicht mehr erinnern“, erklärte der Rentner auf heute auf Nachfrage von Richter Christian Johann. „Ich weiß nur noch, dass ich aus dem Auto geholt werden musste.“ Nach kurzer Rücksprache mit seinem Verteidiger räumte O. dennoch die Tatvorwürfe ein – auch ohne sich an Details erinnern zu können.

Psychisches Gutachten verweigert

Seine Verteidigung erschwerte der Rentner allerdings heute selbst, weil er trotz dringender Empfehlung seines Verteidigers es hartnäckig ablehnte, sich von einem Gutachter untersuchen zu lassen, ob es möglicherweise Anhaltspunkte dafür gibt, dass er in der Tatnacht eingeschränkt schuldfähig war. Das Gericht musste deshalb davon ausgehen, dass der 74-Jährige voll schuldfähig war.

Die Staatsanwältin sah die Anklage denn auch in vollem Umfang als bestätigt an, auch wenn O. keine Erinnerung mehr an die Tat habe. Der Gesetzgeber sieht für eine schwere Brandstiftung einen Strafrahmen von ein bis 15 Jahren vor. Wie also ist die Tat zu bewerten? Zu seinen Gunsten sei sein Geständnis zu berücksichtigen. Auch habe der 74-Jährige offenbar fest darauf vertraut, in den offenen Vollzug zu kommen, sich Sorgen um seine Schwiegermutter gemacht und unter Alkoholeinfluss gestanden. Dass er sich deshalb in einer Ausnahmesituation befand, sei nachvollziehbar. Andererseits habe O. aber auch wieder seiner Ex-Frau schaden wollen, indem er ihr gemeinsames Haus in Brand steckte. Hauptleidtragende sei aber ausgerechnet seine Schwiegermutter, deren Wohnung und kompletter Besitz durch das Feuer zerstört wurde und der O. nach eigener Aussage doch sehr verbunden ist.

Keine verminderte Schuldfähigkeit

Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit kann die Anklagevertreterin nicht erkennen. Zudem ist der 74-Jährige nach den Messerstichen auf seine Frau vorbestraft. Vor diesem Hintergrund forderte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für den Angeklagten.

Auch für die Verteidigung war der eigentliche Sachverhalt unstrittig. Der Verteidiger bedauerte die Weigerung seines Mandanten, sich begutachten zu lassen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der 74-Jährige aufgrund eines psychischen Ausnahmezustandes zur Tatzeit nur eingeschränkt schuldfähig war. Es handele sich um eine „menschliche und  familiäre Tragödie“ und sein Mandant habe sich in einer sehr angespannten Situation befunden, so der Verteidiger, der um ein mildes Urteil bat.

Das Schöffengericht um Richter Christian Johann folgte sich mit seinem Urteil von drei Jahren und sechs Monaten der Forderung der Staatsanwältin.  Auch inhaltlich schloss sich der Richter ins einer Urteilsbegründung der Anklagevertreterin an. Er wies den Angeklagten darauf hin, dass er vielleicht fest daran geglaubt habe, in den offenen Vollzug zu kommen nach der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht. „Darüber, ob jemand in den offenen Vollzug kommt, hat ein Richter aber gar nicht zu entscheiden. Deshalb würde ein Richter so etwas wohl auch kaum zusagen in einer Verhandlung.“ Außerdem hätten ein paar Tage zwischen der Haftantrittsaufforderung und der eigentlichen Tat gelegen. Der 74-Jährige hätte auch nicht nur das Eigentum seiner Frau, sondern den noch viel größeren Schaden ausgerechnet seiner Schwiegermutter zugefügt, deren gesamten Besitz er zerstört habe. Schließlich konnte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Angeklagte nur kurze Zeit nach seiner ersten Verurteilung schon wieder eine schwere Straftat begangen hat.

Urteil rechtskräftig

Nach kurzer Rücksprache mit seinem Verteidiger erkannte der Angeklagte das Urteil, an, das damit rechtskräftig wurde. Hauptgrund war für die Entscheidung des 74-Jährigen war, wie er seinem Verteidiger erklärte, dass er bei einem weiteren Verbleib in Untersuchungshaft bereits in Aussicht gestellte Hafterleichterungen im normalen Strafvollzug verloren hätte.

Schwere Brandstiftung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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