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73-jähriger Holzwickeder sticht auf offener Straße auf seine Ehefrau ein: Drei Jahre Gefängnis

Es ist nicht weniger als eine Familientragödie, in der gestern (15.11.) vor dem Schöffengericht Unna ein neues Kapitel geschrieben wurde: Weil der 73 Jahre alte Holzwickeder O. es einfach nicht verkraften konnte, dass seine 64-jährige Frau nach fast 50 Ehejahren doch noch den Mut fand, sich endgültig von ihm zu trennen, stach er auf offener Straße in Holzwickede in blinder Wut mit einem Messer auf sie ein. Dank Passanten, die ihr zu Hilfe eilten, und glücklicher Umstände wurde die Ehefrau nur leicht verletzt. Wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilte das Schöffengericht ihren Mann zu drei Jahren Gefängnis.

Die Anklage warf dem Rentner vor, seine Ehefrau am 26. März dieses Jahres, etwa zwei Wochen nach dem Trennungsbeschluss des Familiengerichts, gegen 19.30 Uhr abgepasst zu haben. Nachdem seine Frau eingeparkt hatte und ausgestiegen war, stürzte er mit einem Küchenmesser mit 18 cm langer Klinge auf sie zu und stach mehrfach auf sie ein. Selbst als seine Frau zu Boden gegangen war, ließ er nicht von ihr ab, sondern kniete auf ihr und stach weiter auf sie ein. Erst Passanten, die der Frau zu Hilfe eilten, konnten den rüstigen 73-Jährigen von weiteren Angriffen abhalten. Wie durch ein Wunder erlitt seine Frau nur Schnittverletzungen an den Händen und zahlreiche Blutergüsse.

Nach der Trennung aufgelauert

Als weiterer Tatvorwurf stand eine Beleidigung im Raum. Denn der Angeklagte hatte seine Tochter bei anderer Gelegenheit lautstark als „Schlampe“ beschimpft, weil sie ihm nicht erlaubt hatte, sein Enkelkind zu sehen. Mit Blick auf die zu erwartende Strafe wegen der Körperverletzung wurde dieses Verfahren jedoch abgetrennt und eingestellt.

Mit diesen Tatvorwürfen konfrontiert, gab der Verteidiger von O. zunächst eine Erklärung für seinen Mandanten ab: Er kündigte an, dass O. ein volles Geständnis ablegen werde. Im Vorfeld der Verhandlung habe er sich auch schon für seine Tat entschuldigt und eine Zahlung von 5.000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich angeboten.

Was nach dieser Erklärung von O. kam, war allerdings eher dürftig: Unter Tränen stammelte der Rentner zwar immer wieder: „Es tut mir leid. Ich wollte meine Frau nicht verletzten.“ Den eigentlichen Tathergang schilderte der Angeklagte aber eher beschönigend: Er habe mit dem Messer nicht in Richtung seiner Frau gestochen, sondern nur damit gedroht. Seine Frau habe seinen Arm festgehalten, als er das Messer nach hinten wegziehen wollte. Dabei habe sie sich verletzt.

Für die Staatsanwältin war das auch „alles andere als ein vollumfängliches Geständnis“.  Es sei nicht auszuschließen, dass O. gezielt in Richtung Herz seiner Frau gestochen habe. Bemerkenswert fand sie auch, dass O. zur Tat sein Testament im Handschuhfach seines Pkw mitführte.

Wie ernst sein Angriff tatsächlich war, wurde anschließend bei der ergreifenden Zeugenaussage seiner Ehefrau deutlich. Am ganzen Körper zitternd schilderte die 64-Jährige sehr eindringlich, wie ihr Mann sofort nach ihrem Aussteigen aus dem Auto auf sie zugestürmt sei, mehrfach laut „Ich bring‘ Dich um! Ich bring‘ Dich um“ gerufen und wie verrückt immer und immer wieder auf sie eingestochen habe. „Ich habe geschrien, getreten, gekämpft und mich gewehrt. Aber er war stärker. Dann kam ein Mann mit Hund und hat mir geholfen“, so die Frau unter Tränen.

Ergreifende Aussage seiner Ehefrau

Auf Nachfrage des Richter beschrieb die ihrem Mann körperlich deutlich unterlegene Frau, wie sie nur noch darauf bedacht gewesen sei mit der Hand und ihrer Tasche ihr Herz gegen die Messerstiche zu schützen. Noch auf dem Boden liegend habe ihr Mann weiter auf sie eingestochen und dabei geschrien: „Ich bring Dich um!“. Neben den Schnittwunden an der Hand habe sie später mindestens noch 15 bis 20 kleinere Stichmarken an sich festgestellt sowie etliche Hämatome. „Mein ganzer Körper war grün und blau. Das Schlimmste aber ist die psychische Verletzung. Ich kann seitdem nur noch in Begleitung das Haus verlassen. Meine Nachbarn nehmen sogar meinen Müll mit nach draußen, weil ich mich nicht allein bis zur Mülltonne traue.“  

Seit ihrer Trennung und auch noch nach dem Vorfall im März „treibt er seine Spielchen mit mir“, so die Frau mit Blick auf ihren Mann. Er fahre an ihrem Haus auf und ab, zeige sich ihr provozierend oder winkend am Schulhof, wenn sie ihr Enkelkind abhole. „Ich will das alles nicht mehr und nur noch meine Ruhe habe“, weint die 64-Jährige. „Ich nehme auch wieder Beruhigungsmittel und bin in ärztlicher Behandlung.“

Schon in ihre Ehe sei eine große psychische Belastung für sie gewesen, schildert die Frau unter Tränen. Sie zeichnete von O. das Bild eines dominanten Kontrollfreaks, der sie nicht unbedingt körperlich, aber doch psychisch seit Jahren misshandelte: „Er hat mich immer nur kontrolliert, nie durfte ich etwas“, so die Ehefrau. „Er war sehr dominant und aufbrausend und hat mich auch geschubst. Es mag sich jetzt komisch anhören, aber er hat mir sogar tagelang die Fernbedienung unseres Fernsehers weggenommen, weil er allein fernsehen wollte.“ Zweimal gab es auch schon in der Vergangenheit Vorfälle, bei denen O. seiner Frau androhte, sie umzubringen, wenn sie nicht so spurt, wie er das will.  „Ich bin nicht ein- oder zweimal ausgezogen, sondern schon hunderte Male“, berichtet die Ehefrau. Doch inzwischen habe sie sich endgültig von ihm getrennt.

Nach der erschütternden Aussage der Ehefrau unterbrach Richter Christian Johann die Verhandlung für eine kurze Pause.

Ein Geständnis – zwei Darstellungen

In der beriet sich der Verteidiger noch einmal eingehend seinem Mandaten. Danach rang sich O. dann weinend zu einem vollen Geständnis durch: Wie seine Frau den Tathergang dargestellt habe, entspreche der Wahrheit. „Ja, genauso ist es auch gewesen.“

Danach konnte das Gericht die Beweisaufnahme schließen.

In ihrem Plädoyer fand die Staatsanwältin nicht viel, was den Angeklagten entlastet aus ihrer Sicht: Was sein Geständnis angeht, gebe es zwei sehr unterschiedliche Darstellungen der Tat durch den Angeklagten. Doch die Tat des Angeklagten sei „ganz erheblich“, ja sogar „lebensfährlich“ gewesen. Dass sein Frau nicht schwerer verletzt wurde, sei nur dem Umstand zu verdanken, dass es ihr gelungen sei, die Hände und ihre Tasche schützend zwischen sich und ihren Angreifer zu bringen. „Sie haben nicht einfach nur mit dem Messer herumgefuchtelt, wie Sie zuerst behauptet haben, sondern mindestens 15 Mal gezielt in die Herzgegend gestochen“, so die Staatsanwältin zum Angeklagten. Erst nach der Aussage seiner Frau habe O. das schließlich auch so eingeräumt. „Aber eine richtige Einsicht kann ich hier immer noch nicht erkennen.“ Es sei nachvollziehbar, dass der Angeklagte Angst hatte, seine Frau endgültig zu verlieren und dies eine psychische Belastung für ihn darstellte. Auch sei O. bisher straffrei geblieben. Denn in seiner Ehe sei immer „alles intern geregelt“ worden. Dass der Angeklagte seiner Frau mit einem 18 cm langen Küchenmesser aufgelauerte, zeige aber, dass er ihre „Verletzung billigend in Kauf genommen“ habe. Es handele sich „eine ganz erhebliche kriminelle Tat“, wofür eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gefährlichen Körperverletzung angemessen sei.

Der Anwalt der Nebenklägerin verzichtet auf einen Strafantrag nach Rücksprache mit seiner Mandantin. Die Ehefrau lege keinen Wert auf eine lange Haftstrafe und bitte lediglich darum, dass das Gericht eine Kontaktsperre für O. verhängt.

Verteidiger fordert Bewährungsstrafe

Der Verteidiger forderte eine Strafe von „unter zwei Jahren“ für O., damit diese noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Unstrittig sei, dass es sich bei der Tat um eine gefährliche Körperverletzung gehandelt habe. „Ich nehme meinem Mandanten aber ab, dass er seine Frau nicht töten wollte.“  Denn eigentlich sei er noch in sie verliebt und wolle sie zurückhaben. „Wir dürfen auch nicht vergessen, dass er strafrechtlich überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er schon im Rentenalter ist.“ Auch wenn er „nicht sofort alle Karten auf den Tisch gelegt“ habe, so habe O. „doch ein Geständnis abgelegt“. Schließlich sei auch ein freiwilliger Täter-Opfer-Ausgleich erfolgt.

Das Schöffengericht schloss sich mit seinem Urteil der Forderung der Staatsanwältin an und verurteilte den Angeklagten Holzwickeder wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.

„Das war keine Kurzschlusshandlung oder ein zufälliges Zusammentreffen.“

– Christian Johann (Richter)

Es sei klar, dass jemand psychisch am Boden ist, wenn es nach 47 Jahren Ehe zur Trennung kommt, meinte Richter Christian Johann in seiner Urteilsbegründung. Doch es habe auch schon vor der Tat im März zwei Vorfälle gegeben, in der O. seine Frau mit dem Tod bedroht habe. Bei der Tat selbst habe es sich um „einen lebensgefährlichen Angriff“ gehandelt, bei dem der 73-jährige „mindestens 15 Mal auf seine Frau eingestochen“ habe. „Das war keine Kurzschlussreaktion oder ein zufälliges Zusammentreffen“, so der Richter. Vielmehr habe der Angeklagte „am Schulhof“ des Enkelkindes „auf seine Frau gewartet“. Seine Frau sei zum Glück nicht schwerer verletzt worden, doch der Angriff habe sich „gezielt gegen das Herz“ gerichtet. Mit drei Jahren Gefängnis liege die Strafe „noch im unteren Bereich“, den der Gesetzgeber für solche gefährlichen Körperverletzungen vorsehe. Eine Bewährung sei deshalb auch nicht mehr möglich. Er gehe davon aus, so der Richter zum Angeklagten, dass dieser während der Haft eine therapeutische Beratung in Anspruch nehme. Bei guter Führung könne er dann „vielleicht mit einer vorzeitigen Entlassung aus der Haft rechnen“. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. In der Zwischenzeit empfahl der Richter dem 73-Jährigen, sollte er sich tunlichst von seiner Frau fernhalten. „Sonst wäre auch eine Untersuchungshaft für möglich.“

Gefährliche Körperverletzung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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