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37-Jähriger handelt und konsumiert rd. 30 Kilogramm Marihuana: Bewährungsstrafe

Eine Bewährungsstrafe für den Besitz, Handel und die Abgabe von rund 30 Kilogramm Marihuana scheint auf den ersten Blick unverständlich. Doch in der Verhandlung vor dem Schöffengericht Unna heute (25. April) gegen den 37 Jahre alten D. aus Ahlen wurde einmal mehr deutlich, dass es nicht immer nur auf die reine Menge von verbotenen Betäubungsmitteln (BTM), sondern vielmehr auf die Gesamtumstände ankommt.

Die Anklage warf dem in Ahlen lebenden Angeklagten vor, von Januar bis Juni vorigen Jahres in 16 Fällen im Abstand von ein bis zwei Wochen jeweils rund 1,5 bis zwei Kilo Marihuana aus Holzwickede besorgt zu haben. Verkaufspreis pro Kilogramm Marihuana: ca. 3.900 bis 4.000 Euro. In einem weiteren Fall soll D. auch mit seinen Lieferanten aus Holzwickede nach Venlo gefahren sein, um dort Drogen besserer Qualität zu „shoppen“.

Großdealer aus Holzwickede

Über seinen Verteidiger und auch persönlich räumte der Angeklagte alle Anklagepunkte unumwunden ein und zeigte sich, wie in den gesamten Ermittlungen zuvor, ungewöhnlich kooperativ. Auch wenn er nicht mehr alle Menge genau benennen kann, dürften auch die ihm vorgeworfenen Gewichtsangaben in etwa stimmen, so der 37-Jährige.

Auf Nachfrage von Richter Jörg Hüchtmann erklärte der Angeklagte auch, wie er aus Ahlen an die Drogenlieferanten in Holzwickede gekommen ist: Er habe einen Autohändler gegenüber dem Flughafen besucht und dort einen typischen Geruch wahrgenommen und den Urheber angesprochen. So sei er an den Dealer B. in Holzwickede geraten, der ihn in den folgenden sechs Monaten aus Holzwickede regelmäßig mit großen Mengen an Drogen versorgt hat. „Ich dachte immer, dass er auch der Chef wäre“, so der Angeklagte heute. Erst als er sich öfters über die schlechte Qualität der Drogen beschwerte, habe er dann den wahren Chef A. und später auch dessen Bruder kennengelernt.

B. sowie A. und sein Bruder werden als mutmaßliche Haupttäter gesondert verfolgt. Ihre Prozesse stehen demnächst am Amts- bzw. Landgericht an.

Geregeltes Leben und Pfleger der Eltern

Zur Fahrt nach Venlo kam es, weil die beiden Drogenlieferanten aus Holzwickede den Angeklagten in Ahlen aufsuchten und D. anboten, „bessere Ware“ zu besorgen. „Gemeinsam sind wir dann auch nach Venlo gefahren, aber haben dort nichts gekauft“, so der Angeklagte.

Die enorme Menge von rd. 30 kg Marihuana in nur einem halben Jahr will der Angeklagte überwiegend selbst oder gemeinsam mit Freunden konsumiert haben, denen er kein Geld dafür abgenommen hat: quasi so wie man seine Freunde zum Bier einlädt. Nur den geringeren Teil der Drogen will D. ohne große Gewinnmarge „auf der Straße in Ahlen verteilt“ haben. Großabnehmer habe es nicht gegeben. So auskunftsfreudig D. auch ist was seine Lieferanten aus Holzwickede angeht, so beharrlich schweigt er über die Abnehmer in seinem Freundeskreis. „Ahlen ist eine kleine Stadt und ich möchte noch weiter dort leben“, begründet er seine Haltung.

Kein typischer Dealer oder Konsument

Ein typischer Drogenkonsument oder Dealer scheint der Angeklagte auch nicht zu sein: Er führt ein geregeltes Leben und wohnt mit seinen betagten Eltern in seinem Elternhaus. Beide Elternteile sind pflegebedürftig und D. kümmert sich intensiv und ganz allein um sie: vom Einkaufen und Kochen über das Waschen und Putzen bis hin zur Körperpflege und Versorgung mit Medikamenten. „Ich würde nie zulassen, dass meine Eltern in ein Heim kommen“, versichert er. Er bezieht auch das Pflegegeld für seine Eltern, obwohl er selbst seit über einem Jahr krankgeschrieben ist und seinen Beruf im Tiefbau nicht mehr ausüben kann. Aufgrund starker Schmerzen in der Schulter wurde er im April vorigen Jahres operiert.  Die Schmerzen sind nicht besser geworden, doch in der Reha wurde eine Nervenkrankheit bei ihm diagnostiziert.

Aus dem gelegentlichen Joint wurde wegen der heftigen Schmerzen der Cannabiskonsum immer größer. Schließlich war er nach eigenen Angaben bei etwa drei bis vier Gramm täglich angelangt. Weniger aus Vergnügen, eher aus therapeutischen Gründen. „Die Schmerzen waren geringer und es ging mir danach besser.“

Leben umgekrempelt und Ausstieg aus Szene

Inzwischen lasse er die Finger von den Drogen, versichert der Angeklagte. Auch mit der Drogenszene will er nichts mehr zu tun haben. „Das war mir eine Lehre und wird auch nie wieder passieren“, betont der 37-Jährige. „Ich will mich weiter um meine Eltern kümmern können.“

Die Staatsanwältin wies in ihrem Plädoyer darauf hin, dass für die angeklagten Vergehen vom Gesetzgeber eine Strafe von ein bis 15 Jahren vorgesehen ist. Für den Angeklagten spreche zwar, dass er in vollem Umfang geständig und kooperativ sei. Auch handele es sich nicht um Heroin oder Kokain, sondern bei Marihuana um eine „weiche“ Droge. Andererseits gehe es hier um 16 Fälle und immerhin 30 Kilogramm dieser Droge. Zudem sei D. in kleinerem Umfang vorbestraft, dafür aber sogar einschlägig. Darum hielt die Anklagevertreterin für D. eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für angemessen.

Dessen Verteidiger plädierte dagegen auf eine „bewährungsfähige Strafe“: D. habe bereits gezeigt, dass er mit der Drogenszene nichts mehr zu tun haben will und „sein Leben völlig umgekrempelt“. Darüber hinaus habe er „von Anfang an enorme Aufklärungshilfe geleistet“ und werde dies auch noch in den folgenden Prozessen tun. Sein Mandant habe auch nicht aus Gewinnsucht gehandelt, sondern sei aufgrund einer enormen Doppelbelastung und starker Schmerzen zu der weichen Droge gekommen. „Er wollte ganz sicher nicht reich werden, sondern ist eigentlich ein ganz vernünftiger Mensch, der auch voll in der Arbeit stand.“  Da sein Mandant „sehr gute Aussichten hat, künftig straffrei zu bleiben“, bat der Verteidiger darum, „nicht nur auf die Menge zu schauen, sondern auch auf das Gesamtbild“.  Eine durchaus auch längere Bewährungszeit sei darum angemessen.

Umfangreiches Geständnis und Kooperation

Das Schöffengericht um Richter Jörg Hüchtmann verurteilte den Angeklagten D. schließlich zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und setzte diese zur Bewährung auf drei Jahre aus. Außerdem muss der Angeklagte 2.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Der Angeklagte habe „dem Gericht das Urteil leicht gemacht“, so der Richter in der Urteilsbegründung. D. alle Anklagepunkte eingeräumt, nicht einmal um die genauen Mengen gestritten und auch im gesamten Verfahren kooperiert. Zudem habe D. glaubhaft begründet, wie sich sein doch recht erheblicher Umgang mit der Droge ergeben hat. „Es war auch ein Genussrauchen, aber vor allem auch ein Therapeutikum.“ Schließlich habe er drei bis vier Gramm Marihuana täglich konsumiert, was ihm die Beschaffung der Drogen auch noch sehr leicht gemacht wurde.

„Wenn es jemals bei jemandem angekommen ist, dann bei Ihnen.“

– Jörg Hüchtmann (Richter)

Trotzdem habe D. weiterhin gearbeitet und sich um seine Eltern gekümmert. Wenn er nun in Haft ginge, müssten seine Eltern wohl auch in einem Heim untergebracht werden. D. habe aber deutlich erkennen lassen, „wie sehr an seinen Eltern hängt und straffrei bleiben will, um sie auch weiterhin pflegen zu können“, so Hüchtmann weiter. Der erfahrene Richter war sich bei der Verabschiedung sicher, dass D. seine Lehren gezogen hat: „Wenn es jemals bei jemandem angekommen ist, dann bei Ihnen.“

BTM


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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