Skip to main content

On-Off-Beziehung endet in Katastrophe: 24-Jähriger muss wegen Vergewaltigung zweieinhalb Jahre in Haft

Was Prozesse, in denen es um sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung geht, so schwierig für die Justiz macht, ist der Umstand, dass es sehr oft kaum andere Beweise gibt, als die sich widersprechenden Aussagen der mutmaßlichen Täter und Opfer. So auch in dem Fall, der heute (18. Januar) vor dem Schöffengericht Unna verhandelt wurde.

Angeklagt war dort der 24-jährige Berufskraftfahrer T. Er soll im Mai 2018 – die genaue Tatzeit ist unklar – seine damalige Partnerin L. im Keller seines Elternhauses an der Hamburger Allee in Holzwickede gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Laut Anklage soll T. die junge Frau in seinem Zimmer, das er im Keller bewohnte, auf die Bettkante gedrückt, ihre Beine auseinandergeschoben und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen haben, während er sie mit beiden Armen festhielt.

Angeklagter bestreitet Tatvorwurf

T. bestreitet allerdings seiner damaligen Partnerin, mit der ein gemeinsames Kind hat, jemals Gewalt angetan zu haben. Nach dem Kennenlernen im April 2018 hätten beide „zunächst eine sehr gute Beziehung gehabt“. Im Juni 2018 sei er dann zu ihr nach Unna-Massen gezogen. Doch schon vier Wochen später trennte sich das Paar wieder. Angeblich sei „ihre Hygiene nicht die beste“ gewesen, wie es hieß.  T. zog ins Kellerzimmer seines Elternhauses nach Holzwickede in die Hamburger Allee zurück.

In der Folgezeit entwickelte sich eine On-Off-Beziehung, die von Trennungen und Versöhnungen gekennzeichnet war. Und glaubt man der Geschädigten L. auch von sexueller Gewalt. T. dagegen versichert: „Ich bin ihr gegenüber nie gewalttätig geworden. Ich weiß zu 1.000 Prozent, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe.“  Bis zuletzt habe L. ja auch noch immer wieder Kontakt zu ihm gesucht. Wenn sich T. überhaupt etwas vorzuwerfen habe, dann, dass er „viel zu viel gearbeitet“ und oft zu wenig Zeit für seine Partnerin gehabt habe. „Aber ich wollte einfach so viel Geld verdienen wie möglich für uns und unsere gemeinsame Wohnung. Ich habe immer alles versucht, für sie dazu sein.“

Als ihm seine Partnerin dann offenbart, dass sie schwanger von ihm sei hat T. sich nach eigner Aussage sehr auf das Kind gefreut. „Ich war überzeugt, dass das Kind von mir ist.“ Zunächst jedenfalls. Doch dann seien ihm Zweifel gekommen, weil es Hinweisen aus dem Freundeskreis gab, dass L. auch mit anderen Männer geschlafen habe. „Deshalb habe ich die Vaterschaft nicht sofort anerkannt“, erklärt T.

Über Schwangerschaft kommt es zum endgültigen Bruch

Das führte schließlich zum endgültigen Bruch. Kurz nachdem sich das Paar eine gemeinsame Wohnung in Bergkamen genommen hatte, trennte sich L. von ihm – zwei Monate nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter.

„Wir haben immer wieder versucht, uns zusammenzuraufen“, erklärt T. seine On-Off-Beziehung. „Für mich war das Schlimmste, dass ich nicht bei der Geburt dabei sein durfte.“ Schon während der Schwangerschaft habe seine Partnerin versucht, ihn fernzuhalten von dem ungeboren Kind, was sich letztlich auch als seine Tochter herausstellte und dessen Vaterschaft er inzwischen anerkannt hat: „Ich durfte auch nur einmal mit zum Vorbereitungskurs und war auch höchstens zweimal beim Frauenarzt mit, um die Ultraschallaufnahmen zu sehen.“

„Ich konnte auch nicht mehr als ehrenamtlicher Helfer beim DRK-Rettungsdienst in Unna und Holzwickede arbeiten und habe wegen dieses schweren Vorwurfs meinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis verloren.“

– Der Angeklagte T.

Als dann die plötzlich Anzeige der Ex-Partnerin wegen Vergewaltigung kam, sei T.‘s altes Leben zerstört worden: Was ihn nach eigener Aussage besonders hart traf: „Ich konnte auch nicht mehr als ehrenamtlicher Helfer beim DRK-Rettungsdienst in Unna und Holzwickede arbeiten und habe wegen dieses schweren Vorwurfs meinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis verloren.“  Schließlich zog T. nach Ludwigshafen, wo er unter erheblichen finanziellen Einbußen einen neuen Job annahm. Inzwischen ist er zurückgekehrt und lebt mit einer neuen Partnerin und ihrer Tochter im Kreis Soest zusammen. „Eigentlich wollten wir im Mai heiraten“, meint T. Doch nach dem anonymen Anruf einer weiblichen Stimme beim Kreis Soest, so der Verteidiger T.‘s heute, standen auf einmal Mitarbeiter des Jugendamtes des Kreises Soest auf Matte, um die Verhältnisse in der Wohnung von T. und seiner neuen Partnerin zu prüfen. T. hat nun „panische Angst“, dass seine neue Beziehung wegen dieser Sache auch in die Brüche geht.

Strafanzeige erst nach Ablehnung der Vaterschaft

Sein Verteidiger wies heute das Gericht auf den besonderen zeitlichen Ablauf der Anzeige gegen seinen Mandanten hin: So habe seine Ex-Partnerin L. ihre Strafanzeige erst ein Jahr nach der Tat gestellt. Ein solcher zeitliche Abstand sei allein noch nicht ungewöhnlich. Allerdings ging die Anzeige nach über einem Jahr genau zwei Tage später ein, nachdem die Ex-Partnerin vom Kreis-Jugendamt informiert worden war, dass T. die Vaterschaft der am 26. Mai 2019 geborenen gemeinsamen Tochter nicht ohne ein Gutachten anerkenne. „Das scheint mir schon bemerkenswert“, so der Verteidiger. „Zumal die Geschädigte auch danach noch versucht hat, weiterhin Kontakt zu meinem Mandanten aufzunehmen.“

Die Ex-Partnerin L. sagte heute nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Anschließend wurden auch ihre Mutter und eine Freundin in den Zeugenstand gerufen. Die Mutter berichtete, dass ihre Tochter schon früh und öfters erzählt habe, dass ihr die sexuelle Beziehung mit T. „unbehaglich“ sei, weil dieser rücksichtslos und so dominant sei. Doch erst als ihre Tochter ihr dann irgendwann von einer Bisswunde an der Brust berichtete, habe sie zur Anzeige geraten. Warum Sie nicht schon früher reagiert habe, wollte Richter Christian Johann wissen? „Sie hat zwar häufiger mal davon gesprochen, aber es kam mir jetzt nicht so vor, als ob es so furchtbar oder dringlich wäre,“ antwortete die Mutter.

Von der zweiten Zeugin stammen die Chat-Protokolle, die dem Gericht vorliegen. Daraus hervor geht allerdings auch nicht konkret, dass es zu einer Vergewaltigung gekommen ist. Den Chat-Protokollen ist indes sehr wohl zu entnehmen, dass sich L. in der sexuellen Beziehung mit T. unwohl gefühlt, unter seinem Drängen gelitten habe und sich nicht wehren konnte gegen ihn. Auch in einigen Gesprächen mit ihr habe sich L. so geäußert, so die Zeugin. Bevor Richter Christian Johann anschließend die Beweisaufnahme schließen konnte, beantragt die Verteidigung ein Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Zeugin L.. Dies lehnte der Richter jedoch ab.

Anklage und Verteidigung plädieren auf Freispruch  

In der Verhandlung sei nicht klar geworden, wie die Beziehung des Angeklagten mit der Geschädigten war, räumte die Staatsanwältin ein. Es sei aber auch nicht Aufgabe des Gerichts gewesen, dies zu klären. Wohl aber sollte die Verhandlung Klarheit schaffen, ob der Angeklagte die Tat begangen hat oder nicht. Doch das sei ebenfalls „nicht in erforderlichem Umfang gelungen“, so die Staatsanwältin. Der Angeklagte habe angeblich niemals der Zeugin L. Gewalt angetan, wie er versicherte. Die Zeugin L. „hat keine konkreten Erinnerungen mehr an die Tat“, wie ihre Aussage gezeigt habe. Sie habe sich auch „selbst nie als Vergewaltigungsopfer gesehen“. Damit stütze sich die Anklage allein auf ihre erste polizeilicher Aussage sowie die Chat-Protokolle. Die für eine Verurteilung erforderliche Feststellung der Schuld habe somit in der Verhandlung nicht erbracht werden können, stellte die Anklagevertreterin fest und plädierte auf „Freispruch“ für den Angeklagten.

Eine andere Forderung erhob auch die Anwältin von L., die als Nebenklägerin auftrat, nicht. Sie wies allerdings darauf hin, dass ihre Mandantin mit ihrer Aussage heute auch „niemanden falsch belasten wollte“. Trotzdem sei deutlich geworden, dass ihre Mandantin „unter Druck gesetzt“ worden sei von T..

Auch der Verteidiger von T.  schloss sich der Anklagevertreterin an und plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten. Gleichzeitig versprach er seinem Mandanten sowie dessen Ex-Partnerin, sich dafür einsetzen zu wollen, dass in beider Interesse der Kontakt des Vaters zur Tochter wieder hergestellt werden kann.

Dies dürfte allerdings durch das Urteil nicht leichter werden. Denn obwohl die Anklage wie die Verteidigung auf Freispruch plädiert hatte, kam das Schöffengericht nach kurzer Beratung zu der Überzeugung, dass sich eine Vergewaltigung tatsächlich ereignet hat.

Schöffengericht trotzdem von Schuld überzeugt

Es verurteilte den Angeklagten T. deshalb zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Wie Richter Christian Johann in seiner Urteilsbegründung darlegte, konnte sich die Zeugin L. zwar „in ihrer Aussage nicht mehr an Teilabläufe erinnern“. Dies sei aber „nicht verwunderlich“ angesichts des langen Zeitraumes seit der Tat. In Zusammenhang mit den Chat-Protokollen habe sich die Zeugin heute aber „schon daran erinnern können, dass da etwas gewesen ist und dass sie sich gewehrt“ habe. Entgegen seinen Einlassungen sei T. gegenüber seiner Partnerin sehr wohl gewalttätig gewesen und nicht nur einmal. Wenn der Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen stattgefunden habe, sei der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt.

Der Angeklagte sei nicht geständig, was ihm nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Für ihn spreche aber, dass er bislang unbescholten ist, seine Ex-Partnerin ihm vergeben habe und er auch den Kontakt zu seiner Tochter suche. Deshalb sei das Gericht noch im unteren Bereich der möglichen Strafe geblieben. Da der Gesetzgeber für eine Vergewaltigung eine Mindeststrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht, sei eine Bewährung nicht mehr in Frage gekommen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung kündigte bereits an, Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.

Vergewaltigung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert