Neun Monate Gefängnis für reisende Ladendiebe im Rewe-Markt
Die Geschichte werde an den Stammtischen zu einem lauten Aufschrei führen, ahnt Richter Jörg Hüchtmann in seiner Urteilsbegründung. Dennoch sei es nicht hinnehmbar, dass die drei Angeklagten, die sich heute (21.7.) vor dem Amtsgericht wegen Bandendiebstahls zu verantworten hatten, das Gastrecht so mit Füßen treten.
Bei den drei Angeklagten handelt es sich um Asylbewerber aus Georgien im Alter von 30, 23 und 23 Jahren. Alle drei sind seit Sommer 2014 als Asylbewerber in Deutschland und haben aller Voraussicht nach nie eine Chance auf Anerkennung gehabt. Bis zur endgültigen Entscheidung darüber erhalten Sie hier Sozialleistungen und sind unabhängig voneinander in Kierspe, Meinerzhagen und Borken untergebracht.
Am 8. Mai vorigen Jahres wurden die drei Angeklagten im Rewe-Markt an der Stehfenstraße beim Ladendiebstahl erwischt: Mehrfach waren die drei in den Rewe-Markt zurückgekehrt, hatten zur Tarnung kleinere Mengen an der Kasse gezahlt, bis sie schließlich beim Diebstahl erwischt wurden. Die Polizei wurde geholt und der Fall wäre erledigt gewesen. Doch durch Schaden klug geworden, behielt der Marktleiter die abziehenden Ladendiebe weiter im Auge und entdeckte so ihren Pkw Mercedes, den sie auf dem großen Parkplatz vor dem Markt geparkt hatten. Er informierte erneut die Polizei, die den Mercedes daraufhin durchsuchte und prompt große Mengen Diebesgut entdeckte. Insgesamt hatten die drei Angeklagten Hunderte Flaschen Shampoo und einige Pakete Nescafe im Gesamtwert von rund 500 Euro aus dem Rewe-Markt gestohlen.
Die drei Ladendiebe wurden festgenommen und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.
Hintergründe der Tat bleiben im Dunkeln
In der Verhandlung heute, der die Angeklagten nur mit Hilfe von Dolmetschern folgen konnten, räumten alle drei den Ladendiebstahl ein. Der älteste von ihnen gab an, auch Drogen zu konsumieren (Subotex und Kokain). Alle drei sagten aus, die Diebstähle begangen zu haben, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Weitere Angaben zur Aufklärung der Tat, insbesondere zu möglichen Hintermännern oder Hehlern wollten die Angeklagten dagegen nicht machen.
Auch dann nicht, als Richter Jörg Hüchtmann ihnen eindringlich ins Gewissen redete: „Sie sind hier unter Inanspruchnahme des Gastrechtes und erhalten Sozialleistungen. Das hält Sie nicht davon ab, bei Ihren Gastgebern Straftaten zu begehen.“ Nach mitteleuropäischen Maßstäben sei dies „mindestens als undankbar“ zu bezeichnen. Wenn es dafür noch unbekannte Gründe gebe, könnten sie diese jetzt nennen.
Doch selbst die Herkunft des Autos, in dem die Angeklagten auf Diebstour waren, blieb im Dunkeln. Der ältere der drei Angeklagten räumte lediglich ein, den Mercedes, der nur ein Überführungskennzeichen hat, gefahren zu haben. Er habe das Auto im Auftrag eines Kumpels in Georgien gekauft, der ihm dazu 1.000 Euro überwiesen habe. Bis zur Verschickung des Autos nach Georgien habe er es hier nutzen dürfen.
Wenn wir das hier aufklären, wer hinter dem Fahrzeugkauf steckt, kriegen wir die Flaschen Shampoo geschenkt“
Richter Jörg Hüchtmann
Weitere Nachfragen erwiesen sich als zwecklos. Mit der Vermutung: „Wenn wir das hier aufklären, wer hinter dem Fahrzeugkauf steckt, kriegen wir die Flaschen Shampoo geschenkt“, beließ es Richter Jörg Hüchtmann schließlich bei dieser Darstellung.
Zwei der Angeklagten waren bereits einmal wegen kleinerer Diebstähle in der Vergangenheit aktenkundig geworden. Allerdings waren zwei von ihnen auch nur einen Tag vorher in Breckerfeld bei einem Ladendiebstahl erwischt worden. Einer der Angeklagten war außerdem eine Woche zuvor am 2. Mai in Wiehl ebenfalls als Ladendieb ertappt worden. Beide Taten waren allerdings nicht Gegenstand der heutigen Verhandlung.
Bandenmäßiger Diebstahl nicht nachzuweisen
Der Anklagevertreter hielt es angesichts dieser Umstände für ausreichend nachgewiesen, dass sich die Angeklagten des gewerbsmäßigen Bandendiebstahls schuldig gemacht haben. Sie hätten ein Dreierteam gebildet, um durch die Gegend zu fahren und im Erfolgsfall häufiger auf Diebestour zu gehen. Auch in Holzwickede seien die drei Angeklagten mehr als einmal in den Rewe-Markt gegangen, hätten aus Gründen der Tarnung eine kleinere Summe an der Kasse gezahlt und solange stehlen wollen, bis es auffällt. Eine Bewährungsstrafe für die Angeklagten komme deshalb nicht mehr in Frage, so der Staatsanwalt. Er forderte jeweils ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung für die Angeklagten.
Nach übereinstimmender Ansicht der drei Verteidiger sei der bandenmäßige Zusammenschluss dagegen konstruiert und nicht nachgewiesen. Zudem seien ihre Mandaten geständig und bislang entweder gar nicht oder nur unerheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Faktisch sei bei der Straftat auch kein Schaden entstanden. Der Eigentümer habe seine Ware unbeschädigt wieder ausgehändigt bekommen. Die dreimonatige Untersuchungshaft, die ihre Mandanten nachhaltig beeindruckt habe, seien deshalb schon Strafe genug. Die Verteidiger hielten darum Bewährungsstrafen für ihre Mandanten für angemessen.
Urteile sofort rechtskräftig
Dieser Empfehlung folgte das Gericht allerdings nicht und verurteilte die Angeklagten zu jeweils neun Monaten Gefängnis ohne Bewährung. Das bandenmäßige Vorgehen sei nicht zu beweisen gewesen, erklärte Richter Jörtg Hüchtmann in der Urteilsbegründung. Der gewerbsmäßige Diebstahl stehe aber außer Zweifel. Auch wenn der entstandene Schaden tatsächlich nicht sehr groß sei, und die Tatausführung nicht gerade vor Intelligenz sprühe, zeuge die Tat doch von „einer gewissen Dreistigkeit“. Das Gericht habe zudem nicht den Eindruck gewonnen, dass die dreimonatige Untersuchungshaft ausreichend sei, um erneuten Diebstählen durch die Angeklagten wirkungsvoll vorzubeugen.
Da die Angeklagten auf Rechtsmittel verzichteten, ist das Urteil sofort rechtskräftig geworden und das Gericht hob den Haftbefehl auf. Die Angeklagten wurden daraufhin aus der Untersuchungshaft entlassen und bis zum regulären Haftantritt wieder auf freien Fuß gesetzt.