Mieter machen mobil: Bauvorhaben des Bauvereins vernichtet ihre grüne Wohnidylle
Die 30 Anwohner mit ihren Familien, die teilweise bereits seit 30 Jahren oder länger an der Bahnhofstraße und Jahnstraße wohnen, machen mobil gegen das vom Bauverein Holzwickede geplante Bauvorhaben hinter ihren Häusern. Sie haben vorige Woche nicht nur an Bürgermeisterin Ulrike Drossel, den Vorsitzenden des Planungs- und Bauausschusses Wilfried Brinkmann und Bauverein-Vorstand Wolfgang Böcker geschrieben. Seit heute (19. Juni) ist ihr bunter Protest auch für jeden erkennbar, der an den Häusern Höhe Bahnhofstraße 55 und 57 vorbeikommt:
Auf mehr als einem Dutzend Dachziegeln haben die erzürnten Mieter und Anwohner ihrem Ärger Ausdruck verliehen. Zwar mit freundlich bunter Farbe, aber im Ton unmissverständlich: „6.000 qm versiegelt – Nein zur Betonwüste“, „Emschergemeinde wird zur Betongemeinde“ oder „Natur pur – so wollen Kinder aufwachsen“.
Was die Mieter des Bauvereins fürchten: Der Bauverein plant in drei Bauabschnitten 64 Wohnungen mit insgesamt 4.400 m2 Wohnflächen in zweigeschossigen Gebäuden mit Staffelgeschossen hinter ihren Häusern zu realisieren. Ihre Gärten und Parzellen, die etliche der Mieter über Jahre hinweg mit viel Liebe und auch finanziellem Aufwand in eine grüne Idylle verwandelt haben, würden der neuen Wohnbebauung mitsamt ihren Lauben und Garagen zum Opfer fallen.
Ökologisches Kleinod mit sozialer Komponente
Dass der Bauverein, der die Gartenfläche den Mietern teils als Mietanteil, größtenteils aber ohne vertragliche Regelung zur Nutzung überlassen hat, auf seinem Grundstück das Recht hätte, weitere Häuser zu bauen, ist den Anwohnern durchaus bewusst. Was sie aber wirklich aufbringt, ist das Vorgehen des Bauvereins. Von der Planung haben sie erst durch die Berichterstattung des Emscherblogs und Hellweger Anzeigers erfahren. Die Nachricht hat den Anwohnern „den Boden unter den Füßen weggezogen“, wie sie in ihrem Brief schreiben. Dass dieses Bauvorhaben „mit keiner Silbe seitens des Vermieters Bauverein Holzwickede eG mit uns Mietern besprochen wurde, ist sehr enttäuschend, macht uns sehr traurig und zornig“, heißt es in diesem Brief weiter. Dies auch vor dem Hintergrund, „dass es sich um eine Genossenschaft mit ,Bürgerbeteiligung‘ handelt“.
Ihre Gärten sind für die Anwohner „ein wichtiger Lebens- und Entspannungsraum“ und viele „Kinder sind mit dem Kleinod groß geworden und total irritiert, dass es das demnächst nicht mehr geben soll“. Abgesehen von dem ökologischen Aspekt wird auch ein intaktes soziales und gut nachbarschaftliches Umfeld zerstört, so die Anwohner, die ihren Protest in einer eigenen WhatsApp-Gruppe organisieren.
Mieterin Daniela Klöwer ist erst vor fünf Jahren zugezogen. „Gerade wegen der Kinder und des Gartens. Wir waren so froh darüber, endlich diese Wohnung mit Gartennutzung gefunden zu haben. Wo gibt es das denn sonst noch in Holzwickede zu bezahlbarer Miete?“ Ähnlich sieht es auch Stefanie Engel, die ein echtes Kinderparadies mit Kletterturm, Rutsche und einem großen Gatter mit Hasen angelegt hat. „Wir wollten uns gerade auch noch Hühner anschaffen, als wir von der Planung gehört haben. Das lassen wir jetzt erst einmal.“
Kleingartenanlage soll erhalten bleiben
Überhaupt hat die Motivation der Mieter sehr gelitten, seitdem ihnen klar wurde, was der Bauverein vor hat. Ohne ihre kleinen grünen Fluchten, die großen Bäume, Lauben und Garagen können sich viele der Anwohner gar nicht mehr vorstellen, noch in Holzwickede zu wohnen. „Eine Schande, wenn das alles vernichtet würde“, so Uwe Calovini.
„Wenn die hier so bauen, bin ich weg“, versichert Daniela Klöwer und Stefanie Engel pflichtet ihr bei. Die beiden jungen Mütter scheinen das wirklich ernst zu meinen.
„Wenn die hier so bauen, bin ich weg.“
– Daniela Klöwer
Viele der Mieter sind auch Selbstversorger aus dem eigenen Garten. Als eine Mieterin den Bauverein-Vorstand Wolfgang Böcker daran erinnerte, berichten die Mieter, habe der pampig geantwortet: „Wenn Sie Gurken wollen, gehen Sie doch nach Norma.“ Ob der Bauverein-Chef das so gesagt hat oder nicht: Allein, dass ihm das durchaus zugetraut wird, zeigt wie empathielos die Bewohner inzwischen ihren Vermieter empfinden.
Die Planungs- und Bauausschusssitzung nächste Woche ist entscheidend. Dort wollen die Anwohner Flagge zeigen. Auf der Tagesordnung steht das Bebauungskonzept des Bauvereins. Der will zwar auf eigenem Grund bauen, kann das aber nicht ohne Zustimmung der Gemeinde. Denn die muss den Bebauungsplan für das Projekt beschließen. In dem Verfahren dazu ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen, indem die Gemeinde mit zahlreichen Bedenken und Anregungen von Bürgern rechnet. Auch Die Grünen haben sich als einzige Fraktion ebenfalls schon aus ökologischen Gründen klar gegen die Wohnbebauung ausgesprochen.
Gemeinde lehnt aktuelle Planung ab
Offenbar hat der sich formierende Widerstand auch schon Eindruck gemacht, wie die Beschlussvorlage der Verwaltung zeigt. Denn auf den zunächst beabsichtigten dritten Bauabschnitt will der Bauverein bereits verzichten. Außerdem will die Gemeinde nur dann einem Bebauungsplan für die Wohnbebauung zustimmen, wenn der Bauträger (Bauverein) die Kosten für die Planungsleistung und Erschließungsmaßnahmen übernimmt. Eine Formsache. Allerdings darf auch die Bebauung „nur innerhalb der festgesetzten Wohnbauflächen“ erfolgen, wie es in der Vorlage heißt. Und das ist keine Formsache. Damit wäre zwar den Mietern mit den Gärten direkt hinter den Häuser Bahnhofstraße 55 und 57 nicht geholfen. Aber immerhin blieben damit die zur Montanhydraulikstraße gelegene Grünfläche mit der Kleingartenanlage erhalten.
Offen ist natürlich auch noch die verkehrliche Frage, wobei eine Erschließung der neuen Häuser ausschließlich über die Montanhydraulikstraße zu erfolgen hat. Geklärt werden muss außerdem noch die Schallschutzproblematik, die neben dem Verkehrslärm auch den Sportbetrieb im Montanhydraulikstadion betrifft. Erst wenn der Bauverein in Abstimmung mit dem Bauamt der Gemeinde für alle diese Fragen eine überarbeitete neue Planung vorlegt, darf der Bauträger mit einem positiven Beschluss rechnen. Nach dem „gegenwärtigen Planungsstand“, heißt es in der Verwaltungsvorlage für die Sitzung am Dienstag, ist jedenfalls „eine Aufstellung des Bebauungsplanes städtebaulich nicht gerechtfertigt“.