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Fühlt sich in ihrer neuen Rolle als hauptamtliche Vorständin wohl: Hannah Hesterberg hat die Aufgaben des früheren ehrenamtlich arbeitenden Vorstansdsteams der Elterninitiative übernommen. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)

HEV-Kindergarten erfindet sich neu: Vorstand und Aufsichtsrat ersetzen ehrenamtliche Geschäftsführung

Fühlt sich in ihrer neuen Rolle als hauptamtliche Vorständin wohl: Hannah Hesterberg hat die Aufgaben des früheren ehrenamtlich arbeitenden Vorstansdsteams der Elterninitiative übernommen. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Außerhalb des Trägervereins Elternselbsthilfe Vorschulerziehung (HEV) e.V. hat sich der HEV-Kindergarten vor einem Jahr neu erfunden: Der Vorstand und die Geschäftsführung, bestehend aus neun ehrenamtlich tätigen Eltern, wurde durch eine hauptamtliche Vorständin und einem fünfköpfigen Aufsichtsrat ersetzt. Im Gespräch mit dem Emscherblog erklärt Vorständin Hannah Hesterberg, warum diese Reform zwingend notwendig war und die Werte der Gründerväter und -mütter dennoch im HEV-Kindergarten weiterleben werden.

Vor Hannah Hesterberg war die letzten zehn Jahre Tobias Koke mit zwei weiteren Eltern aus dem Vorstand geschäftsführend für den HEV-Kindergarten tätig. Seine Vorgängerin war Almuth Schneider, die seit Errichtung der Kita die Geschäfte geführt. Doch wie so Vieles, änderte Corona auch dieses ehrenamtliche Geschäftsmodell.

Arbeitsaufwand ehrenamtlich nicht mehr leistbar

„Während Corona war der Vorstand dermaßen stark beansprucht, dass die Eltern diese Aufgabe zeitlich einfach nicht mehr schaffen konnten“, erklärt Hannah Hesterberg. Die Pandemie habe viel Entscheidungsbedarf und damit Mehrbelastung insbesondere für die drei Mitglieder der Geschäftsführung mit sich gebracht: „Sie mussten alle Entscheidungen treffen, ob es um Schließung des Kindergartens oder die Einrichtung einer Notbetreuung oder andere Fragen ging“, erläutert Hesterberg. „Dadurch waren die Eltern so stark eingebunden, wie noch nie.“

„Es war eine sehr herausfordernde Zeit für alle, aber besonders für den Vorstand, sodass dies dann auch bei Sylke Reichert, die 18 Jahre lang im Vorstand war und sich um die Finanzen kümmerte, zu der Entscheidung geführt hatte, aufzuhören. Die Entscheidung fiel allen geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern sehr schwer. Aber wenn man noch einen Hauptjob hat, bleibt einfach zu viel auf der Strecke“, so Hannah Hesterberg verständnisvoll.

Damit stieg ein großes Fragezeichen über dem HEV-Team auf. Für den Trägerverein ist es immer schwieriger geworden, Leute zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren. „Es ist nicht mehr so wie früher und in unserem Fall auch eine Frage des Fachwissens“, räumt Hesterberg ein. „Wir waren in großer Sorge, wie es weitergeht mit dem Kindergarten. Es gab verschiedene Möglichkeiten und ganz viele Ideen. Wir hätten auch einen neuen Träger oder einen neuen geschäftsführenden Vorstand suchen können. Doch dann wäre auch nicht klar gewesen, wie es weitergehen wird.“

Nach Rücktritt auch Trägerwechsel angedacht

Zu diesem Zeitpunkt war Hannah Hesterberg Leiterin des HEV-Kindergartens. Dass sie die erste hauptamtliche Vorständin  würde, war ihr nicht in die Wiege gelegt. Im Jahr 2007 fing sie zunächst als Anerkennungspraktikantin in der HEV-Einrichtung an und wurde später dort auch Erzieherin. Als die langjährige Leiterin Annette Willutzki 2019 in den Ruhrstand ging und Anna Fechner ihre Nachfolgerin im Amt wurde, bewarb sich Hannah Hesterberg um die stellvertretende Leitungsfunktion. Nach nur einem Jahr kam Corona, Anna Fechner wurde schwanger und Hesterberg „rutschte“ in die Rolle der Leiterin, die sie eineinhalb Jahre ausübte. Danach ging sie zunächst wieder als Erzieherin in den Gruppendienst zurück. 

„Ich bin Erzieherin und von meinem Herzen her wird das auch immer so bleiben.“

– Hannah Hesterberg (HEV-Vorständin)

Eine kaufmännische Ausbildung hat die Vorständin nicht. „Ich bin Erzieherin und von meinem Herzen her wird das auch immer so bleiben. In der Kita hier bin ich in das Thema Qualitätsmanagement hineingewachsen und Fachwirtin sowie zertifizierte Beauftragte für  Qualitätsmanagement geworden. Die Dinge hinter der Fassade haben mich auch schon immer interessiert, also nicht nur, was in den Gruppen passiert, sondern auch die Finanzen. Das Qualitätsmanagement umfasst ja einen unglaublich großen Bereich, zwangsläufig, wenn man in so einer Leitungsfunktion ist. Da durfte ich noch einmal einen ganz anderen Einblick bekommen.“  Mit der Zeit merkte die überzeugte Erzieherin dann, dass der Blick hinter die Fassade immer interessanter für sie wurde.

In dieser Phase rief sie ihren Vorgänger im Amt an und präsentiere ihm ihre Idee, die ehrenamtliche Arbeit in der Geschäftsführung mit einer hauptamtlichen Geschäftsführung zu professionalisieren. Bei Tobias Koke rannte sie damit offene Türen ein: „Er hatte damals gerade einen Vortrag besucht vom Paritätischen Wohlfahrtverband, in dem verschiedene Modelle für das Tandem von Träger und Kita-Leitung vorgestellt worden waren, darunter auch ein hauptamtlicher Vorstand“, erinnert sie sich. „So ist die Idee dann gewachsen.“

Umgesetzt werden sollte schließlich folgendes Modell am HEV-Kindergarten: Es gibt eine hauptamtliche Vorständin (Hannah Hesterberg), die alle Aufgaben wahrnimmt und erledigt, die zuvor von neun Vorstandsmitgliedern, zu denen auch die drei geschäftsführenden gehörten, ehrenamtlich erledigt wurden. Um die Vorständin bezahlen zu können, ohne die Eltern zusätzlich zu belasten, musste eine Erzieherinnenstelle entfallen. „Das konnten wir machen, weil wir personell sehr gut aufgestellt waren“, sagt Hesterberg.  Neben ihr gibt es nur noch einen fünfköpfigen hauptamtlichen Aufsichtsrat (Eltern),  dessen Mitglieder nicht bezahlt werden.

Schlanke, professionalisierte Organisation

„Dieser Aufsichtsrat kontrolliert meine Arbeit“, erläutert die Vorständin. „Ich muss ihm Rechenschaft ablegen, mich mit ihm beratschlagen und in bestimmten Punkten auch die Zustimmung der Eltern holen, etwa in Personalfragen.“  Für die Umstrukturierung sei es sehr wichtig gewesen, dass die Mitbestimmung der Eltern nicht verloren geht. „Das ist auch nach wie vor das A und O und wird auch künftig so bleiben“, betont Hesterberg. Andernfalls wäre auch keine Mitgliedschaft mehr beim Paritätischen Wohlfahrtsverband möglich, mit dem die Umstrukturierung eng abgestimmt wurde.

Was den Zweckbetrieb Kita angeht, ist das die komplette Organisation. „Es war aber von Anfang so geplant, dass ich nach einer Einarbeitungszeit einige Themenbereiche wieder an den Aufsichtsrat abgeben werde, um mich von einigen Aufgaben etwas zu entlasten. Denn das, was jetzt alles an Arbeit für mich anfällt, ist ehrlich gesagt, schon sehr, sehr viel“, meint die Vorständin.

Die Geschäftsführung des HEV-Kindergartens sei vom Aufwand her mit einem mittelständischen Unternehmen vergleichbar, so die Vorständin. „Auch für den geschäftsführenden alten Vorstand war das zeitlich schon fast ein zweiter Hauptjob. Die wichtigen Aufgaben, wie die Personalverantwortung bleiben aber alle bei mir. Das ist mir auch wichtig.“

Eltern erfolgreich mitgenommen

Dieses Archibild zeigt die erste Geschäftsführin Almuth Schneider (M.) und ihre ehrenamtlichen Vorstandskolleginen bei einer Sitzung des Elternrates kurz nach Errichtung des HEV-Kindergartens. (Foto: Archiv)
Dieses Archibild zeigt die erste Geschäftsführin Almuth Schneider (M.) und ihre ehrenamtlichen Vorstandskolleginen bei einer Sitzung des Elternrates kurz nach Errichtung des HEV-Kindergartens. (Foto: Archiv)

Während das Erzieherinnenteam und der alte Vorstand die Vorzüge des hauptamtlichen Modells recht schnell erkannten waren, mussten die Eltern noch mitgenommen und überzeugt werden.  „Wir haben den Paritätischen Wohlfahrtsverband hinzugezogen, von dem wir auch beraten wurden. Ganz wichtig war, dass wir die Mitbestimmung der Eltern nicht verlieren sowie ein Konstrukt schaffen, das man nicht mal eben so umhauen kann“, gibt die Vorständin Einblick in die Überlegungen. „Ein Geschäftsführer kann jederzeit wieder rausgekickt werden. Das wollten wir nicht und sind so zu dem hauptamtlichen Vorstand gekommen.“

Etwa ein Jahr dauerte es, bis die Satzung und Geschäftsordnung neu geschrieben waren – vom alten und neuen Vorstand gemeinsam. „Wir haben uns überlegt, wie das alles laufen kann. Das war eine Gemeinschaftsarbeit. Der alte Vorstand musste die Änderungen schließlich auch alle absegnen.“

Das Ergebnis wurde dem Elternrat und dann in einer Mitgliederversammlung auch allen Eltern vorgestellt. „Die Reaktion war sehr unterschiedlich“, erinnert sich Hannah Hesterberg. „Einige Eltern fanden den Vorschlag toll, weil wir eine zuverlässige, feste Struktur brauchen, wenn das hier alles weiterlaufen sollte und die Aufgaben immer mehr werden. Es gab Eltern, vor allem auch aus meiner Gruppe, die nicht wollten, dass ich den Kindern als Erzieherin verloren gehe. Und dann gab es eine Handvoll Eltern, die sich das neue Modell überhaupt nicht vorstellen konnten. Da war viel Überzeugungsarbeit nötig, die wir auch geleistet haben.“ Mit einer umfangreichen Präsentation zeigten die Befürworter etwa alle Vor- und Nachteile des Modells auf und wie gut sie alles durchdacht hatten. Am Ende entschieden sich die Eltern mit 77 von 79 Stimmen für das Modell mit Hannah Hesterberg als Vorständin.

Als eine ihrer ersten Maßnahmen führte sie Homeoffice-Tage für die Erzieherinnen ein. Ihre Dokumentationen nach Elternsprechtagen, Eingewöhnungsgesprächen, für Entwicklungsgespräche usw. dürfen die Erzieherinnen nun auch zu Hause schreiben.  „Natürlich unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen“, so die Vorständin.  Auch eine Betriebsvereinbarung wurde eingeführt sowie endlich ein gemütlicher Sozialraum für die Mitarbeiterinnen eingerichtet. Vieles wurden aber auch einfach überarbeitet, neu erstellt oder professionalisiert gemacht.

Ziel ist Tradition und Kontinuität

Dabei betont Hannah Hesterberg: „Mir ist ein wichtiges Anliegen, die alten Werte hier zu erhalten. Ich will nicht alles auf links drehen und das Rad neu erfinden.“ Stattdessen setzt die Vorständin auf Kontinuität: „Ich möchte diese Beständigkeit, die den HEV-Kindergarten ausmacht –  Annette Willutzki und auch Frau Schneider waren doch super lange hier –  weiter fortführen und die HEV-Werte erhalten. Das ist mir wichtig.“

„Mir ist ein wichtiges Anliegen, die alten Werte hier zu erhalten. Ich will nicht alles auf links drehen und das Rad neu erfinden.“

– Hannah Hesterberg (HEV-Vorständin)

Dank der Unterstützung durch alten Vorstand Silke Reichert, André Neumann und vor allem durch Tobias Knoke ist Hannah Hesterberg inzwischen in ihre neue Rolle als Vorständin hineingewachsen. Nach nunmehr ziemlich genau einem Jahr im Amt ist Hannah Hesterberg mehr denn je von der Richtigkeit der Umstrukturierung am HEV-Kindergarten überzeugt und dass diese geglückt ist. „Ich denke auch, dass die große Mehrheit der Eltern das so sieht und zufrieden ist.“ 

Die Vorständin ist ziemlich sicher, dass es bald mehr Kitas in Trägerschaft von Elterninitiativen geben wird, die ein ähnliches Modell umsetzen werden. „Die anderen Kitas haben doch die gleichen Probleme. Es gibt Elterninitiativen, da wechselt der Vorstand jedes Jahr und es müssen immer wieder neue Leute reinwachsen. Kaum sind sie eingearbeitet, gehen sie schon wieder. Das geht einfach zulasten der Mitarbeiter, Kinder und Eltern.“

HEV-Kita, Vorstand


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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