Bürgerbus praktisch gestorben – an mangelndem Bürgerengagement: Es fehlen die Fahrer
Im Hauptausschuss am Donnerstagabend gab Rainer Pust, der sich im Auftrag der Gemeinde ehrenamtlich bemüht, den Bürgerbus in Fahrt zu bringen, einen kurzen Bericht über den Stand des Projektes. Was der „tolle Netzwerker“ (Bürgermeisterin Ulrike Drossel), der in den vergangenen Tagen und Wochen zahlreiche Gespräche führte, berichtete, muss allen Holzwickeder Bürgerbus-Enthusiasten die Ohren klingeln lassen. Stand jetzt, ist das Projekt praktisch gestorben. Der Grund dafür dürfte überraschen.
Doch zunächst die positiven Nachrichten: Unter Leitung von Rainer Pust konnte seit der bisher letzten Bürgerversammlung im November vorigen Jahres eine Arbeitsgruppe gebildet werden, der acht Mitglieder angehören und die sich bislang zweimal getroffen hat. Es wurden ein Linienplan für den Bürgerbus erarbeitet, der auch schon weitgehend mit der VKU abgestimmt ist, wie Rainer Pust vortrug. „Wir haben zwei Linienführungen erarbeitet, eine im Norden und eine im Süden von jeweils 45 Minuten Fahrzeit. Zentrale Anlaufstelle für die Fahrpause in beiden Linien ist der Marktplatz, weil es dort eine öffentliche Toilette für die Fahrer gibt“, nennt Pust den Grund.
Linien und Vorstand kein Problem mehr
Außerdem kann der rührige Ehrenamtler nach eingehenden Gesprächen mit den Kandidaten vermelden: „Wir haben elf Interessenten für den Vorstand. Das sind genügend Mitglieder, um einen Bürgerbusverein zu gründen.“
Das Problem sind jedoch die fehlenden Fahrer. Wie Rainer Pust darlegte, wurde nach der letzten Bürgerversammlung eine Namensliste für Interessierte ausgelegt, in die sich 43 Personen eingetragen haben. „Ich habe alle 43 Personen von dieser Liste persönlich kontaktiert und Gespräche mit ihnen geführt. Ich weiß genau, wer Vorstandsarbeit machen würde. Das reicht für die Vereinsgründung. Allerdings haben wir bisher rechnerisch nur viereinhalb Fahrer. Das sind viel zu wenig. Wenn da nicht mehr Interesse ist, hat es keinen Zweck.“
„Der Bürgerbus heißt doch so, weil das Interesse der Bürger von den Bürgern kommen muss.“
– Rainer Pust
Nach Rücksprache mit den Bürgerbus-Vereinen in Bönen und Fröndenberg ist Rainer Pust überzeugt: „Unter 25 Fahrern brauchen wir gar nicht erst anzufangen.“ Denn ständig fallen eingeplante Fahrer aus, springen ganz ab oder sind zu bestimmten Zeiten unabkömmlich. In Bönen klemmt sich der Vereinsvorsitzende selbst hinter das Steuer, weil der Bürgerbus sonst steht. „Das ist ganz klar: Das Besorgen von Fahrern wird ein ständiges Geschäft bleiben“, ist Pust sicher.
Für ihn steht deshalb fest: „Unter diesen Umständen lehne ich eine Vereinsgründung ab. Der Bürgerbus heißt doch so, weil das Interesse der Bürger von den Bürgern kommen muss.“ Wenn es daran fehlt, geht es einfach nicht. Sein einzige Hoffnung: „Vielleicht sollten wir noch einmal einen Aufruf starten und Fahrer suchen.“
Die vom Bürgerblock-Sprecher Michael Laux ins Spiel gebrachte Anregung, erst einen Verein zu gründen und dann intensiv Fahrer zu suchen, kommt für Pust nicht in Frage. „Noch sind zwar eineinhalb Jahre Zeit. Aber unter diesen Umständen lehne ich eine Vereinsgründung ab. Ich will das Problem nicht einfach an den Vereinsvorstand weitergeben. Das wäre sehr unfair. Das Allerschlimmste wäre doch, wenn wir einen Verein gründen, den Bürgerbus bestellen, 75.000 Euro Fördergeld kassieren und am Ende keine Fahrer finden. Das wäre hochpeinlich und verantwortungslos. So etwas mache ich nicht mit.“
Mike
Da werden keine Fahrer kommen,der Personenbeförderungs-schein kostet Geld,das pol.Führungszeugnis kostet Geld und wofür?Nach ein paar Monaten wird der Bus Geschichte sein.
J. Häusler
Aufkommende Kosten werden lt. Artikel im HA dann vom Verein getragen. Dieses sollte dann also kein Hinderungsgrund sein.
Eugen Drimmelfink
Die VKU soll einfach vernünftige Linien und Taktungen anbieten, dann müssen wir über einen Bürgerbus gar nicht sprechen. Dem Engagement und dem Bestreben in allen Ehren: Die Argumente von Herrn Pust sind ja voll nachvollziehbar.
Es sollte nicht in der Hand der Bürger sein (müssen), dass ein ÖPNV nutzbar ist. Es ist doch mehr als eindeutig, dass diese einstündige Taktung werktags tagsüber nicht ausreichend ist. Dass die Menschen kein Bock haben in ihrer Freizeit hinter dem Bus hinterher zu telefonieren, weil nach 18:00 Uhr kein regulärer Bus mehr fährt – und am Wochenende schon gar nicht – dann wenn die Leute privat wohin wollen.
Guter ÖPNV kostet eben Geld für den Träger. Klar, Holzwickede ist klein, aber gerade als direkter Nachbarort einer der Top10-Städte Deutschlands hätte man so viel Potential. Wenn der VKU-ÖPNV weiterhin so mies ist, dann kann man es den Bürgern nicht verübeln, wenn sie letztendlich dann doch das Auto nehmen. Kleiner Ort, hin oder her. Das muss die Politik generell handeln.
Es bleibt ein Teufelskreis:
> Meckern über zu viele Autos
> Um vernünftige Bus-Anbindungen kümmert man sich in kleineren Orten aber auch nicht, weil es sich finanziell nicht lohnt
> Meckern über zu viele Autos
>…
Karsten
Ich glaube nicht, dass eine neue Buslinie großartig angenommen werden würde. Da könnte die utopisch Taktung von 10min sein, solange das Autofahren nicht unattraktiver gemacht wird (weniger und/oder teurere Parkplätze z.B.), wird sich nicht viel im Mobilitätsverhalten ändern. Zu sehr hat sich die Gleichung „Mobilität = Auto“ in die Köpfe eingebrannt.
Tommi
Da kann ich dem Vorredner nur Recht geben. Wir finanzieren den ÖPNV und wenn dieser unzufrieden arbeitet, sollen wir auch für Ausgleich sorgen? Vielleicht sollten eher mal die VKU daran erinnert werden, woher das Geld für ihren Betrieb kommt. Ein Umdenken der Verkehrsbetriebe halte ich auch im Sinne des Umweltschutzes für absolut notwendig. Ansonsten wird der Individualverkehr weiterhin zunehmen.
Bernd Schittger
Sehr interessante Ausführungen. Aber etwas muss ich zu den Kommentaren hinzufügen:
a.) Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Landkreise (und auch den Kreis Unna) beauftragt, die Grundversorgung des ÖPNV gemäß des Personenbeförderungsgesetztes (PBefG) sicherzustellen.
b.) Der Kreis Unna hat dazu die Verkehrsgesellschaft Kreis Unna (VKU) gegründet.
c.) Die Rechtsform lt. Webpräsenz ist – und wen wundert’s – eine GmbH
d.) Eine GmbH sollte Gewinne auswerfen, ansonsten ist sie nach dem Insolvenzrecht verpflichtet, Insolvenz anmelden
e.) Demnach fährt die VKU erst einmal nur dort, wo es für sie wirtschaftlich tragbar ist
Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle eher um die Position des Kreises Unna und die Umsetzung ihres Beförderungsauftrages, als um die VKU Gedanken machen, denn die VKU fährt nicht mit Steuergeldern sondern sollte eigenwirtschaftlich handeln. Das hat der Kreis Unna mit Einrichtung der VKU als GmbH schließlich so gewollt.
Wenn man sich nun die Mühe macht und in den Haushaltsentwurf des Kreises Unna für 2022 unter „69.04.01 Mobilitätsplanung, Aufgabenträgerschaft ÖPNV“ nachschaut, stellt man fest, dass der ÖPNV – neben anderen Haushaltsposten- mit einer halben Million quersubventioniert wird. Das heißt für mich, dass auch für den Kreis Unna die Mittel des Landes NRW für einen ordentlichen ÖPNV nicht ausreichend sind und das Geld schon für den jetzigen IST-Zustand an anderer Stelle eingespart werden muss. Vielleicht gibt es ja genau deswegen keine Eissporthalle mehr, oder…..
Kurzum – nicht immer auf die Kleinen drauf. Ich glaube, die VKU kann nix dazu. 😉
Volker
Da hätten wir das Problem ja nach altbewährter Weise gelöst…
Zunächst, mir erschließt sich nicht warum das Fahrzeug 75000 €uro kosten muß.
Sowas gibt es schon für weniger Geld. Man ist ja darin nur ein paar Minuten unterwegs, so das man auf jeglichen Schnickschnack verzichten könnte.
Zu welchem Preis es einfach ausgestattete Busse, gibt findet man im Internet.
An dieser Stelle zeigt sich schon die Notwendigkeit eines Vereins um eine demokratische Entscheidung bei der Beschaffung herbeizuführen und nicht um die Vorlieben einiger weniger oder gar eines einzelnen zu befriedigen.
Meine Idee : Marschrutka googlen und mal schauen wie das funktioniert.
Dann…….erst den Verein gründen, damit auch jemand da ist, der die Kosten für die Leute übernimmt, die den Bus fahren wollen.
Danach, schauen wie weit man mit denen kommt, die die medizinischen Hürden genommen haben. Hier wird möglicherweise der eine oder andere noch ins Staunen geraten.
Als Gedanke so am Rande, die Notwendigkeit diese „Bürgerbusses ist nicht personalisiert.
Mag sein das die Situation, so wie sie sich im Augenblick darstellt, für den Herrn Pust unbefriedigend ist und er gern sein Anliegen beenden möchte, zeigt dies aber doch, wie notwendig die Vereinsgründung ist, um das Projekt nicht sterben zu lassen nur weil es letztendlich an einem Einzelnen hängt.
Bernd Schittger
Wenn ich das richtig verstanden habe ist doch der Kaufpreis der Fahrzeugs und die Vereinsgründung überhaupt kein Problem, sondern einzig und allein die Bereitschaft der Bürger, „ehrenamtlich“ den Bus zu fahren. Da liegt vielleicht ein Irrtum vor, denn das Fahrpersonal eines Bürgerbusses wird von niemandem bezahlt. Das ist ja gerade der Sinn des Ganzen.
Rainer Pust
Sehr geehrter Herr Volker,
wenn Sie der Meinung sind, den Bürgerbus besser in die Wege leiten zu können, als ich, – was ich Ihrem Kommentar unterschwellig entnehmen darf – lade ich Sie gerne zu mir auf eine Tasse Kaffee ein, übergebe Ihnen alle mir zur Verfügung stehenden Unterlagen und Informationen, die ich in den letzten Monaten zu dem Thema gesammelt habe und wünsche Ihnen selbstverständlich für Ihr Vorhaben „Viel Glück“. Damit Sie mir aber im Nachhinein keine Boshaftigkeit unterstellen, sage ich Ihnen hier schon einmal, dass Sie aktuell nur 5 voll einsetzbare Fahrer haben und Sie Ihre zukünftige Freizeit deshalb sehr oft hinter einem Buslenkrad verbringen werden (genau so, wie die Vorsitzenden der drei von mir besuchten Bürgerbusvereine auch). Wenn das Ihre Zukunftsplanug ist, Chapeau!
Ja, Sie haben Recht. Die Situation ist für mich unbefriedigend, aber anders, als Sie denken, hätte ich den Bus gerne zum Laufen gebracht, weil ich es auch als gute Idee und Ergänzung zum ÖPNV sehe. Ich bin aber auch Realist genug, um zu erkennen, wann ein Pferd tot ist und dass man ein totes Pferd nicht mehr reiten kann.
Schade finde ich nur, dass Sie mit Ihrer Kritik nicht direkt auf mich zugekommen sind, sondern sich hier in diesem Forum anonym zum Besten geben. Aber vielleicht finden Sie ja noch den Weg zu mir für eine Diskussionsrunde 😉
Viele Grüße
Rainer Pust