Personalfrage geklärt: Doch Bürgerbus darf Hengsen und Opherdicke gar nicht anfahren
Am Donnerstagabend (4.11.) hatte die Gemeinde Holzwickede zur dritten Informationsveranstaltung zum Bürgerbus ins Forum gebeten. Nach zwei vorangegangenen Bürgerversammlungen sollte endgültig geklärt werden, ob sich ausreichend ehrenamtliche Aktive für einen Bürgerbusverein finden lassen. Die gute Nachricht: Die Personalfrage ist kein Problem mehr. Die schlechte Nachricht: Die Verwaltung überraschte mit ganz neuen Informationen, die möglicherweise das endgültige Aus für den Bürgerbus in der Emschergemeinde bedeuten.
Der Reihe nach: Verlief die Personalsuche in der vorhergehenden Versammlung noch ziemlich enttäuschend, so konnte Bürgermeisterin Ulrike Drossel schon zu Beginn der recht überschaubaren Versammlung gestern verkünden: „Es haben sich noch 20 weitere Personen bei uns gemeldet, die mitarbeiten wollen, die aber heute nicht hier sein können. Es sind also schon mehr zur Miutarbeit bereit als die hier Anwesenden.“ Zur Gründung eines Bürgerbusvereins, Bildung eines Vorstandes und Besetzung des Busses mit Fahrern würde es also auf jeden Fall reichen.
Politische Vertreter auch aktiv im Bürgerbusverein
Allerdings nur, weil auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik herangezogen wurden. Oder, wie es die Bürgermeisterin ausdrückte: „Wir waren bei der vorigen Versammlung noch davon ausgegangen, dass politische Vertreter nicht erlaubt sind im Bürgerbusverein.“ Doch anschließend hätten die Vertreter des Fröndenberger Bürgerbusvereins den Tipp gegeben, dass in ihrem Verein auch politische Vertreter aktiv sind und dies überhaupt kein Problem ist. „Wir haben daraufhin alle unsere Fraktionen angeschrieben und nachgefragt, ob Interesse an einer Mitarbeit besteht. Alle Fraktionen haben sich daraufhin auch sofort bereit erklärt, im Vorstand oder auch Fahrdienst mitzuarbeiten.“
Als Glücksfall erwies sich auch Rainer Pust, der mit 61 Jahren bei seinem Arbeitgeber DHL (Post) in den Vorruhestand gehen und als eine Voraussetzung dafür 1.000 Stunden soziale Arbeit im Jahr leisten muss. Als der 61-Jährige bei der Gemeinde anfragte, ob man eine entsprechende Verwendung für ihn habe, schlug ihm Ulrike Drossel das Engagement im Bürgerbusverein vor. „Das ist ein tolles Projekt und eine wirklich interessante Aufgabe, bei der es allerdings auch sehr viel zu tun gibt“, so Rainer Pust bei seiner Vorstellung. „Da kann man sich so richtig verausgaben. Das weiß ich jetzt schon.“ Er sei aber auch als Vorsitzender „nicht für alles allein verantwortlich“, beugte die Bürgermeister gleich falschen Erwartungen vor.
Die personelle Situation scheint also entspannt, schließlich bräuchte der Bürgerbusverein als Mindestbesetzung nur sieben Vorstandsmitglieder und etwa 20 Fahrerinnen und Fahrer.
Bürgerbus darf keine Konkurrenz für VKU sein
Doch dann musste Stefan Thiel, der mit Simone Labenda das Bürgerbus-Projekt für die Verwaltung seit gut einem Jahr mit viel Engagement betreut, den unfreiwilligen Spielverderber geben:
In den jüngsten Gespräche mit der VKU habe der Konzessionsinhaber des Bürgerbusses unmissverständlich erklärt, dass der Holzwickeder Bürgerbus auf keinen Fall aus den Ortsteilen Hengsen und Opherdicke in die Gemeindemitte verkehren dürfe. Der Grund: Das Bürgerbussystem darf den beiden vorhanden regulären Buslinien R 52 und R51 der VKU keine Konkurrenz machen und Fahrgäste abgraben. „Kannibalisierung“ heißt der Fachbegriff dazu, erläuterte Stefan Thiel. Im gesamten Siedlungsbereich der beiden Bergdörfer links und rechts der Unnaer- und Dorfstraße wird der Bürgerbus also gar keine Fahrgäste aufnehmen können. Sonst sei er nicht genehmigungsfähig. In dieser Deutlichkeit hatten das die VKU-Vertreter bis zu dem Gespräch vor wenigen Tagen nie erklärt, räumte Thiel auf Nachfrage ein.
„Da stellt sich doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Systems. In der Gemeindemitte brauchen wir keinen Bürgerbus.“
– Michael Klimziak (SPD-Fraktionsvorsitzender)
Der Ortsvorsteher von Hengsen, der im Forum saß, war sichtlich erschüttert: „Hengsen und Opherdicke besser an die Gemeindemitte anzubinden, war doch der Grund, warum wir überhaupt auf das Bürgerbussystem gekommen sind“, wunderte sich Volker Schütte. „Da stellt sich doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Systems“, wunderte sich auch sein Nachbar, SPD-Chef Michael Klimziak. „In der Gemeindemitte brauchen wir eigentlich keinen Bürgerbus.“
VKU schreibt normale Ticketpreise vor
Doch es kam noch dicker: Wie Stefan Thiel ebenfalls erklärte, besteht die VKU auch auf ganz normalen Fahrpreisen und Tarifen wie sie auch für ihre Linienbusse ÖPNV gelten.
Hier beeilte sich die Bürgermeisterin dann zu erklären, dass es möglicherweise gelingen könnte, Sponsoren zu finden, mit deren Hilfe der Fahrpreis für den Bürgerbus noch gedrückt werden könnten. „Wir versuchen, eine kostenfreie Nutzung hinzubekommen“, so Ulrike Drossel. Sicher ist das noch längst nicht.
Immerhin wird der Bürgerbus die Gemeindemitte, wo ja auch eine Buslinie verläuft, anfahren dürfen, wie Stefan Thiel bestätigte.
Nach diesen überraschenden Informationen durch die Verwaltung schien der Enthusiasmus bei den Anwesenden, so er denn überhaupt vorhanden war, spürbar nachzulassen.
Immerhin melden sich am Ende der Versammlung dann doch „noch etwa zehn Personen“, die Bereitschaft zur Mitarbeit im Bürgerbusverein erklärten, wie die Bürgermeisterin heute auf Nachfrage erklärte. „Ganz genau können wir das noch nicht sagen, weil es offenbar auch einige Doppelnennungen gibt“.
Vorstand muss Fahrplan mit VKU verhandeln
Alle, die mitarbeiten wollen, werden sich nun am 16. November treffen, um den Bürgerbusverein formal aus der Taufe zu heben. Nach Gründung des Vereins wird es dann Aufgabe des Vorstandes sein, mit der VKU die Routenführung, Taktung und den Fahrplan festzulegen und ein Fahrzeug anzuschaffen.
Als mögliche Routenpunkte (Haltepunkte/Ziele) für einen Bürgerbus in Holzwickede verbleiben noch das Haus Opherdicke (nur bei Veranstaltungen), die Außenbereiche von Hengsen und Opherdicke, der Emscherquellhof, der Wohnpark Emscherquelle (solange es dort noch keine reguläre Busanbindung gibt), das Freibad Schöne Flöte sowie Bereiche nördlich der Bahnlinie.
Noch wenige Spielraum gibt es beim Ticketpreis. Hier kann der Vorstand nur auf zahlungswillige Sponsoren hoffen.
KOMMENTAR
Ein Trauerspiel
Wer sich fragen sollte, warum unser Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) nicht gut funktioniert, muss sich nur den Versuch ansehen, in Holzwickede ein Bürgerbussystem zu installieren.
Die Menschen in Opherdicke und Hengsen werden also weiterhin mit dem unzureichenden ÖPNV zurechtkommen müssen, nur weil eine Verbesserung der Situation zu Lasten des verbesserungswürdigen regulären ÖPNV gehen würde? Das ist so blödsinnig, wie es sich anhört und macht nur Sinn, wenn man dies allein durch die kaufmännische Brille der VKU sieht.
Vor dem Hintergrund der nötigen Verkehrswende, des Klimawandels und der Bürgerfreundlichkeit ist es eine Katastrophe und ein Trauerspiel.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass der Bürgerbus in Holzwickede gescheitert ist, wenn er nur zu normalen Ticketpreisen und Tarifen der VKU zu nutzen sein wird. Vielleicht kann das ja noch durch einen großzügigen Sponsor vermieden werden. Sollte der Bürgerbus aber die dichtesten Siedlungsbereiche der beiden Bergdörfer, wo der Bedarf am größten ist, gar nicht anfahren darf, wäre er schlicht überflüssig.
von Peter Gräber
Bürgerbus, Informationsversammlung
Karsten
Hier sehe ich den Knackpunkt:
„In den jüngsten Gespräche mit der VKU habe der Konzessionsinhaber des Bürgerbusses unmissverständlich erklärt, dass der Holzwickeder Bürgerbus auf keinen Fall aus den Ortsteilen Hengsen und Opherdicke in die Gemeindemitte verkehren dürfe.“
Warum erst jetzt? Wenn es „jüngste Gespräche“ waren, hat man bereits zuvor beraten. Warum wurde das nicht bereits eher auf den Tisch gelegt und die MA Thiel und Labenda einfach mal so weitermachen lassen, bis man die Katze aus dem Sack lässt?
Wieviel Zeit und Geld wurde für die Projektplanung letztendlich verschwendet und wer kommt für die Kosten auf? Spoiler: na wer schon, der Steuerzahler.
Johanna
Für mich war das Thema bislang nicht wirklich interessant, weil ich nicht betroffen bin. Jetzt wünschte ich allerdings, ich wüsste mehr über die rechtlichen Hintergründe, warum die VKU als „Konzessionsgeber“ hier einem privaten Verein Vorschriften zu seiner Tätigkeit machen darf. Liegt das nur daran, dass das/die Fahrzeuge von der VKU bereit gestellt werden sollen? Dann müsste also ggf. das/die Fahrzeuge woanders herkommen. Oder ist es so, dass die VKU ein Monopol auf den ÖPNV im Kreis Unna hat und daher Konzessionen zu seinen Bedingungen vergeben kann? Wie kommt es zu so einem Monopol? Wenn heutzutage schon die Deutsche Bahn kein Monopol auf den Schienenverkehr mehr hat, warum eine kleine regionale Verkehrsgesellschaft auf den lokalen ÖPNV? Ich bin jedenfalls das letzte Mal in einen Bus der VKU gestiegen. Wie soll ein Bürgerbus der VKU Kundschaft abgraben, wenn der VKU praktisch überhaupt keine auch nur annähernd ausreichende Versorgung anbietet und daher ohnehin schon kaum Kunden auf den betroffenen Linien hat.
Peter Gräber
Tatsächlich hat die VKU das Monopol für Personenbeförderung auf der Straße im Kreis Unna. Vereinfacht gesagt, hat die Verkehrsgesellschaft des Kreises Unna vom Land NRW den Auftrag übernommen, den Öffentlichen Personennahverkehr auf der Straße im Kreis Unna sicherzustellen. Im Gegenzug erhält die VKU dafür Gebietsschutz, was über Konzessionen zur Personenbeförderung geregelt wird. Deshalb hängt der Betrieb eines Bürgerbussystems vom Konzessionsträger VKU ab. Darüber hinaus würde die VKU auch das Fahrzeug beschaffen.
Johanna
Danke für die Info.
Rudi
Wer weiß wer wen hat weiterarbeiten lassen. So blind kann doch nur die Verwaltung sein. Die wissen doch eigentlich was welche Rechte hat. Für mich war das Neu.
Dafür braucht man 1 Jahr jüngste Gespräche? Vielleicht sollten sich die Damen und Herren der Verwaltung Holzwickedes fragen ob das nicht mit einem Anruf zu Beginn der Planungsphase schon besprochen oder zumindest angesprochen wurde. Die Interpretation lässt immer viele Möglichkeiten offen. Vielleicht sollten hier auch die Bürger einfach bei Laune gehalten werden. Spiel, Spaß, Spannung kostet bekanntlich nicht nur Zahnschmerzen.
Herr Gräber Sie haben vollkommen recht. Bei den Preisen muss eine Familie mit dem Auto fahren. Frischluft hin oder her am Geldbeutel wird alles entschieden.
Tommi
Bei solchen Strukturen und Voraussetzungen, kann der Bürgerbus gleich beerdigt werden. Eine Änderung unserer Verhaltensweise ist unerwünscht. Also weiterhin schön das Auto nutzen und bei allen Vorwürfen bezüglich Umweltschutz und Parkplätze nur müde lächeln. Und wer kein Auto hat ? A….karte!
Eugen
Irgendwie ein Teufelskreis:
Die bisherigen Anbindungen sind total schlecht. Gleichzeitig darf nichts neues eingeführt werden, weil es ja Konkurrenz sein könnte. Warum bietet die VKU denn nicht direkt ein besseres Angebot an, dann würde sich die Frage nach dem Bürgerbus vermutlich gar nicht stellen.
Es wird Zeit, dass die Kleinstaaterei unter den ganzen ÖPNV-Verbänden irgendwann ein Ende nimmt und es einen einheitlichen NRW-Verband gibt, der den ÖPNV dann auch kreis- oder stadtunabhängig denkt und nicht nur von Grenze zu Grenze.
Tagsüber unter der Woche mag das Busnetz noch einigermaßen okay sein, gemessen an den Einwohnern. Aber eben nur okay. Okay bedeutet, dass man den Bus nehmen kann, wenn es mit viel Glück passt. In aller Regel wählt man trotzdem das Auto, weil es halt unflexibel ist mit einem Bus pro Stunde.
Abends und am Wochenende ist es noch schlimmer. Dann, wenn man Freizeit hat und mal raus möchte, irgendwohin fahre, dann gibt es quasi gar keine Verbindung mehr. Außer man telefoniert wie blöd hinterher. Man ist total unspontan, muss ewig vorher anrufen. Und mit Pech, dann ist der Taxibus nicht verfügbar.
Wenn der Bus eine ernsthafte Alternative sein soll, dann muss es leider Geld für den Träger kosten, ansonsten bekommt man keinen guten ÖPNV hin. Wie soll es ohne Invest gehen? Dann lieber den aktuellen ÖPNV komplett einstellen, gar kein Geld mehr dafür ausgeben. Viel mehr Autos zusätzlich fahren dann auch nicht als jetzt, weil man jetzt ja eh schon hauptsächlich das Auto nutzt (nutzen muss), aber immerhin hätten wir dann kein Geld für einen schlechten ÖPNV in den Gulli geworfen.