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Brandstiftung und Körperverletzung: Zwei Jahre und zehn Monate Haft für Deborah W.

Die 27 Jahre alte Deborah W. ist heute vor dem Landgericht Dortmund zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden, weil sie Feuer in ihrer Wohnung legte und ihre beiden Kinder darin zurück ließ. (Foto: P. Gräber - Emscherblog.de)
Die 27 Jahre alte Deborah W. (M., mit ihrem Verteidiger) ist heute vor dem Landgericht Dortmund zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden, weil sie Feuer in ihrer Wohnung legte und ihre beiden Kinder darin zurück ließ. (Foto: P. Gräber – Emscherblog.de)

Die 27 Jahre alte Deborah W. aus Holzwickede ist heute (5. Dezember) vor dem Landgericht Dortmund wegen fahrlässiger Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Deborah W. am späten Abend des 18. Mai einen Wäscheberg mit Kleidung ihres Lebensgefährten auf dem Sofa im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung im Frankfurter Weg 6 in Brand steckte. Dabei hoffte die 27-Jährige offenbar, dass dies ihren Lebensgefährten, den sie bei ihrem Videochat-Partner vermutete, veranlassen könnte, zu ihr nach Hause zu kommen. Als das Feuer trotz ihrer Löschversuche mit Wasser sich schnell ausbreitete, flüchtete sie aus der Wohnung und ließ ihre beiden drei- und fünfjährigen Kinder schlafend in der Wohnung zurück. Im Treppenhaus rief die Angeklagte dann laut um Hilfe für ihre Kinder.

Ein Nachbar versuchte daraufhin mehrfach vergeblich, zu den Kindern in der völlig verrauchten Wohnung vorzudringen.  Erst den Einsatzkräften der Feuerwehr gelang es schließlich, die Kinder zu bergen. Das ältere der beiden Kinder (5 Jahre) erlitt eine lebensgefährliche Rauchgasvergiftung, sein jüngerer Bruder (3 J.) blieb unverletzt.  Auch die übrigen Bewohner des Mehrfamilienhauses konnten sich in Sicherheit bringen oder durch die Feuerwehr evakuiert werden. An dem Gebäude und drei Wohnungen entstand erheblicher Sachschaden.  

Ärztliche Berichte und Gutachten

Der dritte und letzte Verhandlungstag begann heute mit den ärztlichen Berichten zur Angeklagten. Danach stand W. in der Tatnacht augenscheinlich nur leicht unter Alkoholeinfluss. Bei zwei Blutproben wenige Stunden nach der Tat wurden 1,41 bzw. 1,39 Promille festgestellt. Der Konsum weiterer Drogen konnte nicht festgestellt werden.

Aufgewachsen ist die in Castrop-Rauxel geborene Angeklagte in sehr schwierigen Verhältnissen. Im Alter von sechs Jahren, ließ sich ihre Mutter scheiden. Bei der Mutter wuchs sie anschließend gemeinsam mit drei Halbgeschwistern auf. In der Schule hatte W. ständig Probleme, wechselte von der Gesamtschule zur Hauptschule. Als ihre Mutter einen stationären Alkoholentzug durchmachte, kam W. für drei Monate in ein Internat. Anschließend durchlief sie verschiedene pädagogische Maßnahmen, die alle nie richtig fruchteten. Schließlich landete W. an einer neuen Hauptschule in Dortmund, wo sie einen Freund kennenlernte. Mit ihm zeugte sie relativ schnell zwei Kinder, die zunächst in Pflegefamilien kamen und später von ihr zur Adoption freigegeben wurden. Bereits als Jugendliche gab es einen Suizidversuch und auch stationären Alkoholentzug.

2012 wurde die Angeklagte das erste Mal straffällig und wegen Betrugs verurteilt: Weil sie Schuhe im Gesamtwert von 20.000 bis 30.000 Euro im Internet bestellt und nicht bezahlt hatte. Im November 2012 trennte sie sich dann vom Vater ihrer ersten beiden Kinder. Im Jahr darauf lernte sie ihren neuen und bisher letzten Lebenspartner kennen. 2014 wurde ihr erster gemeinsamer Sohn, zwei Jahre später dann auch ihr zweites Kind geboren. Gemeinsam bezog das Paar mit den beiden Söhnen die Eigentumswohnung ihrer Mutter im Frankfurter Weg.

Sie können davon ausgehen, dass die Bewährung widerrufen wird. Irgendwann ist Ende Gelände.“

Richter Peter Windgätter

In Holzwickede stieg der Alkoholgenuss noch einmal kräftig an. Mit „fünf bis sechs Bier und Kräuterlikör“ gibt Deborah W. ihren Konsum jeden Abend an. Das Pensum ihres Freundes will sie nicht kontrolliert haben. „Aber wir haben sehr oft viel Bier und auch Pep (= Amphetamine; Anm. d. Red.) gekauft“, so Deborah W.  Beide waren nicht berufstätig.  Als sie tatsächlich einmal einen Ausbildungsvertrag ergattern konnte, habe ihre Oma den Ausbildungsbetrieb angeschrieben und darauf hingewiesen, dass ihre Enkelin vorbestraft sei, erklärte W. „Daraufhin wurde der Vertrag wieder gekündigt.“

Tatsächlich ist W. jeweils wegen Betrugs erheblich vorbestraft: 2012 einer Jugendstrafe von acht Monaten für 175 Fälle, 2013 eine Jugendstrafe von einem Jahr für 77 Fälle, 2014 folgte ein Jahr und vier Monate für sechs Fälle – alle Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Was der Angeklagten heute vor die Füße fiel: Weil sie noch immer unter Bewährung steht, gilt sie als Bewährungsversagerin. Denn 2016 zu 2018 folgten noch weitere Verurteilungen wegen Betrugs von einem Jahr und vier Monaten bzw. einem Jahr und zwei Monaten, ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt. „Sie können davon ausgehen, dass die Bewährung widerrufen wird“, erklärte Richter Peter Windgätter der Angeklagten ganz offen. „Irgendwann ist Ende Gelände.“

Schwierige Verhältnisse

Zum Abschluss der Beweisaufnahme stellte der Facharzt für Psychiatrie, der Deborah W. in der JVA Gelsenkirchen dreimal begutachtete, sein Gutachten vor. Danach kann er keine verminderte Schuldfähigkeit bei W. erkennen.

Eine „erste emotionale Abspaltung“ sei schon nach der Geburt ihrer ersten beiden Kindern erkennbar gewesen, so der Gutachter, als sie sich weigerte, eine Mutter-Kind-Einrichtung zu besuchen. Schwierigkeiten mit Treue und Vertrauen habe es auch schon in ihren anderen Beziehungen gegeben, ebenso sexuelle Offenheit zu anderen Männern. Der Gutachter bestätigte, was auch schon an den beiden ersten Verhandlungstagen deutlich wurde: Im Alkoholkonsum habe W. einen Weg gefunden, zu tun oder zu sagen, was sie sich nüchtern nie trauen würde.

Ihre gewohnheitsmäßige Alkoholisierung sei unstrittig, so der Gutachter. Nach ihrer Entlassung aus der bisher letzten Betreuung voriges Jahr sei W. aber „eigentlich psychisch stabil und unauffällig“ gewesen.

Auffällig sei dagegen ihre emotionale Tendenz zur Mutter. Egal, was auch immer passierte, ihre Mutter sei das Wichtigste für die Angeklagte.

Jemand mit dieser Persönlichkeitsstruktur ist wenig geneigt, negative Erlebnisse auszuhalten.“

Der psychiatrische Gutachter

W. habe ein gestörtes Selbstbild und ihr Verantwortungsbewusstsein sei beeinträchtigt. Dennoch habe es keine neurologischen Beeinträchtigungen zur Tatzeit gegeben. „Sie war schon berauscht, aber das war sie ja gewohnt“, meint der Gutachter. Die Angeklagte sei „auch nicht krankhaft aggressiv“. Eine Bewusstseinsstörung schloss der Gutachter aus. Es komme auch „keine schwere Persönlichkeitsstörung oder andere Abartigkeit in Betracht“. Die Angeklagte sei labil, habe eine geringe Frustrationstoleranz, dass alles reiche aber noch nicht für eine Schuldunfähigkeit oder Persönlichkeitsstörung.

Dass die Angeklagte sich nach der Tat nicht nach ihren Kindern erkundigte, erklärt der Gutachter so: „Jemand mit dieser Persönlichkeitsstruktur ist wenig geneigt, negative Erlebnisse auszuhalten.“

Eine Unterbringung in einer Entzugsklinik empfahl der Gutachter nicht: Die Angeklagte sei zweifellos alkoholabhängig und nicht fähig, auf den Alkoholkonsum zu verzichten. Die Straffälligkeiten (Betrug) der Vergangenheit ließen aber keinen Zusammenhang mit ihrer Alkoholabhängigkeit erkennen, hätten vielmehr mit einer extrem gestörten Beziehung zu tun. Auch das Gewaltpotenzial der Angeklagten liege nur knapp über der allgemeinen Gewaltbereitschaft.

Zweifel am Tötungsvorsatz

Der Staatsanwalt wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass die Brandstiftung unstrittig sei nach der Beweisaufnahme. Die Angeklagte sei auch geständig. Aber hat die Angeklagte auch vorsätzlich gehandelt und versucht, ihre Kinder zu töten? „Nach der allgemeinen Lebenserfahrung scheint die Sache klar, was passiert, wenn jemand ein Feuer legt und die Kinder in der Wohnung zurücklässt“, glaubt der Staatsanwalt. Doch die Angeklagte sagt, sie habe das Feuer nur gelegt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Sie habe mit Wasser versucht, zu löschen und als das nicht gelang, auch nach Hilfe gerufen. Ihre Einlassung sei „durchaus auch nachvollziehbar“, meint der Anklagevertreter. „Es ist nicht auszuschließen, dass sie davon ausgegangen ist, dass Feuer löschen zu können und dass keine Gefahr für ihre Kinder besteht.“ Von daher „sind zumindest Zweifel vorhanden, dass sich die Anklage bestätigt“ und ein Tatvorsatz vorhanden war.  Statt eines Mordversuchs liege aber eine fahrlässige Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung vor.

Danach hat sie komplett die Kontrolle über die Situation verloren. Aber sie hatte nicht den Plan, ihre Kinder zu killen.“

Der Verteidiger

Dafür sehe der Gesetzgeber eine Strafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Für W. spricht, dass sie Reue zeige und zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss stand. Gegen sie spricht allerdings, dass sie erheblich vorbestraft und eine Bewährungsversagerin ist sowie die Gefährlichkeit ihrer Tat. Deshalb forderte der Anklagevertreter eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten für Deborah W. Die Einweisung in eine Entzugsklinik hielt er für nicht erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass W. gewalttätig werde, sei nur gering.

Auch nach Ansicht des Pflichtverteidiger W.‘s ist „vom Tatvorwurf nur sehr wenig übrig“ geblieben nach der Beweisaufnahme. „Das Motiv“ seiner Mandantin sei „sicher nicht“ gewesen, „die eigenen Kinder umzubringen“. Vielmehr habe Deborah W. „das unbedingte Bedürfnis gehabt, Aufmerksamkeit zu erregen“.  Sie habe mehrfach versucht ihren Freund in der Tatnacht vorher anzurufen und sei dann auf die „abstruse Idee gekommen, seine Kleidung anzuzünden, weil sie davon ausging, dass die Bilder davon bei ihm landen“, so der Verteidiger. „Danach hat sie komplett die Kontrolle über die Situation verloren. Aber sie hatte nicht den Plan, ihre Kinder zu killen.“ Sie sei einfach nicht mehr in der Lage gewesen, vorher zu überblicken, was aus der Situation werden könnte. „Und dann ist sie mal wieder völlig planlos, ohne Schuhe im Nachthemd, nach draußen gelaufen, um Hilfe zu rufen.“

Mit Blick auf das Bewährungsversagen hielt der Verteidiger eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für angemessen. Auch er sprach sich gegen eine Einweisung zum Entzug aus.

Mit seinem Urteil von zwei Jahren und zehn Monaten folgte das Gericht schließlich der Forderung des Anklagevertreters an und schloss sich in seiner Urteilsbegründung auch inhaltlich dessen Ausführung an.

Brandstiftung, Körperverletzung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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