Neues Rat- und Bürgerhaus: Teuer, aber nicht wirklich barrierefrei und behindertengerecht
Die Verantwortlichen der Gemeinde sind stolz auf ihr neues Rat- und Bürgerhaus. Gut 21 Mio. Euro hat der Anbau gekostet, der erstmals alle Verwaltungsbereiche unter einem Dach vereint. Über das Äußere mag es geteilte Meinungen geben, im Inneren ist alles vom Allerfeinsten. Nur wirklich barrierefrei und behindertengerecht ist der Neubau nicht.
Bereits unmittelbar nach der Eröffnung des neuen Rathauses beschwerte sich ein offenbar gehbehinderter Besucher namens Rudi in seinem Kommentar zu dem Bericht im Emscherblog über die Eröffnungsfeier darüber, dass er „als Rentner und gehbehinderter Mensch nicht in das Rathaus kann“. Gerne würde er die oberen Etagen des Gebäudes besuchen, doch zu Fuß sei das nicht möglich. „Ich weiß nicht, ob das niemanden auffällt, aber das Rathaus ist nicht behindertengerecht“, schreibt Rudi.
Aufzüge defekt und keine Rampen
Begründet wird diese Aussage von ihm damit, dass bei seinem Besuch beide Aufzüge im Rathaus nicht in Betrieb waren und dies wohl auch noch längere Zeit sein werden, wie ihm von einem Umstehenden gesagt wurde. „Da bin ich die ersten Treppen hoch und stelle fest, dass es dort auch keine Rampen oder sonst etwas gibt, was mir das Laufen vereinfachen würde.“ Was der gehbehinderten Rentner vom neuen Rathaus hält, dürfte deshalb nicht verwundern: „Traurig so viel Geld für ein schönes Haus auszugeben und es nicht behindertengerecht zu bauen. Traurig und eigentlich eine Schande. (…) Ich bin erzürnt auch, dass die Politik das nicht feststellt und nachfragt. (…) Ich finde es diskriminierend.“ (Fehler aus dem Original-Kommentar wurden zum besseren Verständnis nicht übernommen)
Auf Nachfrage bestätigte Holzwickedes Beigeordneter, dass beide Aufzüge im Rat- und Bürgerhaus tatsächlich noch immer außer Betrieb sind. „Die Handwerker sind noch nicht ganz fertig geworden. Die Aufzüge sind eigentlich technisch in Ordnung. Es fehlt nur noch ein Fugenverschluss. Im Brandfall wären die Aufzüge nicht rauchdicht, weshalb wir sie noch nicht in Betrieb nehmen können“, erläutert Bernd Kasischke.
Vom Tisch ist das Problem der mangelnden Barrierefreiheit aber auch mit funktionierenden Fahrstühlen nicht. Denn auch wenn Rollstuhlfahrer oder andere Gehbehinderte mit den Aufzügen zu den Verwaltungsbüros in die oberen Etagen fahren können, wo ausdrücklich Publikumsverkehr vorgesehen ist – wie kommen sie im Notfall wieder nach unten? Im Brandfall sind alle Aufzüge gesperrt. Jedes Brandschutzkonzept, das Aufzüge bei einem Feuer als einzige Fluchtwege vorsieht, wäre nicht genehmigungsfähig.
Mit Rollstuhl in oberen Etagen gefangen
Bernd Kasischke räumt ein, dass es für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte im Notfall tatsächlich im neuen Rathaus aus den oberen Etagen keinen anderen Fluchtweg nach draußen gibt, als über die Treppen. „Wie wollen Sie so etwas denn auch anders technisch lösen?“, so der Beigeordnete. „Mir fällt da keine technische Lösung ein. Ich habe auch noch kein anderes Gebäude gesehen, wo es dafür eine Lösung gibt. Auch Rampen helfen da nicht.“
Tatsächlich gibt es nach Auskunft von Brandschutzexperten nur eine wirklich solide Möglichkeit, wie etwa Rollstuhlfahrer aus oberen Stockwerken oder Hochhäusern im Brandfall sicher gerettet werden können: einen besonders abgesicherten Rettungsraum auf jeder Etage, den sie aus eigener Kraft erreichen können müssen. Dort können Personen, die nicht aus eigener Kraft über Treppen ein Gebäude verlassen können, auf die Feuerwehr oder andere ausgebildete Retter warten. Diese können sie dann mit entsprechenden technischen Geräten in Sicherheit bringen.
Den nicht dafür ausgebildeten Mitarbeitern im Rathaus ist dagegen kaum zuzumuten, einen Rollstuhlfahrer im Notfall über die Treppen nach unten zu hieven. Was also würde im Brandfall mit Rollifahrern in den oberen Etagen des neuen Rathauses? „Entweder funktionieren die Fahrstühle noch oder die Feuerwehr muss die Personen retten“, meint Bernd Kasischke.
Brandschutztüren lassen sich nicht öffnen
Allerdings ist das neue Rathaus auch noch aus einem anderen Grund nicht wirklich barrierefrei und behindertengerecht: Rollstuhlfahrer oder andere körperlich schwache Personen könnten die Flure gar nicht aus eigener Kraft verlassen. Denn sie könnten die Brandschutztüren in den oberen Etagen gar nicht alleine öffnen. „Nicht jeder der Türen ist mit einem Drücker zur automatischen Öffnung versehen“, räumt der Beigeordnete ein. Bei etwa sieben oder acht dieser wirklich schweren Brandschutztüren hat man „aus Kostengründen“ auf die teure Automatik verzichtet, mit denen sich die Türen auf Anforderung öffnen ließen. „Wenn das notwendig ist, müssten Verwaltungsmitarbeiter bei der Öffnung dieser Türen behilflich sein“, sagt Kasischke. Da kann man eigentlich nur hoffen, dass sich im Fall einer Panik alle Mitarbeiter auch daran erinnern…
Stolperfalle im Foyer
Aber auch ebenerdig gibt noch Stolperfallen im Foyer, wie die Verantwortlichen auch schon erkannt haben: Unter der Treppe im Foyer stolperten bereits bei der offiziellen Eröffnungsfeier eine Reihe von Besuchern, die ihren Weg in den Emschersaal abkürzen wollten, über eine etwa fünf Zentimeter hohe Kante direkt unter dem Treppenaufgang. „Die Kante ist ganz bewusst dort angelegt worden, damit Sehbehinderte nicht gegen die Treppe laufen“, bestätigt Bernd Kasischke. „Wie unser Architekt uns erläutert hat, wird das heute so gemacht. Es wäre aber auch mein Wunsch, dass wir dort noch etwas ändern und vielleicht einen Poller, Blumen oder eine Absperrung aufstellen.“
Bei aller Kritik an der mangelnden Barrierefreiheit, ist es dem Beigeordneten der Gemeinde wichtig, zu betonen: „Selbstverständlich erfüllt unser neue Rat- und Bürgerhaus alle gesetzlichen Standards, die vorgegeben sind.“
Barrierefreiheit, Rat- und Bpürgerhaus
Michael T.
Noch etwas fiel uns bei dem Besuch im neuen Bürgerhaus auf: Der Türöffner am Eingang befindet sich weit weg von der Eingangstür zwischen den Briefkästen. Ein Rollstuhlfahrer muss also eine für ihn recht weite Strecke nach dem Betätigen der Türöffnung zurücklegen, so dass die Tür zwischenzeitlich wieder schließt. Sicherlich nur eine Kleinigkeit, die sich beheben läßt und gehört sicherlich zu den Anfangsschwierigkeiten. Einfacher wäre es gewesen, direkt an der Tür einen Pfosten mit Türöffner anzubringen. Es hätte auch den „normalen“ Besucher erspart, nach dem Öffnungsknopf zu suchen. Außerdem läßt sich die Tür der Behindertentoiletten nicht automatisch öffnen. Rollstuhlfahrer können da sehr schnell Probleme bekommen. Trotz dieses Kleinigkeiten, insgesamt ist das neue Bürgerhaus sehr schön geworden.
Torsten
Hallo Herr Gräber,
ein toller und leider passender Bericht. Es ist traurig wie man so angelogen werden kann. Eine Fuge und bis heute läuft nichts. Dauert so etwas so lange?
Vor einigen Monaten berichteten Sie von alles ist fertig es fehlen nur die Türen. Aua.
Wir können froh sein, dass wir keine funktionierende Politik in Holzwickede haben. Kein hauen und stechen, kein zuweisen von Schuld alle sind lieb und freundlich zu einander. Es fehlt noch das gemeinsame Schweigen im Walde. Ach das ist ja da.
Es ist uns gestern Abend aufgefallen, dass man ohne Fahrstühle nicht Barrierefrei unterwegs sein kann. So schön das Rathaus geworden ist, aber auf den zweiten Blick ist es eigentlich ein Gebäude mit ganz vielen kleinen und großen Baustellen.
Das Türsystem sollte man auch überarbeiten, oder ist es gewollt das man im gesamten Haus rund um die Uhr spazieren gehen darf.