
Emscherkunst: Manchmal muss sich große Kunst gegen kleine Kaninchen behaupten

Manchmal muss sich große Kunst auch gegen kleine Kaninchen behaupten. Immer wieder haben sie Henrik Håkanssons Wildblumen weggemümmelt. Der schwedische Künstler sah seine Idee von zwei großen Insektenhäusern am Emscherquellhof schon scheitern. „Aber jetzt wird’s was!“ Imkerin Rita Breker-Kremer ist begeistert von der bunten Wiese, die sie mitgemixt und -gesät hat.
Es funktioniert: Honigsammler, Hummeln und die ersehnten Wildbienen (!) stürzen sich auf Beinwell, Baldrian und Blutweiderich, fliegen auf Malve, Minze oder Margarite. Alles summt. Die Emscherkunst brummt.

Es gibt aktuell mindestens drei zwingende Gründe, auf Tour zu gehen und den Natur- und Kunstraum entlang der Emscher zu erkunden: Erstens ist wieder Sommer und letzte Ferienwoche. Außerdem sind zig Tausende in 75 Tagen schon unterwegs gewesen oder in die Pedale getreten: Sie sollten also endlich mitreden!
Drittens gibt es noch ein neues Kunstwerk. Schwarzes Rund in weißem Rahmen: Für den italienischen Künstler Massimo Bartolini war Kasimir Malewitsch‘ schwarzer Kreis die Vorlage für sein „Black Cirqle square“, den Bartolini in die Landschaft am Hochwasserrückhaltebecken Dortmund/Stadtgrenze Castrop „fallen“ ließ.
Fahrspaß, Freiluftvergnügen und Kunstgenuss auf 50 Kilometern: von Holzwickede nach Herne oder umgekehrt, immer am Fluss entlang, der 100 Jahre lang Kloake war. Heute bietet der frühere Stinker Natur und Erholung, das Festival Emscherkunst das Abenteuer, seine Heimat neu zu erleben. Sie haben Ihre Lieblingsorte natürlich längst gefunden. Hier sind unsere…
Top Five
Das Venedig-Selfie

…la dolce vita, Gina Lollobrigida und ein Gelato am Dortmunder Phoenix See. Am venezianischen Kiosk gibt es herrlich bunten Touristen-Tand, Gondel-Kitsch und Glitzerkappen. Stöbern Sie, gucken Sie aber genau hin: Denn im Sommerwind und Kartenständer drehen sich auch tolle Venedig-Fotos von Künstlern. Ausverkauft waren im „Chiosco“ übrigens schon mal die Hochwasserstiefel – original Gummi-Überzieher aus der Adria-geprüften Lagunenstadt, garantiert wasserdicht, 7 Euro.
Zur Emscherquelle

…und einen magischen Ort entdecken. Manchmal, so will es die Sage, taucht ihr schönes Gesicht über dem Teich auf. Die Emscherfee Emrizza verhindert dadurch eine Katastrophe. Abseits des Spuks ist der Emscherquellhof in Holzwickede ein stattliches, aufwendig restauriertes Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert mit großem Landschaftsgarten – mit Schilf-Labyrinthen, Obstwiesen, wilden Wiesen und jetzt auch kunstvollen Bienenhäusern. „Hier ist Urlaub“, sagt Kunstscout Melanie Richter (73).
Rauf aufs Rad
…Bike schlägt Benzinkutsche. Die 50 Flusskilometer sitzt der geübte Radler quasi auf einer Backe ab und erlebt die Emscher mit Haut und (wehenden) Haaren, endlich wieder ohne Nasenklammer. An allen Besucherzentren stehen auch Leihräder – mit und ohne Strom. Sich für die Tour Zeit lassen und zwei Tage in die Pedale treten, bedeutet deutlich mehr Genuss und mehr Gelegenheiten für Begegnungen und gute Gespräche. Dann aber unbedingt…
Im Kunstwerk übernachten

Am großen Wasserkreuz von Emscher und Rhein-Herne-Kanal heißt es „Warten auf den Fluss“. Die Holzskulptur der niederländischen Künstlergruppe Observatorium ist schwer angesagt. Nur noch wenige Tage sind Zimmer frei. In den Zelten des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, aufgeschlagen am Quellhof, ist dagegen noch reichlich Platz. Hier rollen Camper auf einer Obstwiese im Kunst-Iglu ihren Schlafsack aus, zelten unter Walnussbäumen, Äpfeln oder Pflaumen. Gratis auch die Sternschnuppen.
Das Flusstal-Panorama

Ein Stopp am Areal Hochwasserrückhaltebecken in Mengede/Stadtgrenze Castrop-Rauxel ist ein Muss. Viel Kunst, aber allein für den Panoramablick in einen neuen Naturraum lohnt der Weg. Vom Turm des Betriebsgebäudes aus blickt man in ein riesiges Biotop, in dem jetzt schon viele Vogelarten rasten und brüten. Bonbon für Architekturtouristen: Das technische Bauwerk erhielt 2015 den Westfälischen Preis für Baukultur (Büro B.A.S. Kopperschmidt + Moczala).
INFO:
Emscherkunst 2016: noch bis 18. September, dienstags – sonntags 10 – 18 Uhr, Eintritt frei.
Vier Besucherzentren: 1. Emscherquellhof (Quellenstraße 2, Holzwickede), 2. Dortmunder U (Leonie-Reygers-Terrasse, Dortmund) 3. Kokerei Hansa (Emscherallee 11, Dortmund), 4. Museum Strom und Leben (Uferstraße 2-4, Recklinghausen)
Kunst- und Radkarte: Zur Emscherkunst ist eine Kunst- und Radkarte erschienen, als praktisches Spiralheft mit Einzelkarten und Navigation im Ausstellunsgparcours plus Informationen zu den Kunstwerken. Das Heft gibt es in den Besucherzentren und im Buchhandel (9 €).
Übernachtung reservieren: www.emscherkunst.de