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Weder Opfer noch Märtyrer, sondern einfach nur „völlig bekloppt“

Wilhelm Hochgräber. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Lange hat Wilhelm Hochgräber geschwiegen, nachdem er im Nachgang zu einer Stolpersteinverlegung eine unsägliche Parallele zwischen dem Umgang mit Ungeimpften in der heutigen Gesellschaft und Nazi-Methoden gezogen hatte. Und nun, offenbar durch den Zuspruch des Kamener AfD-Stadtrates Ulrich Lehmann ermuntert, gibt Wilhelm Hochgräber doch noch eine längere Stellungnahme zur Sache ab.

Hochgräber stellt sich darin in epischer Breite in einer Opferrolle und als Märtyrer der Meinungsfreiheit dar. Die Chance dazu hat ihm die Stadt Unna als Träger der VHS gegeben, die sich von ihrem langjährigen Dozenten wegen seiner Meinungsäußerung getrennt hat.

Dieses Lehrverbot, ebenso wie die Strafanzeige gegen ihn und auch der Hinweis durch die Holzwickeder Verwaltungsspitze, dass sein Mitwirken an der Gedenkfeier für die Opfer des Bombenangriffs am 23. März nicht mehr erwünscht ist, sind Ausdruck einer gefährlichen cancel culture, die in vorauseilendem Gehorsam vor allem von Identitären Linken befördert wird und die versucht, alles und jeden mit Ausgrenzung und Boykott zu bestrafen, der es auch nur wagen sollte, auf das korrekte Gendersternchen zu verzichten, mit dem unsere deutsche Sprache verhunzt wird – von abweichenden Meinungen ganz zu schweigen.

Meinungsverbote stärken nur Rechtsextreme

Zur Strafe müssen sich alle, die Hochgräber zur persona non grata erklären wollen, von einem AfD-Mann aus dem Kamener Stadtrat über Meinungsfreiheit in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft belehren lassen. Und das auch noch völlig zurecht. Dabei müsste es doch eigentlich schon misstrauisch machen, dass ausgerechnet eine AfD-Mann für Hochgräber und die freie Meinungsäußerung in die Bresche springt. 

Mit solchen Lehr- und Meinungsverboten stärkt man nur die äußersten Rechten am Rande unserer Gesellschaft.

Dabei hat selbstverständlich jeder in unserer Gesellschaft das Recht, seine Meinung zu sagen — und sei sie auch noch so abwegig. Statt ein Lehrverbot gegen Wilhelm Hochgräber zu verhängen oder ihn auszugrenzen, hätte es auch gereicht, deutlich zu machen, dass es schlicht Blödsinn ist, wenn er wider besseren Wissens auch in seiner aktuellen Stellungnahme immer noch behauptet: „Wenn heute mit der Ausgrenzung von Ungeimpften vom gesellschaftlichen Leben (…) eine Nazimethode angewandt wird, sollte das zu denken geben.“ (Zitat Ende)

Jüdischer Glaube, eine sozialdemokratische oder kommunistische Gesinnung und auch Homosexualität sind keine Viruskrankheit, gegen die sich die Opfer zum Schutz vor Nazis hätten impfen lassen können. Wer mit dem Terrorregime damals nicht einverstanden war, konnte auch nicht mit unangemeldeten „Spaziergängen“ gegen die Nazis demonstrieren und sich schon gar nicht von der Krankenkasse finanziert vor der Gaskammer retten.

Als geschichtsbewusster Mensch, als den ich ihn vor mehr als 20 Jahren kennen- und schätzen gelernt habe und der seitdem viel für die Aufarbeitung der Vergangenheit in der ehemaligen Nazi-Hochburg Holzwickede und das Opferandenken geleistet hat, hätte Wilhelm Hochgräber das alles wissen müssen.

Peinlicher Vergleich für einen geschichtsbewussten Menschen

Stattdessen hat er einen unsäglichen Vergleich zwischen dem Umgang mit Ungeimpften in unserer heutigen Gesellschaft und den Terrormethoden im menschenverachtenden Unrechtsregime der Nazis gezogen.

Für einen geschichtsbewussten Menschen mit besonderem Interesse am Nationalsozialismus ist eine solche Sichtweise nicht nur undifferenziert und absolut unangemessen, sondern, wie mein von den Nazis verfolgter verstorbener Opa gesagt hätte, auch „völlig bekloppt“.

Mit diesem Makel, sich einen solchen peinlichen Tritt ins Fettnäpfchen der Historie geleistet zu haben, wird Wilhelm Hochgräber fortan leben müssen. Es sollte allerdings auch die einzige Konsequenz sein, die ihm daraus in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft erwächst.

Wilhelm Hochgräber


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

Kommentare (2)

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