Mehr als 50 Jahre im Dienst der Allgemeinheit: Hauptbrandmeister Alfons Kittl wechselt in Alters- und Ehrenabteilung
Wenn jemand 51 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr seinen ehrenamtlichen Dienst geleistet und Tausende Einsätze mitgemacht hat, wie Alfons Kittel, sollte man doch meinen, dass ihn nichts mehr erschüttern kann. Doch als Kittl, der am vergangenen Mittwoch (16.8.) 67 Jahre wurde und damit aus dem aktiven Dienst in die Alters- und Ehrenabteilung der Feuerwehr wechseln muss, vor seinem letzten Dienstabend überraschend von allen Mitgliedern des Löschzuges II zu Hause abgeholt wurde, war er aufrichtig bewegt:
„Ich konnte nichts sagen“, meint Alfons Kittl im Rückblick. „Ich habe nur ein ,Danke‘ herausbekommen, das war’s. Ein schöneres Geschenk hätten mir die Kameraden und Kameradinnen gar nicht machen können. Es lief mir wirklich heiß und kalt den Rücken herunter, als ich sie da alle so stehen sah.“ Als sie ihm dann auch noch seine Arbeitskleidung überreichten und Löschgruppenführer Jan Stappert ihm erklärte, dass sie ihn noch ein letztes Mal abholen wollten, „war ich richtig geflasht“, sagt Alfons Kittl.
Löschzug II holt Alfons Kittl zum letzten Dienstabend ab
Typisch für den 67-Jährigen ist es, wenn er im Abstand von einigen Tagen hervorhebt, was ihn besonders anrührte: „Auch die ganz Jungen, die wir in unserem Löschzug haben, waren alle dabei.“ Da standen sich auch gegenüber: Hauptbrandmeister Alfons Kittel, der dienstältester Feuerwehrmann, und Jungfeuerwehrfrau Melina, die jüngste und das Küken des Löschzuges. Was die beiden eint, ist das ehrenamtliche Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr, was sie trennt, sind mehr als ein halbes Jahrhundert Erfahrung bei der Feuerwehr.
Mit dem unvermeidbaren Wechsel von Alfons Kittel in die Alters- und Ehrenabteilung verliert die Holzwickeder Feuerwehr nicht nur große technische Expertise, sondern auch unschätzbare soziale Kompetenz: Der gelernte Elektroinstallateur qualifizierte sich vor 30 Jahren zum Handwerksmeister in diesem Beruf und vor zwölf Jahren auch noch zum Gasrohrnetzmeister. Danach war er bei der Westenergie für die Energieversorgung in Holzwickede, Werne und Selm tätig. Von seinen beruflichen Kenntnissen konnte die Feuerwehr bei so vielen Einsätzen profitieren.
Von seiner sozialen Kompetenz ebenso: Bei der nicht ganz einfachen Zusammenlegung der beiden bis dato unabhängigen Löschgruppen aus Opherdicke und Hengsen zu einem Löschzug II spielte Alfons Kittl eine ganz maßgebliche Rolle. Die moderne neue Feuer- und Rettungswache Süd war nicht der Grund für diese Zusammenführung, wie manche meinen, sie ist das sichtbare Ergebnis.
Große technische Expertise und soziale Kompetenz
Von 1968 bis 1996 leitete Alfons Kittl den Löschzug Opherdicke, bevor er einem anderen Kameraden Platz machte. Einige Jahre später übernahm er dann noch einmal die stellvertretende Leitung der Löschgruppe. In diese Zeit wurde die Zusammenlegung der beiden Löschgruppen betrieben, erinnert er sich: „Im Jahr 2017 wurde die neue Feuer- und Rettungswache Süd hier eröffnet. Gut zwei Jahre vorher haben die Löschgruppen zwar schon mal gemeinsame Übungen durchgeführt oder das eine oder andere Bier zusammen getrunken und Würstchen gegrillt.“ Ansonsten gingen beide Löschgruppen getrennte Wege. Der Feuerwehrführung war zu dieser Zeit jedoch schon klar, dass nicht beide Ortsteile noch einmal ein neues Gerätehaus bekommen würden. Außerdem nahm die Mitgliederzahl beider Löschgruppen ab.
„Die Zusammenlegung ist das schönste und beste, was uns passieren konnte. Wir sind eine wirklich super Truppe, die zusammenhält und Spaß daran hat, etwas zusammen zu machen.“
– Alfons Kittl (67 J.)
Auch wenn eine Zusammenlegung das Vernünftigste schien, war die Umsetzung gar nicht so einfach. „Es gab natürlich auch viele Bedenken und keiner wusste, wie die Kameraden und Kameradinnen reagieren werden“, bestätigt Marco Schäfer, stellvertretender Leiter der Holzwickeder Feuerwehr. Alfons Kittl war einer der vehementesten Werber für die Zusammenlegung und sieht sich im Nachhinein bestätigt. „Die Zusammenlegung ist das schönste und beste, was uns passieren konnte“, ist er überzeugt und betont die Kameradschaft. „Wir sind eine wirklich super Truppe, die zusammenhält und Spaß daran hat, etwas zusammen zu machen.“ Über die supermoderne Rettungswache muss ohnehin kein Wort mehr verloren werden. „Das ist hier ein idealer Standort. Das schönste ist aber doch, dass diese Zusammenlegung nicht von oben verordnet wurde, sondern von unten gewachsen ist“, findet Kittl. Auch den Verantwortlichen im Rathaus sei damals ein Stein vom Herzen gefallen.
So gut funktioniert die Kameradschaft, dass auch die beiden Osterfeuer, die traditionell noch in Opherdicke und Hengsen entzündet und gefeiert werden, kein Konkurrenzdenken entfachen können. „Das ist überhaupt kein Problem. Wir hätten ja auch schlecht einem der Ortsteile das Osterfeuer wegnehmen können“, sagt Alfons Kittl schmunzelnd.
In privaten Stiefeln zum Feuerwehrdienst
Er selbst ist zur Freiwilligen Feuerwehr durch seinen damaligen Nachbarn Adolf Josef Rittscher gekommen, der im alten Gerätehaus Opherdicke gewohnt hat. Nachdem 1971 die erste Jugendfeuerwehr in der Gemeinde gegründet worden war, lag Rittscher dem jungen Alfons Kittl so lange in den Ohren, bis dieser zusagte. „Ich war vorher auch schon in der Feuerwehr AG der Hauptschule gewesen. Doch ich wollte eigentlich erst meine Lehre beenden“, sagt Kittl. 1972 trat er schließlich in die Jugendfeuerwehr ein. Die „Arbeit mit dem technischen Gerät“ und der Wunsch, „Leuten zu helfen“, waren sein Ansporn. Ziemlich schnell wuchs danach aber auch das Bewusstsein, sich auch eine ganze Menge Verantwortung aufgeladen zu haben.
„Mit dem 18. Lebensjahr bin ich dann in die große Feuerwehr gekommen. Da kriegte man damals so die letzten Kleidungsstücke, die noch übrig geblieben waren“, erinnert sich Kittl. „Meine Stiefel habe ich von zu Hause mitgebracht. Dann gab es eine Jacke mit roten Biesen und damit lief man dann eine ganze Zeit lang herum.“ Irgendwann bekam der Jungfeuerwehrmann Alfons Kittl dann „endlich auch eine gute Uniform“.
Heute kaum noch vorstellbar, wie die Feuerwehr damals ausgerüstet war: „Es ging erst ganz langsam damit los, dass auch ordentliche Einsatzkleidung angeschafft wurde.“ Die damalige Zeit und die Gegenwart kann man nicht vergleichen, findet Kittl: „Das sind mittlerweile zwei ganz verschiedene Welten. Damals hatten wir Schläuche, Strahlrohr, Pumpe und eine Axt dabei und ein Auto, um die Sachen zu bewegen. Später kam irgendwann der Atemschutz auf. Das war früher alles noch gar nicht so bekannt, wie gefährlich der Rauch ist, und die Geräte waren auch nicht überall vorhanden“, meint Kittl.
„Ich weiß noch, wie der alte Kohlmann (Anm.: der frühere Gemeindewehrführer) sich einfach ein nasses Taschentuch vor die Nase gehalten hat, dann ging er da rein in den Rauch, machte das Fenster auf und hat anschließend dreimal ordentlich gehustet. Das war tatsächlich früher so.“
Heute sei die persönliche Schutzausrüstung für alle Mitglieder der Feuerwehr „aber so was von gut“, schwärmt Kittl. „Natürlich gibt es immer Verbesserungspotenzial, aber wir können wirklich stolz und froh sein, dass wir solche Ausrüstung haben.“
Im Ford Transit zum Brandeinsatz
Das gelte auch für die Fahrzeuge. „Wenn ich bedenke, wie ich angefangen bin: Wir hatten ein Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF) Ford Transit. Da saßen wir vorne mit zwei Leuten drin, hinten saß einer neben der Pumpe. Ihm gegenüber saßen auch noch drei weitere Kameraden. So ging es los zum Einsatz. Ja, man hat da auch das Feuer mit aus gekriegt, aber es hat gedauert.“
Als der Löschzug Opherdicke dann das erste Magirus-Fahrzeug bekam, den LF 8, „war das ein echtes Highlight“. Später kam dann noch der LF 16 TS vom Bund dazu, erinnert sich Kittl, und schließlich die erste Drehleiter. „Die stand auch hier oben in Opherdicke. Dafür mussten wir extra das Gerätehaus ausbauen, damit wir das Fahrzeug unterstellen konnten.“ Bekommen hat die Feuerwehr die Drehleiter übrigens nur, weil sie ein Bestandteil der Baugenehmigung für das Hochhaus Im Bruch 25 war.
Feuer bei Erdbrink FVZ: Rutschpartie auf flüssigem Speck
Wenn jemand so lange wie Kittl bei der Feuerwehr aktiv war, könnte er über viele Einsätze erzählen. Ein Großbrand ist Alfons Kittl noch in lebhafter Erinnerung: „Das war das Feuer bei Erdbrink FVZ Mitte der 80er Jahre. Das war schon eine große Sache. Da haben wir drei Tage lang gelöscht. Wir konnten einfach nicht richtig an den Brandherd kommen und nur von außen löschen.“ Als wäre das noch nicht problematisch genug, wurde der ganze Löscheinsatz für die Einsatzkräfte auch noch zu einer „wahnsinnigen Rutschpartie“, wie sich Kittl erinnert. „Der ganze Speck, der in dem fleischverarbeitenden Betrieb lagerte, war aufgegangen und flüssig geworden und lief überall hin.“ Die große Lagerhalle aus Stahl fiel schließlich nach drei Tagen in sich zusammen. Personen kamen bei diesem Brand glücklicherweise nicht zu Schaden. Das war leider nicht immer so.
„Wir haben ja auch viel Einsätze unten auf der Langscheder Straße gehabt“, meint Alfons Kittl. „Das sind wirklich immer schlimme Einsätze, wenn Du da ans Auto kommst, durchs Fenster schaust und da eine schwarze Gestalt sitzt, die völlig verkokelt ist und mit dem Spaten aus dem Sitz gelöst werden muss.“ An solche Einsätze erinnert man sich nicht gerne.
Eher schon an ein Erlebnis wie dieses: „Da hatten wir wieder einen Unfall auf der Schwerter Straße. Es war schwierig, den Fahrer aus dem Auto herauszubekommen. Er war auch wirklich sehr schwer verletzt. Irgendwann später an einem Dienstabend stand der Mann auf einmal bei uns hier am Gerätehaus und wollte sich bei uns bedanken. Da waren wir alle baff. Das hatten wir noch nie erlebt. Das war ein schönes Erlebnis.“
Was der Nachwuchs von Alfons Kittl lernen kann
Was Alfons Kittel dem Nachwuchs am Ende seiner langen Karriere als aktiver ehrenamtlicher Feuerwehrmann mit auf den Weg geben möchte ist, was ihn selbst immer angetrieben hat: „Für andere Leute da zu sein, zu helfen in Situationen, in denen der Einzelne hilflos oder in Gefahr ist. Wenn zum Beispiel der Keller vollläuft und das eigene Hab und Gut im Wasser schwimmt – da ist doch jeder hilflos. Wenn man dann helfen kann, ist das einfach eine gute Sache.“
Ganz wichtig ist für Alfons Kittl immer auch die Kameradschaft gewesen: „Es muss einfach im Vordergrund stehen, die Kameradschaft zu pflegen und den Kameraden zu nehmen, wie er ist. Dazu gehört auch für ihn oder sie da zu sein, wenn es nötig ist.“
„Keinen im Stich oder zurückzulassen – darauf baut sich erst eine vernünftige Kameradschaft auf, dass man für den anderen da und bereit ist, gemeinsam durch Feuer und Flamme zu gehen“, sagt Alfons Kittl. Wenn gegen diese Regel verstoßen wird, kann der eigentlich langmütige Kittl „richtig stinkig“ werden. „Es kann ja sein, dass der eine vielleicht mal nicht so schnell begreift oder etwas vom Technischen her nicht so umsetzen kann. Aber dann kann ich es dem anderen doch erklären oder vormachen.“
Daran ändert sich für Alfons Kittel nichts, nur weil er jetzt in der Alters- und Ehrenabteilung ist.