IHK stellt Jahresbericht 2021 vor: Regionale Wirtschaft spürt Folgen des Ukraine-Krieges sehr deutlich
Dass die wirtschaftlichen Folgen des Russland-Ukraine-Krieges auch in der Region deutlich zu spüren sind, wurde heute (5. April) noch einmal besonders deutlich: Im Rahmen einer hybriden Pressekonferenz stellten Heinz-Herbert Dustmann, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund, und IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber den Jahresbericht 2021 vor – und widmeten sich den zahlreichen aktuellen Herausforderungen für die Unternehmen.
Ein besonderes Augenmerk legte Präsident Dustmann auf die Entwicklungen und den Konflikt im Osten: „Der russische Angriff auf die souveräne Ukraine ist eine Zeitenwende. Knapp 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges herrscht wieder Krieg in Europa und das menschliche Leid ist kaum vorstellbar.“ Er würdigte das große ehrenamtliche Engagement vieler Mitmenschen und die wertvolle Hilfe für ukrainische Flüchtlinge. Zudem würden sich viele Unternehmen beispielhaft einbringen und Unterstützung leisten. Es gehe in diesen Zeiten auch um die Verteidigung westlich-demokratischer Werte, ein solcher Krieg sei nicht akzeptabel.
Lieferschwierigkeiten und Energiepreise auf Rekordhöhe
Wie Dustmann ausführte, spüre die Wirtschaft in Dortmund, Hamm und dem Kreis Unna die Auswirkungen des Konflikts schon sehr konkret. Bereits Mitte März wurden mehr als 100 Unternehmen in der IHK-Region befragt. „Lieferschwierigkeiten und Energiepreise auf Rekordhöhe machen ihnen stark zu schaffen. Es betrifft Betriebe sämtlicher Branchen und Größenklassen, aber natürlich im besonderen Maße die Industrie sowie die Logistik- und Taxibranche. Jedes vierte Unternehmen ist direkt durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges betroffen und mehr als die Hälfte gibt an, indirekt – etwa wegen steigender Preise – konfrontiert zu sein“, so Dustmann. Höhere Energiekosten spüren laut Umfrage fast 85 Prozent der Unternehmen, Störungen in der Liefer- und Logistikkette immer noch 68 Prozent.
Die Ergebnisse zeigten das Problem sehr deutlich. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Preise für Energie und Rohstoffe bereits vor dem Krieg auf einem sehr hohen Niveau waren, sodass die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen in ihrer Existenz bedroht war“, betonte Dustmann. Der Krieg habe diese Dramatik noch einmal deutlich verschärft.
Vor diesem Hintergrund analysierte der IHK-Präsident auch die Schwachpunkte des am 24. März von der Bundesregierung vorgestellten Entlastungspaketes. Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate sei aus Sicht vieler Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein – der besonders stark betroffenen Industrie könne diese Maßnahme ohnehin nicht helfen. „Die hohen Strom- und Energiepreise sind gefährlich für unseren Wirtschaftsstandort mit vielen guten Arbeitsplätzen. Nahezu alle Branchen sind von den dramatischen Preissteigerungen bei Strom, Gas und Kraftstoffen betroffen. Ein grundlegender energiepolitischer Kurswechsel ist unbedingt erforderlich“, sagte Dustmann. Die Unternehmen müssten dauerhaft entlastet und die Energieversorgung gesichert werden.
Er appellierte, neben der EEG-Umlage zukünftig auch weitere Umlagen wie etwa die AblaV- oder die KWK-Umlage in den Staatshaushalt zu übernehmen und die für den wichtigen Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren (wie im Koalitionsvertrag niedergeschrieben) deutlich zu beschleunigen. Unternehmen, die durch hohe Energiepreise oder durch gekündigte Versorgungsverträge in unverschuldete wirtschaftlicher Schieflage geraten seien, sollten kurzfristig durch zinsgünstige KfW-Kredite oder sogar direkte Notfallzahlungen unterstützt werden.
VV-Resolution: Innenstädte stärken
In einem zweiten Schwerpunkt ging IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann auf die besorgniserregende Entwicklung der Innenstädte und Ortszentren in den Städten und Gemeinden der Region ein. „Durch den wachsenden Onlinehandel, ein verändertes Besuchs- und Kaufverhalten und die Corona-Pandemie stehen die Unternehmen vor großen Herausforderungen. Diese müssen bewältigt werden, wenn die Zentren zukünftig weiter das pulsierende, urbane Herz unserer Städte und Gemeinden bleiben sollen“, sagte Dustmann. Hohe Umsatzausfälle und Ertrags- und Liquiditätsprobleme hätten vor allem der stationäre Einzelhandel, die Gastronomie, die Veranstaltungsbranche, die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Clubkultur zu verzeichnen. „Das Ökosystem Innenstadt ist vielerorts infiziert. Wir brauchen jetzt einen Booster für die Entwicklung unserer Innenstädte“, betonte Dustmann und verwies auf die Resolution „Innenstädte stärken – schnell Attraktivitätsimpulse setzen“, die am 24. März von der IHK-Vollversammlung im Beisein der beiden Oberbürgermeister Thomas Westphal (Dortmund) und Marc Herter (Hamm) verabschiedet wurde.
Marode Verkehrsinfrastruktur in der Region
In seinen Ausführungen ging IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber auf wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte ein und betonte, dass die jahrelange Komplettsperrung der A45-Talbrücke bei Lüdenscheid „katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Bevölkerung“ habe. Die notwendigen Umwege würden Zeit und – gerade angesichts steigender Spritpreise – viel Geld kosten. Es sei zu befürchten, dass Unternehmen und Fachkräfte abwandern würden, auch dem Gast- und Tourismusgewerbe drohten erhebliche Umsatzverluste. In einer Studie, die der Verkehrsverband Westfalen e.V. zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft erarbeitet hat, werden die wirtschaftlichen Schäden bei einer fünf Jahre dauernden Sperrung der A45 bei Lüdenscheid auf mindestens 1,8 Milliarden Euro geschätzt.
Abschließend warf Schreiber noch einen Blick auf den Ausbildungsmarkt, der sich 2021 von den massiven Einbrüchen in der Corona-Pandemie etwas erholte. Gegenüber 2020 gab es einen Zuwachs von immerhin 1,8 Prozent und damit 4.329 neue Ausbildungsverträge. Auch die aktuellen Zahlen aus dem Frühjahr 2022 würden Anlass zum Optimismus geben. „Ende März hatten wir 997 neue Verträge – gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das immerhin ein sattes Plus von zwölf Prozent“, so Schreiber. „Unser Ziel bleibt die Marke von 5.000 neuen Ausbildungsverhältnissen pro Jahr. Ein Wert, den wir vor der Pandemie zehn Jahre lang erreicht haben.“