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Im Kreis hat SPD die Nase vorn: Katerstimmung bei Holzwickeder Genossen – Hochgefühle bei den Grünen

Am Abend gratulierte Kreisdirektor Janke dem Gewinner des Wahlkreises 115 (Unna I), Hartmut Ganzke, (SPD) zur gewonnenen Wahl. Auch in den beiden anderen Wahlkreisen des Kreises siegten die SPD-Kandidaten Rainer Schmeltzer und Silvia Gosewinkel. Nach den vorläufigen Endergebnissen erhielt die SPD 33,9 % der Zweitstimmen im Kreis Unna und liegt damit – anders als beim Landesergebnis – vor der CDU (31,8 %). (Foto: Max Rolke – Kreis Unna)

Im Kreis landete die SPD so gerade noch vor der CDU. In der Holzwickeder herrscht am Tag nach der Wahl Katerstimmung oder Euphorie – je nachdem wen man fragt. „Nach den Prognosen hat mich das Wahlergebnis ziemlich überrascht“, räumt Michael Klimziak, Fraktionsvorsitzender der Holzwickeder SPD mit Blick auf das landesweite und lokale Abschneiden seiner Partei ein. „Das ist schon bitter. Der Abstand zur CDU ist recht deutlich, das war auch hier in Holzwickede zu spüren, wo unser Kandidat nur ganz knapp gewonnen hat.“

Michael Klimziak (SPD): Abstand zur CDU überraschend

Michael Klimziak (Foto: SPD)

Noch sind die Analysen nicht abgeschlossen, doch Klimziak hält ohnehin nicht viel von Schuldzuweisungen. „Natürlich stand Hendrik Wüst als Ministerpräsident mehr im Fokus als unser Kandidat Thomas Kutschaty“, so Klimziak. „Klar ist auch, dass Kanzler Olaf Scholz gerade in der Beliebtheitsskala ganz oben steht. Da stehen gerade in Robert Habeck und Annalena Baerbock zwei Grüne.“ Beide machten auch eine bodenständige Politik und stünden gerade im Fokus. „Ich inwieweit das alles eine Rolle bei dieser Landtagswahl gespielt hat, mag ich gar nicht beurteilen.“

Dabei hätte die Ampel-Koalition sogar auch noch in NRW die Mehrheit und könnte, zumindest theoretisch, eine rot-grün-gelbe Landesregierung stellen. „Man muss aber auch nach einer solche Wahl fair bleiben“, glaubt Klimziak. „Die CDU hat mit großem Abstand gewonnen, daher wird natürlich Hendrik Wüst jetzt die ersten Koalitionsgespräche führen. Dabei wird es jetzt um Inhalte gehen. Erst wenn diese Gespräche gescheitert sein sollte, gäbe es vielleicht noch eine Möglichkeit, die neue Regierung zu stellen.“ Wobei dann die FDP, die vor allem an ihrer Schulpolitik grandios gescheitert sei, auch noch ein ziemlich geschwächter Partner in einer Ampel-Koalition wäre. „Wir sollten aber jetzt nicht ,auf Teufel komm raus‘ versuchen, eine Koalition zu bilden“, ist Klimziak überzeugt. „Ich gehe auch davon aus, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass die CDU und Grünen doch noch zueinander finden werden.“

Frank Lausmann (CDU): Wechselstimmung spürbar

Vorsitzender: erCDU Holzwickede: Frank Lausmann.  (Foto: CDU)
Vorsitzender: erCDU Holzwickede: Frank Lausmann. (Foto: CDU)

Davon geht auch der Holzwickeder CDU-Vorsitzende Frank Lausmann aus. „Hendrik Wüst hat ja schon bei seinem Amtsübernahme sehr deutlich gesagt, dass die Umweltpolitik ganz klar Priorität bei ihm hat. Deshalb denke ich, dass es ganz gut passend wird mit den Grünen in NRW. Natürlich freue ich mich auch, dass wir mit Abstand stärkste Partei geworden sind.“

Befürchtungen, dass die CDU trotzdem noch in der Opposition landen könnte, hat Lausmann nicht. „Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Die CDU ist mit einem Abstand von fast zehn Prozent klarer Wahlsieger. Es wird jetzt Gespräche mit den Grünen geben und da wird Hendrik Wüst natürlich auch etwas anbieten müssen.“

Seit gestern Mittag befindet sich Lausmann in Quarantäne, konnte den Wahlabend also gar nicht persönlich mit seinen Parteifreunden genießen. Seiner große Freude über das Abschneiden der CDU bei dieser Wahl tat dies allerdings kaum Abbruch. „Unser Kandidat hat nur ganz knapp den Einzug in den Landtag verpasst. Trotzdem hat Marcal Zilian super abgeschnitten und auch einen hervorragenden Wahlkampf gemacht. Er hat 100 Prozent gegeben und die Wechselstimmung war deutlich spürbar. Ich kann nur sagen: Mit seinem Auftreten und Abschneiden sind wir sehr zufrieden. Unser Kandidat hat eine ausgezeichnete Figur gemacht und wir werden ihn selbstverständlich weiter unterstützen. In Zukunft ist mit Marcal Zilian, der ja erst 23 Jahre alt, auf jeden Fall noch zu rechnen. “

Susanne Werbinsky (Grünen): Koalition mit CDU machbar

 Fraktionsvorsitzende der Grünen: Susanne Werbinsky. (Foto: HSC)
Fraktionsvorsitzende der Grünen: Susanne Werbinsky. (Foto: HSC)

Als klare Wahlsieger dürfen sich auch die Grünen fühlen, deren Fraktionschefin Susanne Werbinsky nicht nur dieses Schicksal mit dem CDU-Chef Lausmann teilt. Auch sie befindet sich in Corona-Quarantäne. Trotzdem ist in Susanne Werbinsky bei Eintreffen der ersten Ergebnisse „ein Hochgefühl“ aufgekommen. „Dieses Wahlergebnis für uns ist auch großer Vertrauensbeweis“, glaubt sie. „Ich hoffe nur, dass wir dieses gute Ergebnis auch verstetigen können.“

Ob eine Annäherung der Grünen zur CDU in NRW möglich ist? Die Grünen-Sprecherin ist da nicht so skeptisch: „In Schleswig-Holstein hat es auch ganz gut funktioniert.“ Zumal Hendrik Wüst niemand sei, mit dem man nicht zurecht kommen könnte, glaubt Werbinsky. „Ich bin super happy und finde, das ist eine gute Konstellation jetzt. Auf Bundesebene hätte ich dagegen Probleme bei der Zusammenarbeit mit der CDU, weil sie dort  zu sehr mit der CSU verbandelt ist und sich der Söder zu oft einmischen würde.“ Beim Wahlverhalten haben vor allem zwei Personen auf Bundesebene eine große Rolle gespielt, glaubt Werbinsky: „Robert Habeck und Annalena Baerbock. „Ich war schon immer ein Fan von Annalena Baerbock, aber beide leisten ganz hervorragende Arbeit.“ Dies habe sich auch im Wahlverhalten in Holzwickede widergespiegelt. „Im Wahlkampf war das immer zu spüren. Viele haben uns aber auch gesagt, dass ihnen die Bildungspolitik im Land überhaupt nicht gefällt.“

„Bei dem guten Wahlergebnis hoffe ich, dass wir Grünen uns nicht auf zu viele Kompromisse einlassen, um mitregieren zu können.“

– Ulrike Dürholt (Vorsitzende der Grünen Holzwickede)

„Auch unser Landtagskandidat Hans Hierweck hat einen super Job gemacht“, betont Ulrike Dürholt, die Vorsitzende der Holzwickeder Grünen. „Auch wenn es nicht für einen Platz im Landtag gereicht hat.“ Doch seine Themen seien an die große Politik im Land angelehnt gewesen: „Besseres öffentliches Verkehrsnetz für alle bezahlbar auf den Weg bringen, erneuerbare Energien mit Volldampf nach vorne bringen, besonders für Windräder mehr Raum und Möglichkeiten schaffen, das Verkehrsnetz für Fahrräder erweitern, die Schwächsten in unserer Gesellschaft nicht aus dem Fokus verlieren, mehr Betreuungsplätze und Bildung von Klein auf für alle zugänglich machen“, so Dürholt. Alles dies können die Grünen jetzt bei einer Regierungsbeteiligung angehen. „Bei dem guten Wahlergebnis hoffe ich, dass wir Grünen uns nicht auf zu viele Kompromisse einlasse, um mitregieren zu können.“

Lars Berger (FDP): Können keine Ansprüche mehr stellen

Vorsitzender des Ortsverbandes der Liberalen: Lars Berger (Foto: FDP)
Fraktionsvorsitzender der Liberalen: Lars Berger (Foto: FDP)

Echte Katerstimmung herrscht dagegen bei den Liberalen. „Mit einem so gravierenden Einbruch habe ich nicht gerechnet“, sagt der Holzwickeder FDP-Fraktionsvorsitzende Lars Berger ehrlich. „In einigen Wahlbezirken der Gemeinde hat die FDP sogar noch weniger Stimmen als die AfD bekommen. Das ist erschreckend.“ Dass dies nicht nur in Holzwickede, sondern überall im Land so war, ist kein Trost, sondern macht das Debakel nur noch schlimmer. „Dabei hat unsere Kandidatin Susanne Schneider wirklich einen genialen Wahlkampf“,  findet Berger. Jetzt müsse jetzt erst einmal in Ruhe analysiert werden, woran das schlechte Abschneiden lag. „Eines ist aber klar: Mit diesem Ergebnis können wir mit Sicherheit nicht den Anspruch haben, noch einmal mitzuregieren.“

Die Bildungspolitik insbesondere in der Coronakrise, für die seine Parteifreundin Yvonne Gebauer verantwortlich zeichnete, habe „ganz sicher der FDP sehr geschadet“, glaubt Berger. „Ich bin als Vater auch selbst davon betroffen davon und weiß: Die Eltern sind alle sehr verärgert. Dabei war nicht alles verkehrt, was gemacht wurde in der Bildungspolitik. Es wurden auch viele gute Akzente gesetzt, die aber von der Bundespolitik überlagert worden sind.“ Die jüngeren Wähler unter 30 Jahren seien der FDP sogar noch treu geblieben, doch in der älteren Wählerschaft gab es die dramatischen Einbrüche.

Landtagswahl


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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