Verschleppt, verfolgt, misshandelt: Zwölf Einzelschicksale von Menschen im KZ Schönhausen „offengelegt“
Der Holzwickeder Autor Ulrich Reitinger, auf dessen Archivrecherchen sich maßgeblich auch die Stolpersteinverlegungen der VHS-Gruppe „Spurensuche NS-Opfer Holzwickede“ stützen, startet unter dem Titel „Offengelegt“ eine neue Reihe von Publikationen, in der die Schicksale von politisch und rassistisch Verfolgten in den heutigen Grenzen der Gemeinde Holzwickede im Vordergrund stehen. Der Autor wird seine Gedenkschrift am Donnerstag (17. Februar) in der Cafeteria der Seniorenbegegnungsstätte öffentlich vorstellen. Der Eintritt ist frei.
Ulrich Reitinger veröffentlichte bereits im Jahr 2018 eine Gedenkschrift zu den Morden an Menschen mit psychischen Krankheiten und geistig Behinderten. Der erste Band der neuen Reihe „Offengelegt“ trägt nun den Titel „Zur Schutzhaft ins Sammellager Schönhausen“.
Darin schildert der Autor zwölf Einzelschicksale von Menschen, die allein wegen ihrer politischen Einstellung verfolgt, drangsaliert, gepeinigt und ohne jegliche Rechtsgrundlage in das KZ Bergkamen-Schönhausen verschleppt wurden. Dort erlebten die die Häftlinge die Hölle. Folter und Misshandlungen und ein menschenverachtender Umgang durch die Wachmannschaften gehörten zu ihrem Alltag. Die reguläre Verpflegung bestand aus trockenem Brot und dünnem Kaffee oder Brühe.
Erste Verhaftungswelle in Holzwickede im April ’33
Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933, den die Nazis als Beginn eines drohenden kommunistischen Aufstandes sahen, wurde reichsweit vordergründig als Anlass genommen, um radikal vor allem gegen kommunistische Funktionäre vorzugehen. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) war zwar formell nicht verboten, aber in die Illegalität gedrängt worden. Der Weg war frei für willkürliche Massenverhaftungen, die man „Schutzhaft“ nannte und dazu führten, dass die Justiz- und Polizeigefängnisse binnen kurzer Zeit überquollen.
Auch die neuen Machthaber im Kreis Unna vergeudeten keine Zeit. In den frühen Morgenstunden des 12. April 1933 ordnete Landrat Wilhelm Tengelmann die Verhaftung von 489 führenden Mitgliedern der KPD an. Sie waren die erste „Schutzhäftlinge“ im neuen KZ Bergkamen-Schönhausen. Die Aktion wurde durchgeführt von der Polizei und nazitreuen Hilfskräften. In Schönhausen hatte Tengelmann, der zugleich Polizeichef war, zuvor in einem ehemaligen Wohlfahrtsgebäude ein Konzentrationslager einrichten lassen. Für die Bewachung der Gefangenen waren SA, SS und Stahlhelm-Männer der Hilfspolizei Kamen-Bergkamen zuständig.
Für Holzwickede traf die erste willkürliche Verhaftungswelle zunächst Sozialdemokraten (ab 13. April 1933) und erst später Kommunisten (ab 24. April und schwerpunktmäßig ab 30. Juni).
Autor Ulrich Reitinger stellt Band 1 öffentlich vor
Autor Ulrich Reitinger trug die Daten und Fakten für die Reihe „Offengelegt“ aus verschieenen Archiven mit tatkräftiger Unterstützung der VHS-gruppe „Spurensuche NS-Opfer Holzwickede“ und Familienangehörigen der Opfer zusammen und stellt nun die Ergebnisse dieser Recherche der Öffentlichkeit vor. Die Gruppe „Spurensuche“ ist in diesem Jahr auch Staffelträger der Selbstverpflichtung „Holzwickede ohne Rassismus – Holzwickede mit Courage“.
Zu der öffentlichen Vorstellung von Band 1 in der Seniorenbegegnungsstätte sind alle Interessierten eingeladen. Am Ende der Veranstaltung wird es ausreichend Gelegenheit zur Diskussion geben. Weitere Bände sind bis Ende des Jahres zu erwarten, kündigte die Grippe an.
Für die Veranstaltung gilt nach derzeitigem Stand die 2G-Regel. Anmeldungen bitte an das Büro der Begegnungsstätte, Tel. 44 66.
- Termin: Donnerstag, 17. Februar, ab 18.30 Uhr, Cafeteria Begegnungsstätte, Berliner Allee 16a