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Landgericht hebt Urteil wegen Vergewaltigung in Holzwickeder Club auf: Täter und Opfer schließen Vergleich

Für den 27-jährigen L. stand heute vor dem Landgericht einiges auf dem Spiel: Der Dortmunder war im Mai vom Schöffengericht Unna zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis wegen Vergewaltigung einer Prostituierten in einem Bordell in Holzwickede verurteilt worden. Dagegen hatte er Berufung eingelegt. Die Verhandlung in nächsthöherer Instanz fand heute in Dortmund statt.  

Laut Urteilsbegründung des Schöffengerichts ging der 27-Jährige am 26. Juni vorigen Jahres gegen 16.45 Uhr in dem Holzwickeder Club mit der 32 Jahre alten Sexarbeiterin A. in ihr Zimmer in der oberen Etage. Nachdem sich beide dort entkleidet hatten, stieß er A. abrupt auf das Bett und hinderte die zierliche Frau daran, aufzustehen, indem er sie mit einer Hand am Hals aufs Bett drückte und gleichzeitig zwei Finger in ihre Vagina einführte. Der 32-Jährigen gelang es gerade noch, den Alarmknopf an ihrem Bett zu drücken und aus dem Zimmer zu flüchten.

Urteil in erster Instanz zwei Jahre und drei Monate

Wie schon in der ersten Verhandlung schilderte L. den Ablauf allerdings etwas anders: Er habe von Freunden von dem Club in Holzwickede erfahren und sei das erste Mal überhaupt in so einem Club gewesen. Nachdem er 30 Euro Eintritt gezahlt hatte, habe er sich umgesehen und sei auf die 32-Jährige aufmerksam geworden. Für weitere 40 Euro die halbe Stunde ging er anschließend mit ihr auf das Zimmer nach oben. Gesprochen habe man kaum miteinander, auch nicht über Leistungen oder Preise.

Als sie beide nackt waren, legte sich die 32-Jährige rücklings auf das Bett. „Ich wollte sie fingern. Aber das war ihr wohl unangenehm und sie drehte sich auf den Bauch.“ Sie habe sich fürchterlich aufgeregt. Er habe sie jedoch zu nichts gezwungen und noch nicht einmal ein Kondom gehabt. „Ohne käme sowieso nie für mich infrage.“ Als er aber die zierliche Frau an den Knöcheln anfasste, um sie zu beruhigen, sei sie „total ausgerastet“, habe immer wieder ihr Geld verlangt und ihn sogar geschlagen. „Dann hat sie plötzlich den Alarmknopf gedrückt. Ich war total baff und wusste gar nicht, was los war.“

Kurz darauf sei eine Kollegin zu Hilfe geeilt und auch schon die Polizei gekommen. Dass er der 32-Jährigen keine 40 Euro gezahlt habe, wie sie lautstark immer wieder forderte, bestätigt L. „Schließlich hat sie nicht die vereinbarte Leistung erbracht.“

Ohne Vorwarnung 32-Jährige „gefingert“

Was das Gericht heute unter Vorsitz von Richter Ludwig Brockmeier verwunderte: Der 27-Jährige will angeblich mit 32-Jährigen, die nur englisch spricht, über Leistungen oder Preise verhandelt habe, bevor er mit ihr nach oben ging. Auch soll keine Vorkasse vereinbart gewesen sein. „Das scheint mir doch sehr unüblich“, so Richter Brockmeier.

Der Verteidiger des 27-Jährigen legte dem Gericht dazu jedoch einige Screenshots der Internetseite des Holzwickeder Clubs vom heutigen Tage vor, auf denen ersichtlich war, welche Damen welche Leistungen in dem Club anbieten. Danach bietet die 32-Jährige A. offenbar das „Fingern“ tatsächlich im Standardpreis von 40 Euro inklusive an.

Im Zeugenstand bestätigte die Opferzeugin, dass dies durchaus auch eine von ihr angebotene Leistung sei, sogar auch ohne Aufpreis. Auch innerhalb des Clubs liefen aber überall Bildschirme, auf denen die verschiedenen Damen mit ihren speziellen Serviceleistungen für die Kunden zu sehen sind.    

Zu ihrem Standardservice gehöre jedoch „nur ein Blowjob und einfacher Geschlechtsverkehr“, erläuterte die 32-Jährige. Genau das habe der 27-Jährige auch mit ihr vereinbart, bevor er mit ihr aufs Zimmer gegangen sei.

Sex ohne Kondom löst Panik aus  

Dort habe er sie dann nach dem Ausziehen unvermittelt auf das Bett gestoßen und mit seinen Fingern danach gesucht, wo er mit seinem Penis in sie eindringen kann. Dabei habe er kein Kondom getragen. Dazu sei er auch mit seinen Fingern in ihre Vagina eingedrungen. Doch auch wenn diese Sexualpraktik zu ihrem Angebot gehört, sei dies nicht vereinbart gewesen. Kunden könnten nicht einfach ungefragt etwa mit ihr tun, was nicht vorher vereinbart gewesen sei, ließ A. von ihrem Dolmetscher übersetzen. „Sie müssen vorher fragen.“

Was die Sexarbeiterin so in Panik versetzt hatte: Der Angeklagte habe kein Kondom nutzen wollen. So etwas lehne sie grundsätzlich ab. „Ich würde nie riskieren, ohne Kondom zu arbeiten, schon weil ich Kinder zu Hause habe, die ich schützen muss“, versicherte die Zeugin. Gewürgt habe der 27-Jährige sie allerdings nicht. Auch sei es bei ihr üblich, nach erbrachter Leistung bezahlt zu werden.

Vergleich sieht Zahlung von bis zu 3.000 Euro an Opfer vor

Für das Gericht unter Vorsitz von Richter Brockmeier schien die Aussage der Opferzeugin die einzig plausible Erklärung des Geschehens. Danach ergibt sich ein etwas anderes Bild als nach Aktenlage, wie der Richter erläuterte: In der ersten Verhandlung ging es hauptsächlich um das Eindringen mit den Fingern. Nach der Aussage heute habe ich aber den Eindruck, als ob dies die Zeugin weniger gestört hat, als der Versuch des Angeklagten, seinen Penis ohne Kondom in sie einzuführen.“

Nach längerer Beratung und einem Rechtsgespräch verständigten sich die Parteien heute auf einen Vergleich. Danach muss der Angeklagte der 32-jährigen A. eine Entschädigung von entweder 2.000 Euro bis 30. April nächsten Jahres oder aber 3.000 Euro bis 30. Juni nächsten Jahres zahlen. Damit sind dann alle Ansprüche gegen ihn abgegolten und das erste Urteil aufgehoben. Der Streitwert des Vergleichs wird auf 3.000 Euro festgesetzt, was für die Kosten des Gerichtsverfahrens wichtig ist.

Auch Prostituierte müssen Sex zustimmen

Richter Ludwig Brockmeier erläuterte den Hintergrund des Vergleichs: Eine Verurteilung wegen Vergewaltigung sei nicht mehr infrage gekommen, da Voraussetzung dafür wäre, dass ein Täter in erniedrigender Absicht in den Körper des Opfers eingedrungen sei. Nach Lage der Dinge sei dies aber nicht der Fall gewesen. Vielmehr hätten beide Beteiligte wohl eher aus einer „missverständlichen Intention heraus gehandelt“, so der Richter. „Aber auch eine Prostituierte, die Sexleistungen gegen Geld anbietet, darf man nicht ungefragt an den Hals fassen, aufs Bett werfen und versuchen, in sie einzudringen“, stellte der Richter klar. Zumal die Zeugin eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass sie dies nicht gewollt habe.

Ein solches Verhalten erfülle durchaus den Tatbestand nach § 177 Abs. 1, der für eine solche sexuelle Nötigung ein Strafmaß von sechs Monaten bis fünf Jahre vorsieht. Die Geschädigte haben aber keinen gesteigerten Wert darauf gelegt, dass der 27-Jährige zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Wichtiger sei ihr gewesen, dass deutlich wird, dass sich der 27-Jährige falsch verhalten habe.

Landgericht, Vergewaltigung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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