Esso-Tanke geht gegen „Wildpinkler“ vor: Security-Mitarbeiter muss Geldstrafe wegen Nötigung zahlen
Es ist schon erstaunlich, mit welchen Verfahren sich unsere Gerichte beschäftigen müssen und noch erstaunlicher, was mitunter dabei herauskommt. In einem dieser Verfahren ging es vorige Woche vor dem Amtsgericht um einen „Wildpinkler“ auf dem Gelände der Esso-Tankstelle direkt gegenüber dem Flughafen.
Angeklagt war nicht etwa der 64-jährige Autofahrer, der sich am 3. Juni 2022 gegen 12.15 Uhr auf dem Tankstellengelände in einem Gebüsch erleichterte, sondern der 53 Jahre alte Security-Mitarbeiter, der sich im Auftrag der Pächterin den „Wildpinkler“ zur Brust genommen hatte. Laut Anklage soll er dem 64-Jährigen mit einer Anzeige gedroht haben, falls dieser nicht zehn Euro „Reinigungsgebühr“ an die Pächterin bezahlt. Das wollte sich der „Wildpinkler“ nicht gefallen lassen und zeigte den Security-Mitarbeiter an, der sich deshalb am Donnerstag voriger Woche mit einer Anklage wegen Erpressung bzw. Nötigung auf der Anklagebank des Amtsgerichts Unna wiederfand.
Kampf gegen „Flughafenparker“ und „Wildpinkler“
Offenbar sind nicht nur die „Flughafenparker“ für die Esso-Tanke ein Riesenproblem (Emscherblog berichtete), sondern auch die „Wildpinkler“, wie der Angeklagte dem Richter erklärte. „Mittlerweile wird einfach überall hin gepinkelt, an Wände und auch an Autos. Die Pächterin ist sehr unzufrieden mit der Situation“, so der 53-Jährige.
Wie sein Verteidiger dem Gericht erklärte, sei darum auch ein entsprechendes Verbot und das Erheben einer Reinigungsgebühr von zehn Euro im Falle der Zuwiderhandlung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Tankstellenpächterin aufgenommen worden, die öffentlich ausliegen.
Der Angeklagte schilderte den Vorfall so, dass der 64-Jährige zunächst an der Esso-Tankstelle getankt habe, dann eingestiegen und etwa 50 Meter weiter gefahren, wieder ausgestiegen sei und sich noch auf dem Tankstellengelände vor einem Gebüsch uriniert habe. „Dafür habe ich nun wirklich kein Verständnis. Wir haben schließlich eine Toilette, die er hätte benutzen können. Dass jemand nach nur 50 Metern plötzlich einen solchen Druck auf der Blase hat, kann mir doch keiner erzählen.“
„Reinigungsgebühr“ von zehn Euro laut AGB fällig
Vehement widersprach der Angeklagte dem Vorwurf, dass er mit einer Strafanzeige gedroht habe. „Er wollte mir zunächst seine Personalien nicht geben. Da habe ich ihn nur auf unsere Geschäftsbedingungen hingewiesen und gesagt, dass ich seine Personalien für die Polizei benötige.“ Der 63-Jährige sei schließlich mit ihm in den Kassenraum zurück, wo er dann auch die zehn Euro zahlte, die nicht etwa in der Tasche des Angeklagten, sondern in der Kasse der gingen.
Richter Christian Johann hatte so seine Zweifel, ob die AGB einer rechtlichen Prüfung standhielten. „Aber es war ihr Auftrag einzuschreiten“, hielt er dem Angeklagten zugute.
Der 64-jährige Tankstellenkunde, ein seriös wirkender Diplom-Ingenieur, schilderte im Zeugenstand, dass er zunächst getankt hatte, dann weggefahren sei.“ Nach etwa 80 Metern und habe er dann anhalten und seine Blase vor einem Busch erleichtern müssen. „Das war ein medizinischer Notfall“, erklärte der Zeuge dem Gericht. „Ich nehme Medikamente, die stark harntreibend sind.“
Druck auf Blase ein „medizinischer Notfall“
Plötzlich sei der Angeklagte auf ihn zugekommen und habe ihn daran gehindert, wieder in seinen Pkw einzusteigen und wegzufahren. Außerdem habe er mit Hinweis auf die AGB zehn Euro Reinigungsgebühr von ihm gefordert. Die habe er natürlich nicht gekannt. „Wer liest denn auch die Geschäftsbedingungen, wenn er in eine Tankstelle geht?“, fragte der Zeuge entrüstet. Als er die zehn Euro deshalb nicht zahlen wollte, habe ihm der Angeklagte „mit einer Strafanzeige gedroht“.
Weil es sehr lange dauerte, bis die Polizei kam, habe er schließlich die zehn Euro bezahlt. „Im Nachhinein würde ich das heute nicht mehr machen. Aber ich wollte einfach nur weg.“ Anzeige erstattete der 64-Jährige anschließend aber doch.
Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen sei eine Erpressung zwar nicht nachweisbar, wohl aber eine vollendete Nötigung, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Zugunsten des Angeklagten berücksichtigte sie, dass dieser nicht einschlägig vorbestraft ist und forderte eine Strafe von 30 Tagessätzen a‘ 50 Euro (= 1.500 Euro) für ihn.
Die Verteidigung sah natürlich etwas anders: Das Wildpinkeln sei eine Ordnungswidrigkeit. Der Angeklagte sei darum davon ausgegangen, rechtmäßig zu handeln. Dass sein Mandant von dem Zeugen zehn Euro eingefordert und diesen daran hinderte, sein Auto zu besteigen, sei deshalb „nicht verwerflich“, so der Verteidiger, der einen Freispruch forderte.
Security-Mitarbeiter muss 750 Euro zahlen
Richter Christian Johann verurteilte den angeklagten Security-Mitarbeiter schließlich zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen a‘ 50 Euro (= 750 Euro) wegen Nötigung. Außerdem muss der Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen.
Der Vorwurf der Erpressung habe sich in der Verhandlung etwas anders dargestellt, heißt es in der Urteilsbegründung. „Der Angeklagte durfte davon ausgehen, dass die AGB stichhaltig waren“, so der Richter weiter. Er habe auch zehn Euro fordern und ebenso das Wildpinkeln zur Anzeige bringen dürfen. „Aber eine Nötigung stellt es trotzdem dar, wenn man mit einer Anzeige droht und dies mit einer Geldforderung verknüpfen. Das ist strafbar.“ Da es aber „nur um zehn Euro“ ging, sei die „Geldstrafe gering ausgefallen“.