Unnaer Tafel stößt an ihre Grenzen: Immer weniger Lebensmittel, aber immer größerer Bedarf
Die Tafeln in Deutschland sehen sich zunehmenden Schwierigkeiten gegenüber, wie vor einigen Tagen auch die Tagesschau berichtete: Die Nachfrage steigt ständig, doch das Spendenaufkommen sinkt. Die Tafeln rufen deshalb zu mehr Spenden auf und fordern ein Umdenken der Politik. Doch eine Entlastung ist nicht in Sicht. Auch die Tafel in Unna, aus der auch Holzwickede versorgt wird, spürt diesen Druck. Verschärft wird er noch durch die Flüchtlinge aus der Ukraine.
„Leider geht es uns bei der Unnaer Tafel e.V. nicht anders als in diesem Tagesschau-Bericht dargestellt“, bestätigt die Vorsitzende Ulrike Trümper. In einer Pressemitteilung informiert Trümper deshalb nun gemeinsam mit ihrem Stellvertreter, Roland Lutz, über die konkrete Problematik der Unnaer Tafel und übt darin auch deutlich Kritik an Institutionen im Kreis Unna , aber auch an Privatpersonen.
Geflüchtete aus Ukraine verschärfen Situation
Erhöht wird der Druck auf die Tafel Unna nach Angaben des Vorstandes durch drei Faktoren: steigende Lebensmittelpreise, durch Bezieher von Unterstützung (ALG I), die durch die Corona-Krise in die Grundsicherung (ALG II) gerutscht sind sowie durch eine große Zahl von Ukraine-Flüchtlingen.
Wie Ulrike Trümper erläutert, gibt es einfach „immer mehr arme Menschen, die unter den steigenden Lebensmittelpreisen leiden“. Viele von denen, die bisher „so eben über die Runde“ gekommen sind, schlagen jetzt bei der Tafel auf. „Die Nachfrage der deutschen Hilfebedürftigen steigt“, stellt Trümper fest.
Dazu zählen auch vermehrt die Menschen, die in der Grundsicherung (ALG II) angekommen sind. „Viele von ihnen fragen jetzt bei uns an, ob sie ihr schmales Budget durch Lebensmittel von der Tafel entlasten können“, so die Vorsitzende.
„Anders als die beiden anderen genannten Personengruppen werden die ukrainischen Flüchtlinge häufig von Behörden, Einrichtungen und auch Privatpersonen regelrecht zur Tafel geschickt mit der unzutreffenden Information, dass wir ,verpflichtet‘ wären, ihnen Lebensmittel zu geben.“
– Ulrike Trümper (Vorsitzende)
Schließlich kommen immer mehr ukrainische Flüchtlinge auf die Tafel zu mit der Bitte und Forderung nach Lebensmitteln. „Auch wenn die Geflüchteten aus der Ukraine hier Grundsicherung bekommen, ist die Lebenssituation der meisten von ihnen durch ein sehr schmales Einkommen geprägt. Auch sie sprechen uns an und wollen Lebensmittel von der Tafel bekommen“, sagt Ulrike Trümper.
Doch es gibt einen großen Unterschied, der die Tafel-Vorsitzende ärgert: „Anders als die beiden anderen genannten Personengruppen werden die ukrainischen Flüchtlinge häufig von Behörden, Einrichtungen und auch Privatpersonen regelrecht zur Tafel geschickt mit der unzutreffenden Information, dass wir ,verpflichtet‘ wären, ihnen Lebensmittel zu geben.“
Dazu erklärt Ulrike Trümper: „Wir haben übergangsweise durch viele Spenden, etwa der Gesling-Stiftung, und auch Fiege, in großem Umfang zusätzliche Lebensmittel für die Geflüchteten aus der Ukraine bereitstellen können. So konnten wir 700 Menschen verpflegen.“ Diese Lebensmitte, seien nun aufgebraucht – doch die Nachfrage bleibt.
Kritik an Institutionen im Kreis und Privatpersonen
Der Vorstand der Tafel Unna übt ganz deutliche Kritik an dieser Praxis: „Einige Institutionen im Kreis Unna und auch Privatpersonen scheinen die aus der Ukraine Geflüchteten ganz selbstverständlich dahingehend zu beraten, dass sie ohne Weiteres Lebensmittel bei der Tafel bekommen können. Das ist falsch. Mit einigen dieser Institutionen hat es unerfreuliche Gespräche gegeben, weil man dort glaubte, dass wir in der Pflicht stünden, Lebensmittel in genügendem Umfang abzugeben“, berichtet Trümper. „Dabei interessierte man sich nicht im geringsten dafür, wie eigentlich die Fakten sind.“
Die Tafel Unna hat auch zahlreiche Kommunen angeschrieben mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass aus den Ämtern keine Geflüchteten mehr an die Tafel verwiesen werden mit dem Hinweis: „Da bekommen Sie Lebensmittel.“ Teilweise reagierten die Kommunen gar nicht, teilweise angemessen, häufig aber auch desinteressiert, sagt Trümper: „Andere Institutionen, die Flüchtlinge beraten, haben ihnen ,völlig selbstverständlich‘ erklärt, dass sie ,ein Recht auf Versorgung durch die Tafeln‘ hätten, haben uns Geflüchtete glaubhaft erklärt.“
Auch Privatpersonen würden Flüchtlinge entsprechend informieren. „So völlig unzutreffend vorinformiert kommen die Geflüchteten dann zu uns und sind enttäuscht, wenn wir ihnen keine oder nur sehr wenig Lebensmittel geben können“, schildert Ulrike Trümper. „Das ist nicht die ,Schuld‘ der Geflüchteten, sondern der Personen und Institutionen, die in fahrlässiger Weise Falschinformationen an die Geflüchteten weitergeben und sich dann nicht im geringsten um die von ihnen ausgelösten Probleme an der Tafel kümmern.“
Die Vorsitzender der Tafel Unna betont: „Selbstverständlich möchten auch wir einen Beitrag dazu leisten, dass die vor dem furchtbaren Angriffs- und Vernichtungskrieg Russlands zu uns geflohenen Menschen bei uns Hilfe und Unterstützung erfahren können. Doch wir können nur die Lebensmittel verteilen, die wir auch haben. Um mehr Menschen versorgen zu können, brauchen wir auch mehr Lebensmittel.“
Erstversorgung für Flüchtlinge ausgelaufen
Die Spendenbereitschaft einzelner Menschen steigt tatsächlich, bestätigt Trümper. Doch die Bereitschaft vieler Lebensmittelkonzerne, in gewohntem oder gar größerem Umfang Lebensmittel an die Tafel abzugeben, lässt nach. „Deshalb stehen wir vor einem großen Dilemma“, so Trümper: „Die regelmäßige Zufuhr an zu verteilenden Lebensmitteln sinkt, aber die Nachfrage steigt dramatisch.“ Hinzu kommt eine immer noch akute Personalnot bei der Tafel Unna durch die Corona-Pandemie.
„Die regelmäßige Zufuhr an zu verteilenden Lebensmitteln sinkt, aber die Nachfrage steigt dramatisch.“
– Ulrike Trümper (Vorsitzende)
Deshalb appelliert der Vorstand der Tafel Unna: Es werden dringend regelmäßig mehr Lebensmittel insbesondere von den Lebensmittelkonzernen benötigt, die gerade in der aktuell komplizierten Situation die Abgaben erhöhen statt reduzieren müssten. „So dankbar wir für die stiftungsspendenbasierte großzügige Erstversorgung sehr vieler Geflüchteter sind: Dies waren endliche Aktionen“, betont Trümper. „Wir müssen aber eine Situation erreichen, wo wir regelmäßig Lebensmittel verteilen können.“
Um die enorm wachsenden Aufgaben bewältigen zu können, benötigt die Tafel schließlich auch mehr Personal: ehrenamtliche Menschen, aber auch bezahlte Personen aus Maßnahmen des Jobcenters.
Es drohen „Betriebsferien“ der Tafel
„Wir stoßen derart an unsere Grenzen, dass auch vorübergehende ,Betriebsferien‘ der Tafel nicht mehr auszuschließen sind“, erklärt Ulrike Trümper.
„Wenn sich nicht deutlich etwas in diesem Sinne ändert, müssen wir klar sagen: Sobald unsere durch einmalige Spenden zusätzlich aufgestockten Lebensmittel aufgebraucht sind, werden wir zurückkehren müssen zu den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Mengen. Eine zusätzliche Versorgung von mehreren Hundert geflüchteten Menschen ist dann unmöglich. Bei aller großen Hilfsbereitschaft, die wir als Tafel selbstverständlich gegenüber den geflüchteten haben, dürfen wir nicht vergessen, dass in beträchtlichem Umfang arme, nicht geflüchtete Menschen zunehmen, die ebenfalls die Hoffnung haben, dass die Tafel ihre durch Inflation größer werdenden Probleme nicht außen vor lässt“, erklären die beiden Tafel-Vorsitzenden.