Immerhin etwas Gutes bewirkt Corona: Gesamtkriminalität im Kreis weiter gesunken
Die Kreispolizeibehörde stellte heute die Kriminalstatistik 2020 für den Kreis Unna (ohne Lünen) vor. Wie Landrat Mario Löhr als Behördenleiter eingangs erläuterte, ist die Gesamtkriminalität im vergangenen Jahr im Kreis Unna mit insgesamt 16.610 gemeldeten Fällen weiter rückläufig (2019: 17.063 Fälle). Die Zahl der Wohnungseinbrüche im Kreis Unna, in Jahren zuvor stets eine Schwerpunktproblematik, sank „um mehr als 19 Prozent“ und konnte um 350 Fälle reduziert werden. Dafür tat sich allerdings ein neuer Kriminalitätsschwerpunkt auf: die Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Nach wie vor ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, im Bereich der Kreispolizeibehörde allerdings deutlich geringer als im Landesdurchschnitt, betont der Landrat.
Mit einem Anteil von 4 Prozent (626 Fälle) an der Gesamtkriminalität trifft das erst recht für die Gemeinde Holzwickede zu, die in allen statistischen Bereichen im untersten Bereich der Skala rangiert. Doch auch hier gibt es einige interessante Entwicklungen festzuhalten.
Straftaten gegen ältere Menschen neuer Schwerpunkt
Den Straftaten zum Nachteil älterer Menschen, wozu der Enkeltrick, aber auch der falsche Polizist gehören, widmet die Kreispolizei ab sofort höchste Priorität, wie der Abteilungsleiter Polizei, Peter Schwab, erklärt: Zu einem immensen materiellen Schaden, den die zumeist vom Ausland aus operierenden Täter verursachen, kommen die seelischen Schäden hinzu. „Manche der älteren Menschen, die Opfer einer solchen Tat werden, verlieren jeglichen Lebensmut“, weiß Peter Schwab. Deshalb sei es oberstes Ziel der Kreispolizei, die Fallzahlen in diesem Bereich möglichst gering zu halten.
Wie Christoph Strickmann, Leitender Direktor Kriminalität, weiter erläuterte, konnte die Polizei mehr als die Hälfte aller gemeldeten Straftaten klären (52%). Daran wird die Polizei gemessen. Die stark rückläufige Gesamtkriminalität ist dagegen eher der Corona-Pandemie geschuldet und dem damit einhergehenden stark eingeschränkten öffentlichen Leben, wie Strickmann einräumt. Größte Treiber der Kriminalität sind nach wie vor Diebstähle (36,36%), Vermögens- und Fälschungsdelikte (17,83%) sowie Rohheitsdelikte (15,02%). Sexualstraftaten (1,43%) oder gar Straftaten gegen das Leben (0,01%) fallen dagegen statistisch kaum ins Gewicht.
Corona und der fehlende öffentliche Raum haben dazu geführt, so Strickmann, dass sich die Kriminalität von Straße in die virtuelle Online-Welt verschoben hat. Die Straßenkriminalität ist auf insgesamt 4.568 Fälle gesunken (2019: 4.756 Fälle) In Holzwickede sind lediglich 153 Fälle verzeichnet – 42 Fälle oder 21,54% weniger als im Jahr davor.
Kriminalität verlagert sich von der Straße in Online-Welt
In der Tendenz ist die Gewalt- und Raubkriminalität um -12,67 % rückläufig. Konkret sind insgesamt 604 Fälle an Gewaltkriminalität im Vorjahr verzeichnet (2019: 668). Die Zahl der Raubdelikte sank auf 113 Fälle (2019:153),
Spürbar gestiegen ist die Zahl der Sexualstraftaten von 200 Fällen im Jahr 2019 auf insgesamt 238 Fälle im Vorjahr. Enthalten sind in diesen Zahlen auch Fälle von Kinderpornografie, wobei bereits nur ein kinderpornografisches Foto, das von einer über 14 Jahre alten Person per Whatsapp verschickt wird, nach dem Gesetz als sexueller Missbrauch gilt, wie Christoph Strickmann warnt. Jugendliche sollten sich also genau überlegen, welche Fotos sie im Freundeskreis posten.
Ähnlich wie bei der Gewalt- und Raubkriminalität dürfte auch die sinkende Diebstahlskriminalität auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein. So wurden im Vorjahr lediglich 6.039 Fälle gemeldet (2019: 6.294). In der Emschergemeinde sank die Zahl der Delikte um sogar 14,29% auf 229 Fälle im Vorjahr (2019: 266). Die Zahl der Wohnungseinbrüche ging auf 350 Fälle zurück (2019: 432) – eine rekordverdächtig niedrige Zahl. Noch im Jahr 2016 gab es dreimal mehr Wohnungseinbrüche im Kreis. In der Gemeinde Holzwickede blieb die Zahl der Wohnungseinbrüche dagegen auf niedrigem Niveau stavil: Hier gab es im vergangenen Jahr 19 Wohnungseinbrüche – einen mehr als im Jahr 2019.
Für die Polizei ein deutliches Indiz für Ausweichkriminalität in Corona-Zeiten: Die Zahl der Taschendiebstähle stieg im Vorjahr deutlich auf 398 Fälle an (2019: 303). Mit insgesamt 10 Fällen verdoppelte sich die Zahl der gemeldeten Taschendiebstähle in Holzwickede sogar gegenüber 2019.
Nahezu unverändert blieben die Fallzahlen der Diebstähle an/aus und von Kraftfahrzeugen. Hier stehen 1.030 Fälle im Vorjahr, 1.022 Fällen im Jahr 2019 gegenüber. Für Holzwickede verzeichnet die Statistik hier 58 Fälle – 12 mehr als im Jahr 2019.
Enkeltrick & Co: starker Anstieg in Holzwickede
Schließlich wurden im Vorjahr mit 870 Fällen (-19,07%) deutlich weniger Fahrräder gestohlen als im Jahr 2019 (1.075). Für Christoph Strickmann ein weiteres „eindeutiges Indiz“ dafür, dass diese Entwicklung auf Corona zurückgeht.
Der umgekehrte Trend zeigt sich bei der Betrugskriminalität, was die Polizei vor ganz neue Herausforderungen stellt: Allgemein ist die Zahl der Betrugsdelikte von 2.094 Fällen im Jahr 2019 auf 2.319 Fälle im Vorjahr deutlich gestiegen. Die Betrügereien zum Nachteil älterer Menschen weisen einen noch deutlicheren Anstieg auf: 1.248 Fälle im Vorjahr stehen 938 im Jahr 2019 gegenüber. Holzwickede ist dabei mit 8% aller Fälle betroffen. Dramatischer ist aber der Anstieg von über 160 Prozent der Delikte in diesem Bereich: Den mit 100 Fällen im Vorjahr sind der Polizei 62 Fälle mehr als noch im Jahr 2019 (38) gemeldet worden. Kreisweit gibt es nur in Kamen noch einen höheren Anstieg der Fälle dieser Art.
Wobei die Dunkelziffer, schätzt die Polizei, noch deutlich liegen dürfte. Denn das gehört zu den Eigenheiten der Delikte zum Nachteil gegen ältere Menschen: Aus Scham gegenüber den eigenen Angehörigen schrecken die Opfer häufig vor einer Strafanzeige zurück.
„Der Schutz der Opfer ist uns wichtiger als der Fahndungserfolg. Wenn 100% der älteren Menschen auflegen würden bei einem verdächtigen Anruf, hätten wir auch gewonnen.“
– Peter Schwab (Abteilungsleiter Polizei)
Neben dem seelischen Folgen für die Opfer ist auch der materielle Schaden ungewöhnlich groß: rd. 955.000 Euro betrug der Schaden im Vorjahr.
Die Aufklärungsquote ist mit 1,52% nur sehr gering. „Es ist extrem schwer für uns die Täter zu ermitteln“, räumt Christoph Strickmann ein. Die Polizei hat nur dann eine Chance, wenn sie „in der heißen Phasen der Geldübergabe ins Spiel kommen“ kann. Denn die Täter sitzen zumeist im Ausland: Der klassische falsche Polizist operiert von der Türkei aus, der Enkeltrick-Betrüger aus Polen. Ansatzpunkte der Polizei können deshalb nur sein: Möglichst frühzeitig davon zu erfahren, dass eine Betrug im Gange ist sowie Aufklärung. Auch mit den Geldinstituten sucht die Polizei die Zusammenarbeit.
Oberste Maxime der Polizei ist: Kein Geldfluss und der Opferschutz. „Deshalb raten wir dazu, beim geringsten Verdacht sofort aufzulegen und danach die Polizei zu informieren.“
Was die Polizei nicht brauchen kann, betont Peter Schwab, sind private Ermittlungen. „Der Schutz der Opfer ist uns wichtiger als der Fahndungserfolg“, versichert Polizeidirektor Peter Schwab. „Wenn 100% der älteren Menschen sofort auflegen würden bei einem verdächtigen Anruf, hätten wir auch gewonnen.“
Zahl der Rauschgiftdelikte nahezu stabil
Praktisch unverändert sind die Fallzahlen im Bereich der Rauschgiftdelikte: Hier meldet die Polizei 726 Fälle im vergangenen (2019: 759)
Insgesamt stellte die Polizei dabei folgende Mengen sicher:
Marihuana: 18.403 g (2019: 27.999 g)
Haschisch: 960 g (467 g)
Amphetamin 3.850 g (6.521 g)
Kokain: 30 g (47 g)
Heroin: 28 g (32 g)
Ecstasy: 649 Stck. (1.231 Stck.)
Eingezogenes Bargeld: 95.773 Euro (27.566 Euro)
Dreiviertel der Tatverdächtigen deutscher Nationalität
Der Anteil der unter 21 Jahre alten Tatverdächtigen liegt bei 21,71% (Anteil an der Gesamtbevölkerung: 19.25% ) und liegt damit im allgemeinen Rahmen.
Unauffällig auch die Aufschlüsselung der Tatverdächtigen nach Nationalitäten: 73,3% der Tatverdächtigen sind deutscher Nationalität sowie 25,8% anderer Nationalität (Türkei 4,1%; Rumänien 3,0%; Polen 2,9%; Syrien 1,8%; Serbien 1,6%; Algerien 1%; sonstige 11,4%) Außerdem waren 0,1% der Tatverdächtigen staatenlos, bei 0,8% ist die Nationalität ungeklärt.
Schließlich wurden auch die Tatverdächtigen nach Aufenthaltsstatus erfasst: 73,28% waren Deutsche, 20,7% der Tatverdächtigen war der Aufenthalt hier dauerhaft erlaubt, weitere 5,47% der Tatverdächtigen waren mit Duldung hier (1,5%) und 3,97% waren Asylbewerber im laufenden Verfahren. Lediglich 0,55% der Tatverdächtigen hielten sich unerlaubt in Deutschland auf.