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Um dieses Grundstück, eine ehemalige Spielplatzfläche, an der Böckmannstraße geht es: Die Gemeinde will die 497 m² große Brache nun doch nicht mehr selbst vermarkten, sondern an den Meistbietenden zur Selbstnutzung veräußern. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)

Wie eine kleine Brache an der Böckmannstraße plötzlich zum wichtigsten Grundstück der Gemeinde wurde

Um dieses Grundstück, eine ehemalige Spielplatzfläche, an der Böckmannstraße geht es:  Die Gemeinde will die 497 m² große Brache selbst vermarkten. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)
Um dieses Grundstück, eine ehemalige Spielplatzfläche, an der Böckmannstraße geht es: Die Gemeinde will die 497 m² große Brache selbst vermarkten. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Es mutet fast wie eine Provinzposse an: Im November 2013 hatte der damalige Ausschuss für Jugend, Familie, Senioren und Gleichstellung beschlossen, eine ehemalige Spielplatzfläche an der Böckmannstraße aufzugeben und zu verkaufen. Fast zehn Jahre lag das nur 497 m² kleine Grundstück danach brach und schien niemanden zu interessieren. Erst nach Bürgerbeschwerden stutzte der Baubetriebshof das wild wuchernde Grün etwas zurück. Doch plötzlich ist die unscheinbare Brache zum Zankapfel und wichtigsten Grundstück der Gemeinde geworden, dessen Verkauf als Blaupause für alle künftigen Grundstücksverkäufe der Gemeinde dienen und helfen soll, „städtebauliche und sozialpolitische Ziele (…) zu verwirklichen“, wie es in einer Verwaltungsvorlage heißt.

Zur Abstimmung kam dieser Beschluss im Haupt- Finanz- und Personalausschuss am Donnerstagabend (9.6.) allerdings. Auf Antrag der FDP wurde der Tagesordnungspunkt abgesetzt. Was war geschehen?

Neue Kriterien für Grundstücksverkäufe

Mit ihrer Verwaltungsvorlage hatte die Verwaltung vorgeschlagen, das besagte Grundstück an der Böckmannstraße zum Preis von 124.250 Euro zu veräußern, um es einer Bebauung zuzuführen. Wer das Grundstück bekommen soll, ist noch offen. Um Spekulationen vorzubeugen, soll ein Bewerbungsverfahren „nachvollziehbar“ und „transparent durchgeführt“ werden und „nicht durch Ausschluss von bestimmten Personengruppen oder Festlegung auf eine bestimmte Zielgruppe eine Ungleichbehandlung herbeigeführt“ werden, wie es in der Verwaltungsvorlage heißt. Sichergestellt werden soll das durch einen umfangreichen, von der Verwaltung neu ausgearbeiteten Kriterienkatalog, der gleich mitbeschlossen werden sollte. Nach diesen Kriterien würden insbesondere mit Holzwickede bereits verbundene Personen, kinderreiche, junge Familien, behinderte oder pflegebedürftige Personen, die ansonsten auf dem Immobilienmarkt benachteiligt werden, Pluspunkte sammeln und ihre Chancen auf einen Erwerb erhöhen können.

Beschluss im Hauptausschuss abgesetzt

Nun ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn die Gemeinde Bauland nach sozialen Kriterien verkaufen und Spekulanten ausbremsen will — solange das transparent geschieht.

Auf Antrag der FDP wurde der Tagesordnungspunkt trotzdem abgesetzt. Ihr Sprecher Lars Berger begründete den Antrag damit, dass mit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung gleich „drei unabhängig voneinander abzustimmende Themenblöcke vermischt“  würden:

  1. Es sei unklar, ob ein Beschluss zum Verkauf des kleinen Grundstücks überhaupt notwendig sei. Denn es wurde bereits im Herbst 2014 beschlossen, dieses Grundstück zu veräußern. „Möglicherweise ist dieser Beschluss noch gültig“, so Berger.
  2. Wenn schon Vergabekriterien erstellt und beschlossen werden sollen, dann solche, die sich zukünftig auf alle möglichen Grundstücke der Gemeinde anwenden ließen und nicht, wie dargestellt, an das unscheinbare Grundstück Böckmannstraße gekoppelt sind. „Ein Grundsatzbeschluss zum Verkauf von Baugrundstücken sollte nicht mit dem Einzelverkauf Böckmannstraße vermischt werden“, findet Berger. „Das ist so wichtig, weil über die Vergabekriterien beim zukünftigen Verkauf von Baugrundstücken der Kreis potenzieller Erwerber eingeschränkt wird.“  
  3. Danach müsse dann beschlossen werden, ob die neu erstellten Vergaberichtlinien auch bei der Veräußerung der Brache Böckmannstraße Anwendung finden soll. Oder „ob die Gemeinde hier mit einer Preisvorgabe marktregulierend eingreifen oder nach wie vor über ein Bieterverfahren der Preis des Grundstücks bestimmt“ werden soll, so Berger weiter.

Dieser Argumentation schlossen sich, bis auf die SPD, alle anderen Fraktionen an – und der Tagesordnungspunkt wurde abgesetzt.

Höheres Angebot liegt vor

Pikant ist der ganze Vorgang, weil der Verwaltung nach Informationen des Emscherblogs seit April ein wesentlich besseres Kaufangebot für das Grundstück in Höhe von 150.000 Euro vorliegt. Das sind immerhin rd. 25.000 Euro mehr als der Preis, für den die Verwaltung das Grundstück verkaufen will. Dieser Bewerber aus Holzwickede, der nach Aussage der Verwaltung das einzige Kaufangebot überhaupt abgegeben hat, wähnt sich nicht nur mit seiner Kaufabsicht ignoriert, sondern auch ganz gezielt „ausgebootet“ von der Verwaltung.

Denn nach seiner Darstellung hatte er sich bereits seit 2013 für das Grundstück interessiert. Im Dezember 2019 sei er dann von der Gemeinde sogar angeschrieben und aufgefordert worden, ein Angebot für das Grundstück einzureichen, so der Bewerber. In dem Schreiben wies die Verwaltung ihn ausdrücklich darauf hin, dass das Grundstück nicht mit einem Ein- oder Zweifamilienhaus bebaut werden kann, da dort eine 10 KV-Leitung des Energieversorgungsträgers liegt.

Einziges Angebot nachgebessert

Für den kundigen Holzwickeder war das kein Problem: Er nahm Kontakt zum Energieversorger Westnetz auf, fragte nach, ob es möglich sei, die Leitung zu verlegen (Antwort: „Kein Problem.“) und erhielt auch einen Kostenvoranschlag: „Die Verlegung der Leitung sollte 33.466 Euro kosten“, so der Holzwickeder.

Daraufhin reichte er am 21. Januar 2022 sein erstes schriftliches Kaufangebot im Rathaus ein, das noch etwas niedriger als sein zweites war, weil es unterstellte, dass die Kosten für die Verlegung der Versorgungsleitung von ihm zu übernehmen sind. In der Folgezeit will der Bewerber dann mehrfach in der Verwaltung nachgehakt haben, was mit seinem Kaufangebot sei, jedoch immer wieder vertröstet oder hingehalten worden sein.

Am 19. April erhielt er schließlich eine Absage der Verwaltung mit dem Hinweis, dass die Gemeinde die Versorgungsleitung selbst verlegen und das Grundstück vermarkten will. Als der Holzwickeder erfuhr, dass die Gemeinde die Versorgungsleitung selbst verlegen will, erhöhte er sein Kaufangebot noch einmal auf 150.000 Euro – bislang ohne jede Reaktion aus dem Rathaus.

Kaufinteressent fühlt sich „ausgebootet“

So ärgerlich die Absage für ihn ist – für die Gemeinde ist es ein gutes Geschäft, das Grundstück selbst zu veräußern. Denn durch die vertragliche Zusammenarbeit mit der Westnetz verlegt der Energieversorger die Versorgungsleitung auf dem Grundstück sogar auf eigene Kosten.

Allerdings ist auch der Ärger des Bewerbers aus Holzwickede nachvollziehbar: „Jahrelang war man bei der Gemeinde nicht in der Lage, das Problem mit der Versorgungsleitung zu lösen. Mich hat das nur zwei Tage gekostet. Zum Dank hat man ausgebootet und will das Geschäft jetzt selbst machen. Nachdem man mich erst aufgefordert hat, ein Kaufangebot abzugeben.“

Für eine Stellungnahme war Uwe Nettlenbusch, Leiter der Technischen Dienste der Gemeinde, gestern nicht erreichbar.

Böckmannstraße, Hauptausschuss


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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