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Vater schildert Missbrauch eigener zweijähriger Tochter im WhatsApp-Chat: Zwei Jahre und neun Monate Gefängnis

Es gibt Taten, da steht man nur fassungslos davor und kann das Motiv eines Täters einfach nicht begreifen. Wegen einer solchen Tat musste sich der 50 Jahre alte S. aus Holzwickede in dieser Woche vor dem Amtsgericht Unna verantworten: Der bis dahin völlig unbescholtene und als liebevoller Vater von zwei minderjährigen Kindern beschriebene Ehemann hat von April bis Juli vorigen Jahres in einem WhatsApp-Chat ausführlich den sexuellen Missbrauch seiner eigenen damals zweijährigen Tochter beschrieben und auch einschlägige Fotos von Kindern, darunter auch seiner eigenen, ausgetauscht.

Da es sich im Nachhinein herausstellte, dass es sich nur um Fantasien von S. handelte und der Familienvater seine oder andere Kinder nicht wirklich vergewaltigt hat, wurde gegen den Familienvater vor dem Amtsgericht „nur“ Anklage wegen des Besitzes und der Verbreitung von kinderpornografischer Schriften und Fotos erhoben.

Nur Sexfantasie, aber auch Fotos

Konkret warf die Anklage S. vor, von 2. April bis 29. Juli vorigen Jahres in dem WhatsApp-Chat verschiedenen unbekannten Chatpartnern gegenüber den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes beschrieben zu haben – und zwar so ausführlich, dass allein das wörtliche Verlesen des Chatprotokolls durch die Anklagevertreterin kaum zu ertragen war.

IT-Administratoren waren durch ein einschlägiges Foto auf den Chat aufmerksam geworden und hatten ihn zur Anzeige gebracht.  Am 29. Juli vorigen Jahres wurde die Wohnung des Familienvaters in Holzwickede durchsucht, wobei seine ahnungslose Ehefrau aus allen Wolken fiel. In der Wohnung fanden die Ermittler einen Laptop mit einem guten Dutzend einschlägiger Fotos, die Kinder in eindeutigen Posen zeigten. Teilweise waren die Fotos beschnitten, so dass nur die Geschlechtsteile der Kinder im Fokus standen oder auch ein ejakulierender Junge.

Angeklagter: „Bin kein Pädophiler“

Außerhalb des Gerichtssaales würde wohl niemand S., der einen gutbürgerlichen Eindruck macht und sich gewählt ausdrücken kann, solche Taten zutrauen. Doch mit den Tatvorwürfen konfrontiert, räumte er sie in vollem Umfang ein. Ein typischer Pädophiler ist S. sicher nicht. Er selbst bestreitet sogar vehement, pädophile Neigungen zu haben – bis auf die ihm vorgeworfenen Vergehen im Frühjahr vorigen Jahres.

„Ich habe zeit meines Lebens noch nie eine Neigung in diese Richtung gehabt oder Stimulation daraus bezogen. Deshalb kann ich auch für die Zukunft grundsätzlich ausschließen, dass ich nochmal in Gefahr komme, so etwas zu tun.“   

„Ich habe zeit meines Lebens noch nie eine Neigung in diese Richtung gehabt oder Stimulation daraus bezogen.“

– Angeklagter S.

Auf die Frage von Richter Christian Johann, warum er sich überhaupt zu einer solchen Tat hinreißen ließ, wusste S. allerdings auch keine Antwort. „Ich weiß, dass ich es getan habe und es war ein großer Fehler, den ich auch sehr bereue. Aber einen Grund kann ich Ihnen nicht nennen. Es ging ja über einen längeren Zeitraum und ich bin einfach immer einen Schritt weiter gegangen. Es war wohl die Indiskretion, die mich da gereizt hat.“

Kaum Therapieplätze

Dem Richter genügte die Antwort nicht: „Wie kommt man dazu, auch solche Bilder der eigenen Tochter zu posten?“, wollte Christian Johann wissen. Auch darauf  blieb S. eine Antwort schuldig. Nachweislich hat der Holzwickeder nach der Tat mehrere Versuche unternommen, mit therapeutischer Hilfe eine Antwort auf solche Fragen zu erhalten. Die hinlänglich bekannte Problematik: Sexualtherapeuten, die auf solche Dinge spezialisiert sind, sind rar gesät. Eine Chance auf Therapie haben de facto nur akute Notfälle oder rechtskräftig verurteilte Pädophile, deren Behandlung danach das Land finanziert. Kassenpatienten oder auch Selbstzahler haben gar keine Chance auf einen Therapieplatz.

Deshalb ist es dem Angeklagten wohl abzunehmen, dass er gerne therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen würde, „um herauszufinden, warum ich hier eine Grenze überschritten habe“.

Als Konsequenz aus seinem „unverzeihlichen Fehler“, wie er schilderte, „ist mein Leben auf den Kopf gestellt und Vieles zerstört worden“. 

Weil die Ermittler und das Jugendamt zunächst davon ausgehen mussten, dass S. seinen eigenen Kindern auch in der Realität missbraucht hat, wurde vom Tag der Durchsuchung ein sofortiges Kontaktverbot zu seiner Familie verhängt. Etwa ein halbes Jahr lang durfte er nicht einmal mit seiner Frau oder seinen Kindern telefonieren. Für S. war es nach eigenem Bekunden „die schlimmste Zeit meines Lebens“.

Kontaktsperre nach sechs Monaten aufgehoben

Nach einem halben Jahr waren die Mitarbeiter des Jugendamtes, des Kinderschutzes und der Polizei dann sicher, dass von dem Holzwickeder keine Gefahr für seine Kinder und Ehefrau ausgeht und hoben die Kontaktsperre wieder auf. Wie ein Mitarbeiter des Jugendamtes vor Gericht erklärte, habe S. „zu seinen Kindern ein sehr liebevolles Verhältnis“ und die Kinder hätten „ihren Vater sehr vermisst“. S. habe sich außerdem im Umgang mit den Behörden stets sehr kooperativ gezeigt.

„Ein großes Glück“, so der Angeklagte, sei, dass seine Ehefrau, der er inzwischen alles gebeichtet hat, weiter zu ihm halte. Was seine Frau im Zeugenstand anschließend auch bestätigte. Wenig Verständnis zeigte seine Frau dort nur dafür, wie sich die Polizei bei der Durchsuchung verhalten hätte. Sie sei schließlich völlig unvorbereitet auf die Situation und völlig ahnungslos gewesen, als die Beamten an ihre Tür klopften. Nachfragen von ihr wurden nicht beantwortet, stattdessen sofort jeder Kontakt zu ihrem Mann und zu den eigenen Kindern unterbunden. „Ich habe mich wie vergewaltigt gefühlt“, beschwerte sich die Frau. Erst auf mehrmaliges Nachfragen des Richters, ob sie denn im Nachhinein wenigstens Verständnis für das Verhalten der Ermittler habe, nickte die Ehefrau.  Als sie realisierte, was ihr Mann getan habe, sei dies „ganz schrecklich“ gewesen. „Ich war schockiert, am Boden zerstört. Es hat eine ganze Zeit gebraucht, um das zu verarbeiten, wahrscheinlich dauert so etwas sogar Jahre lang.“

Anklage und Verteidigung fordern Bewährungsstrafe

Die Staatsanwältin sah die angeklagten Taten nach dem Geständnis des Holzwickeders als bewiesen an. Die erste Tat sei noch unter dem alten Strafrecht, die zweite Tat unter dem verschärften neuen Strafrecht erfolgt. Danach sei ein Strafmaß von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen. Als strafmildernd sei anzusehen, dass S. bisher noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Aber auch die schweren Folgen für seine Familie seien zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass er geständig, glaubhaft Reue zeigt und ernsthaft um eine Therapie bemüht sei. Zu seinen Lasten müsse dagegen gewertet werden, dass sich seine Taten um die eigene Tochter drehten sowie um weitere unbekannte Kinder. Diese fotografierten Kinder seien sehr ganz real und die eigentlich missbrauchten, was man sich stets vor Augen halten müsse. Die Staatsanwältin forderte deshalb eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren für den Holzwickeder, ausgesetzt zur Bewährung.

Dieser Forderung konnte sich auch der Verteidiger von S. anschließen.

Richter: „Das Schlimmste vorstellbare“

Nach etwa viertelstündiger Beratung lautete das Urteil von Richter Christian Johann auf zwei Jahre und neun Monate Gefängnis. Bei dieser Höhe ist eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung ausgeschlossen.

In seiner Urteilsbegründung machte Richter Christian Johann deutlich, wie er zu seinem Urteil aus den beiden unterschiedlich zu bestrafenden Taten gekommen ist. Zwar sei das Verhalten des Angeklagten „von Reue getragen“ und S. auch bisher noch nicht vorbelastet. Was der Familienvater aber in seinen Schilderungen im WhatsApp-Chat aber der eigenen zweijährigen Tochter angetan habe, sei „so ziemlich das Schlimmste, was vorstellbar ist“ und selbstverständlich strafbar. Denn Neigungen werden nicht bestraft. Ähnliche gelte auch für die bei S. aufgefundenen Fotos, die eindeutig strafbar seien. Was auf den Fotos zu sehen ist, werte der Richter allerdings im Gegensatz zur ersten Tat eher im unteren Strafrahmen von insgesamt drei Monaten bis fünf Jahren, den der Gesetzgeber für solche Straftaten vorgesehen hat.

Gegen das Urteil sind noch Rechtsmittel möglich.

Kinderpornografie


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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