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Bietet gemeinsam mit der Athera-Gruppe in Unna orthopädischen Reha-Sport an: HSC-Abteilungsleiterin Susanne Werbinsky. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)

Susanne Werbinsky: Eine Teamplayerin, die Führungsqualitäten einfordert und auf die Jugend setzt

Versteht sich als Teamerin, die auch als Bürgermeisterin den direkten Kontakt zu den Menschen in dieser Gemeinde suchen würde: Susanne Werbinsky an ihrem Arbeitsplatz in der HSC-Geschäftsstelle. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Die Kommunalwahl findet am 13. September statt. Gewählt wird an diesem Termin nicht nur ein neuer Gemeinderat, sondern auch eine neue Bürgermeisterin oder ein neuer Bürgermeister für die Gemeinde Holzwickede. Der Emscherblog hat mit allen vier Bewerbern Interviews geführt, die an dieser Stelle veröffentlicht werden. Den Anfang machte die amtierende Bürgermeisterin Ulrike Drossel. Die Beiträge mit Peter Wehlack (SOD) und Frank Lausmann (CDU) stehen noch aus. Lesen Sie heute zunächst das Interview mit Susanne Werbinsky (Bündnis 90/Die Grünen).

Zur Person:  Susanne Werbinsky (58 Jahre) ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Susanne Werbinsky ist aktuell die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Holzwickeder Gemeinderat. Die gelernte Arzthelferin und Gesundheitstrainerin leitet hauptberuflich die Gesundheitssportabteilung des HSC. Außerdem ist sie die stellvertretende Vorsitzende des Gesamtvereins.

Emscherblog: Frau Werbinsky, warum wollen Sie eigentlich Bürgermeisterin von Holzwickede werden? Wir haben doch schon eine Frau an der Spitze im Rathaus.

Werbinsky: Es geht ja nicht um meine Person als Frau, sondern grundsätzlich um eine Veränderung. Ich denke, die Leitung einer Verwaltung muss auch mal klare Worte sprechen oder auf den Tisch hauen. Ich höre immer wieder, dass es in der Verwaltung nicht richtig läuft…

Emscherblog:  …was meinen Sie denn da konkret?

Werbinsky: Da möchte ich jetzt nicht ins Detail gehen, aber es ist nun mal Fakt, dass ich oft darauf angesprochen werde und auch Leute sich beschweren. Wir haben ja allein hier in Holzwickede im HSC rund 750 Mitglieder und da höre ich schon das eine oder andere. Nur ein Beispiel: Es wird schon seit Jahren immer wieder von unseren Mitgliedern und auch Übungsleiterinnen darauf hingewiesen, dass die Heizungen in den Vorräumen und Toiletten der Sporthallen im Sommer auf Hochtouren laufen, auch jetzt gerade wieder. Ich weiß nicht, wie oft wir darauf schon hingewiesen haben, aber es ändert sich nichts. Entweder man will es nicht oder man kann es nicht. Ich weiß nicht, woran es liegt. Oder der Müll in der

„An der Hauptstraße wird beinahe wöchentlich der Rasen gemäht, wo das Gras auch gerne mal etwas höher stehen dürfte. Im Emscherpark sieht es dagegen teilweise aus wie Sau.“

-Susanne Werbinsky

Gemeinde… Da sammeln schon vereinzelt Bürger den Müll auf, weil sie es nicht mehr mit ansehen können. Auch als Antenne Unna unlängst das Thema aufgriff, war ganz klar der Tenor von allen Bürgern, die sich da meldeten: Die Gemeinde Holzwickede ist zu schmuddelig. Was ich auch an vielen Stellen sehe. Da weiß ich nicht, ob die Prioritäten richtig gesetzt sind. An der Hauptstraße wird beinahe wöchentlich der Rasen gemäht, wo das Gras auch gerne mal etwas höher stehen dürfte. Im Emscherpark sieht es dagegen teilweise aus wie Sau. Aber natürlich ist nicht alles schlecht, was die jetzigen Bürgermeisterin macht. Sie macht grundsätzlich ja auch vieles richtig. Dafür bewundere ich Ulrike Drossel auch, dass Sie es so gut geschafft hat. Es war ja mit Sicherheit nicht so einfach für Sie im neuen Amt und das würde auch für mich nicht leicht, weil man sich in eine ganz neue Materie einarbeiten muss. Aber ich kann sagen durch meine Arbeit hier beim HSC, dass es sehr wichtig ist, als echtes Team zu arbeiten. Doch man muss seine Mitarbeiter auch einschätzen können und führen. Ich übe ja hier auch Verwaltungstätigkeiten aus und habe über 50 Mitarbeiter, also nur allein die Trainer gerechnet.

Emscherblog: Sie sehen also schon eine Notwendigkeit etwas in der Verwaltung zu ändern?

Werbinsky: Natürlich, ich persönlich und auch meine Partei Die Grünen sehen viele Möglichkeiten, etwas zu verbessern. Sei es auch nur in der öffentlichen Wahrnehmung. Ein Beispiel: Ich habe monatelang nichts mehr von den Energienetzen gehört. So etwas ärgert mich einfach. Da hätte man vielleicht schon viel aktiver sein können. Möglicherweise ist ja sogar etwas passiert. Darüber könnte man die Bürger aber besser informieren und erklären, was wann passiert.

Emscherblog: Die Grünen sind bundesweit im Aufwind, wenn man den Umfragen glauben darf. Bei der vorigen Wahl haben Die Grünen auf eine eigene Kandidatur für das Bürgermeisteramt verzichtet. Glauben Sie, dass sich das aktuelle Umfragehoch bei der Wahl im September auf lokaler Ebene widerspiegelt und Sie als Kandidatin der Grünen eine echte Chance haben, die nächste Bürgermeisterin von Holzwickede zu werden?

Werbinsky: Auf jeden Fall. Ich habe vor allem auch große Lust, dieses Amt auszuüben und will diese Wahl unbedingt gewinnen. Was den Verzicht auf eine eigene Kandidatur bei der vorigen Wahl angeht: Manchmal passt es einfach nicht in einer Gruppe, einer Partei, so dass man aus voller Überzeugen sagen kann: Ich will… Das war vor der letzten Wahl so. Dass es Diskrepanzen gab, wäre zu viel gesagt. Aber eine Gruppe entwickelt sich ja auch. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der bundesweite Trend der Grünen uns hier in Holzwickede unbedingt hilft, weil wir hier doch andere Themen und Projekte haben. Obwohl es da natürlich auch große Übereinstimmungen gibt. Den Bau von Photovoltaikanlagen bei Neubauten haben wir beispielsweise auch in Holzwickede schon immer gefordert. Beim neuen Rat- und Bürgerhaus wird es ja gemacht. Aber beim Schulzentrum haben wir riesig dafür kämpfen müssen.

Emscherblog: Was würden Sie denn als Ihre Stärken bezeichnen, die Sie ins Amt mitbringen?

Werbinsky: Eine meine Stärken ist auf jeden Fall, dass ich anpacken will und kann. Ich denke schon, dass ich auch Führungsqualitäten habe. Denn nicht umsonst hält man so viele Übungsleiter, aktuell sind es genau 53, über so viele Jahre zusammen. Das ist heute wichtiger denn je, die Führungsqualitäten richtig zu setzen, auch in Unternehmen. Es geht nicht, einfach etwas anzuweisen und keinen Hintergrund zu bieten. Die vielen Gespräche, die ich dazu hier habe, sind aber notwendig, auch wenn unsere Übungsleiter alle frei verantwortlich sind. Doch es muss jemand da sein, der sie steuert. In allen Vereinen fehlen die Übungsleiter. Das liegt daran, dass sie dort nicht genügend geführt, gelobt, bedient und bezahlt werden. Mein Verständnis von Führung ist, dass man vielleicht auch mal schaut, wo jemand besser aufgehoben ist und wo seine Stärken sind.

Emscherblog: Dennoch fehlt Ihnen die Erfahrung in einer Kommunalverwaltung. Sehen Sie das als problematisch an?

Werbinsky: Ich habe ja hier Verwaltungserfahrung als Leiterin der Gesundheitssportabteilung des HSC mit rund 800 Mitgliedern und stellvertretende Vorsitzende des HSC mit fast 2.000 Mitgliedern. Im Übrigen bin ich auch für die Finanzen meiner Abteilung zuständig und muss jedes Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Klar, das ist keine Kommunalverwaltung, trotzdem denke ich, dass ich das eine oder andere ansprechen kann, was ich so gehört habe. Aber ich will ja auch gar nicht die Chefin heraushängen lassen. Wichtig ist, mit den Menschen zu kommunizieren. Ich bin auf jeden Fall ganz nah bei den Bürgern und das werde ich auch weiterhin sein. Das ist einfach ganz wichtig für einen solchen Ort wie Holzwickede und das sollen die Menschen auch erwarten von mir.

Emscherblog: Jetzt haben wir über Ihre Stärken gesprochen. Was würden Sie als Ihre Schwächen bezeichnen?

Werbinsky: Ich bin, ehrlich gesagt, kreativ-chaotisch. Mein Pressesprecher sagt auch ständig: Sei nicht immer so ehrlich. Wobei ich chaotisch jetzt nicht im Sinne von unorganisiert, sondern kreativ meine. Ich habe manchmal zu viele Ideen gleichzeitig im Kopf, die ich gerne umsetzen möchte. Manchmal bin ich auch einfach zu emotional. Dann schlägt schon mal meine Stimme um, wenn ich richtig betroffen bin. Das ist nicht immer gut in diesem Geschäft. Andererseits möchte ich aber auch keine typische Politikerin sein, die unerreichbar erscheint. Ich will immer da sein für die Menschen.

Emscherblog: Sie sind die Kandidatin der bislang viertstärksten politischen Kraft in Holzwickede. Ist es ein Nachteil für die Arbeit einer Bürgermeisterin, wenn sie einer eher kleineren Oppositionspartei angehört? 

Werbinsky: Grundsätzlich ist es ja nicht so, dass eine Bürgermeisterin alles allein bestimmen kann. Es bestimmt vielmehr der Rat mit den gewählten Ratsmitgliedern, also letztendlich die Bürger. Ich sehe die Funktion der Bürgermeisterin allerdings auch nicht so, dass sie ihre persönlichen politische Denkweise nicht umsetzen darf. Zum Beispiel würde ich bei den Klausurtagungen den Fraktionen immer auch eigene Vorschläge präsentieren. Die Gespräche laufen in diesem Rahmen ja doch etwas anders ab als in den politischen Gremien und man kann möglicherweise leichter Zustimmung für den einen oder anderen Vorschlag erhalten.

Emscherblog: Sind Sie jemand der eher Interessen ausgleicht oder polarisiert?

Werbinsky: Nein, nein, ich bin kein polarisierender Mensch. Das will ich auch nicht sein. Ich bin schon jemand, der Menschen eher zusammenführt. Das heißt, ich höre mir an, worum es geht und wäge dann meine Entscheidung ab, was ich als Bürgermeisterin sowieso tun müsste. Ich bin aber ganz weit davon entfernt, etwas zu vertreten, von dem ich nicht überzeugt bin. Wenn ich nicht hinter einer Entscheidung stehen kann, würde ich sie auch nicht vertreten. Das gilt selbstverständlich für meine eigene Partei. Als Bürgermeisterin wäre ich ja für alle Holzwickeder da, nicht nur für die Wähler der Grünen. Das heißt natürlich auch, dass ich kompromissbereit sein muss gegenüber anderen Fraktionen.

Emscherblog: Unterstellt, Sie würden zur Bürgermeisterin gewählt: Welche Maßnahmen hätten für Sie Priorität in diesem Amt? 

Werbinsky: Ich glaube, als erstes würde ich mit allen Gruppen in der Gemeinde sprechen wollen. Ganz konkret würde ich die Jugend gerne mehr mitsprechen lassen. Das fehlt mir bisher so ein wenig. Klar, es gibt den Ortsjugendring als Vertretung. Aber ich glaube immer noch, dass unsere Jugend nicht in jeder Hinsicht voll akzeptiert wird. Ich würde die Jugendlichen auf jeden Fall mehr in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Sie könnten noch viel mehr bewirken als bisher. Ich sehen das ja auch schon bei den jungen Leuten, mit denen ich hier zu tun habe. Von denen kommen so tolle Impulse und wichtige Ideen in das Team. Meine junge

„Ich würde die Jugendlichen auf jeden Fall mehr in Entscheidungsprozesse einbeziehen.

– Susanne Werbinsky

Kollegin Anna zum Beispiel, eine 19-jährige Politikstudentin, hat es sogar geschafft, mich zu Instagram zu bringen. (lacht) Was ich meine: Die jungen Leute geben Impulse, auch mal Neues zu versuchen oder anders an eine Sache heranzugehen. So etwas ist wichtig und das sollten wir unbedingt aufnehmen. Aber auch den Seniorenbeirat finde ich klasse. Auch wenn man nicht immer alles gut findet, aber die Mitglieder machen wenigstens etwas. Das finde ich wichtig und würde den Seniorenbeirat deshalb auch immer unterstützen. Mit Rat und Tat, Wir für Holzwickede oder die Flüchtlingsinitiative – diese vielen verschiedenen ehrenamtlichen Gruppen sind eine Stärke von Holzwickede. Das sind wertvolle Initiativen, die zum Wohlergehen der Menschen hier in der Gemeinde beitragen. Ich würde auch wieder einen Neubürgertag einführen. Weil ich möchte, dass jeder, der sich entscheidet, hier in der Gemeinde sesshaft zu werden, von Anfang an integriert wird.

Emscherblog: Müssen sich die Holzwickeder, wenn es eine Bürgermeisterin der Grünen geben sollte, darüber hinaus auch auf solche Dinge wie Parkgebühren, keinen Straßenbau, Protest gegen den Flughafen Dortmund oder eine Wildblumenwiese statt Parkplätzen auf dem Marktplatz vor dem neuen Rathaus einstellen?

Werbinsky: Auf die Wildblumenwiese ganz sicher… das ist ja Trend hoch drei und absolut notwendig. Das wissen ja hoffentlich inzwischen alle. Ich bin auch ganz klar gegen die Ostumgehung. Das ist ja auch das Thema, weshalb ich seinerzeit zu den Grünen gekommen bin…

Emscherblog: Die Ostumgehung müssten Sie aber als Bürgermeisterin mitvertreten…

Werbinsky: Ja, das ist richtig. Ich werde wohl weiterhin gegen die Ostumgehung sein, aber könnte als Bürgermeisterin natürlich nicht auf die Entscheidung gegen den Bau einwirken. Denn es ist richtig, dass ich als Bürgermeisterin gar nicht an so vielen Stellschrauben drehen kann, weil ich gar nicht die Handhabe dazu habe. Das letzte Wort hat immer der Gemeinderat. Ich kann also nur hoffen, dass sich der Bau noch etwas hinzieht, weil die Gerichte noch über die Klage der Anwohner entscheiden müssen.

Emscherblog: Dann mal ganz konkret gefragt: Wie stellen Sie sich die Entwicklung der Gemeinde vor, verkehrspolitisch oder hinsichtlich neuer Gewerbe- und Wohngebiete?

Werbinsky: Gewerbeansiedlungen sind natürlich sehr wichtig, aber man kann sie auch nur begrenzt steuern. Mit dem Rausinger Feld haben ja auch wir Grünen schon zum Ausdruck gebracht, dass wir durchaus auch für die Ausweisung neuer Gewerbeflächen sind.

Emscherblog: Gilt das auch für neue Wohngebiete?

Werbinsky: Da muss man genau schauen. Grundsätzlich bin ich bei Wohngebieten zunächst dafür, Baulücken zu schließen oder alten Wohnbestand zu sanieren. Große neue Wohnbaugebiete lehne ich ab. Ich kann mir im Moment auch gar nicht vorstellen, wo wir ein großes Neubaugebiet noch ausweisen könnten, außer vielleicht westlich der Hauptstraße. Aber das würden wir Grünen auf gar keinen Fall unterstützen. Es ist doch auch so, dass neue Baugebiete gar nicht so attraktiv für alle sind. Das höre ich jetzt auch von meinen beiden erwachsenen Töchtern. Die wollen doch überhaupt nicht in ein neues Baugebiet wie Caroline oder Wohnpark Emscherquelle ziehen, sondern lieber in einen schönen Altbau. Solche neuen Wohngebiete sind vielen Menschen einfach zu steril und uniform. Den Wohnpark Emscherquelle haben wir als Grüne abgelehnt, weil die verkehrliche Anbindung einfach unzureichend ist. Das sagen mir übrigens nicht nur die unmittelbaren Anwohner, sondern auch ganz viele der Bürger, die gerade die Landskroner Straße nicht mehr nutzen können.

Emscherblog:  Ist das nicht ein Widerspruch? Neue Wohn- und Gewerbegebiete brauchen auch neue Straßen. Genau die wollen die Grünen nach eigener Aussage aber möglichst nicht mehr bauen.

Werbinsky: Ich sage ja nicht, dass wir grundsätzlich keine neuen Straßen mehr bauen dürfen. Es geht ja nur um Bundes- oder Landesstraßen wie die Ostumgehung (L677n). Die geht für mich gar nicht, weil da einfach nur Fläche versiegelt wird, ohne dass wir in Holzwickede etwas davon haben. Aber ich könnte es mir tatsächlich vorstellen, dass wir vielleicht im Westen über die Schäferkampstraße mit der Bahn eine Lösung finden, entweder unter der Bahn durch oder mit einer Brücke darüber. Das müsste einmal näher untersucht werden. Warum sollte das dann nicht erschlossen werden?

Emscherblog: Also keine Ost-, sondern eine Westumgehung?

Werbinsky: Nein, keine Umgehungsstraße, sondern einfach nur der Ausbau einer bereits vorhandenen Straße, ähnlich wie bei der Montanhydraulikstraße. Deren Ausbau befürworten wir Grünen ja auch. Das ist ein guter Schritt zur innerörtlichen Verkehrsentlastung und könnte schon die Lösung für die Verkehrsprobleme auf der Haupt- und Nordstraße sein.

Emscherblog: Das sehen die Verkehrsplaner allerdings anders…

Werbinsky: Mag sein, aber die haben auch nicht immer recht, weil sie vielleicht den Ort nicht richtig kennen. Auf der Sölder Straße haben die Gutachter ja auch gesagt: Anhand der Zahlen gibt es kein Problem auf der Sölder Straße.

Emscherblog: Was ist denn Ihrer Ansicht nach dort das Problem?

Werbinsky: Dort gibt es jetzt schon zuviel Quell- und Zielverkehr und künftig durch den Wohnpark sowieso. Das haben die Verkehrsplaner angeblich anhand der Zahlen widerlegt. Aber die Anwohner widersprechen da. Weil die Landskroner Straße zurzeit nicht befahren werden kann, merken das gerade noch sehr viel mehr Holzwickeder. Ich sehe ja selbst jeden Morgen, wie viele Autos in die Sölder Straße abbiegen, um in Richtung Dortmund zu fahren. Grundsätzlich bin ich eher dafür, vorhandene Straßen so auszubauen, dass der Verkehr ordentlich abfließen kann, anstatt neue Straßen zu bauen. Aber geht ja nicht nur um den Auto- oder Individualverkehr. Man könnte ja vielleicht auch ein paar Sharing-Fahrzeuge bereitstellen, die dann von mehreren Personen genutzt werden. Wir müssen unsere Verkehrspolitik vielleicht auch mal ganz anders angehen: Ich war vor ein paar Tagen in einem kleinen Örtchen an der

„Grundsätzlich bin ich eher dafür, vorhandene Straßen so auszubauen, dass der Verkehr ordentlich abfließen kann, anstatt neue Straßen zu bauen.“

-Susanne Werbinsky

holländischen Grenze. Da gibt es gleichberechtigen Verkehr, das heißt Radfahrer, Fußgänger und auch Pkw bewegen sich alle gleichberechtigt in einem Straßenraum. Da müssen Autofahrer sich zurücknehmen. Das würde ich am liebsten auch in Holzwickede einführen, denn Holzwickede ist eigentlich kein Durchgangsort, wie ich finde. Die Gemeinde soll sich im Kern entwickeln können, doch das kann sie nicht, wenn sie weiterhin Durchgangsort ist. Ich würde lieber im Kern Aufenthaltsqualität schaffen, auch auf der Hauptstraße. Bei unseren Radwegen, die wir jetzt haben, muss man doch jeden Tag Angst haben, dass man umgefahren wird.

Emscherblog: Allerdings ist die Hauptstraße eine Landstraße, für die die Gemeinde Holzwickede nicht zuständig ist.

Werbinsky: Da ist leider richtig. Aber kann man da nicht auch mal Gespräche führen über Veränderungen? Was heute ist, muss ja nicht für alle Zukunft gelten. Vielleicht ändert sich daran noch etwas. Man muss auch Visionen haben.

Emscherblog: Da wir gerade bei Visionen sind: Wie ist denn Ihre Vision zur künftigen Finanzpolitik der Gemeinde. Sehen Sie da überhaupt noch Spielräume für Investitionen?

Werbinsky: Ich bin gegen einen rigorosen Sparkurs, der keine Investitionen mehr vorsieht. Ich glaube auch, trotz Corona, dass dies bei uns noch möglich ist, weil es nicht so brennt. Was mich aber wirklich jedes Mal erschreckt, ist die Höhe der differenzierte Kreisumlage. Das ist ja eine Stellschraube, die wir selbst in der Hand haben und an der wir noch etwas drehen können. Indem wir zum Beispiel versuchen, Kinder sozial besser aufzufangen. Damit es erst gar nicht passiert, dass sie aus den Familien genommen werden oder dass Jugendliche in einem Jugendhaus wohnen müssen. Deshalb müssen auch die Sozialarbeiter oder Angebote wie die Beratungsstelle für junge Mütter am Ort erhalten bleiben oder ausgebaut werden. Damit diese Sozialfälle, vornehmlich in der Jugendarbeit, erst gar nicht passieren, und die differenzierte Kreisumlage immer weiter steigt. Klar, das ist mit Sicherheit sehr schwierig umzusetzen und man muss dafür auch Geld in die Hand nehmen.

Emscherblog: Verstehe ich das richtig, dass Sie dafür plädieren, die Jugendarbeit vom Kreis zurückzuholen? Es gab ja schon mal Überlegungen, dass die drei Kommunen Holzwickede, Fröndenberg und Bönen ihre Jugend- und Familienpolitik in eigener Regie organisieren könnten.

Werbinsky: Ich bin da wirklich unschlüssig, ob wir nicht als Gemeinde wieder selbst mehr Jugendarbeit übernehmen sollten. Da habe ich zu wenig Zahlen. Dann hätten wir vielleicht mehr Möglichkeiten etwas umzusetzen und es wäre am Ende sogar preiswerter. So ein Jugendzentrum wie den Treffpunkt Villa könnten wir sicher auch mit eigenen Gruppen am Ort organisieren. Da braucht man nicht unbedingt ein riesiges Kreis-Jugendamt. Ich würde mir manchmal auch mehr Sozialarbeit auf den Straßen und Plätzen wünschen, etwa im Emscherpark. Das ist ein Thema, was ich gerne anpacken würde. Manchmal gibt es auch Fördermittel für solche Ansätze. Vor ein paar Tagen war ich zum Beispiel an der Skateranlage am Treffpunkt Villa und habe dort mit Jugendlichen gesprochen. Die hingen da nur herum und waren nicht so richtig begeistert von der Anlage. Es lag überall wahnsinnig viel Müll herum. Ich sage nicht, dass die Gemeinde darauf nicht achtet, den Müll produzieren die Jugendlichen schließlich selbst. Aber vielleicht sollte man einfach mal sagen: „Passt auf, das ist doch hier euer Ding. Hier habt ihr 1.000 Euro und macht etwas daraus.“ Wenn die Jugendlichen etwas aus eigener Initiative machen, werden sie es in der Regel auch hinterher besser hüten, ist meine Erfahrung. Unsere Plakatwände in der Unterführung, die mit Hilfe von Schülern erstellt wurden, sind zum Beispiel noch nie verunstaltet worden.

Emscherblog: Kommen wir einmal zu einem anderen Thema zurück. Wie sehen Sie die Gemeindeverwaltung aufgestellt?

Werbinsky: Ich möchte da jetzt keine generelle Kritik äußern. Deshalb nur ein Beispiel: Digitalisierung ist ja gerade ein großes Thema, das auch bei der Gemeinde umgesetzt wird. Die Formulare für die Wahl, die wir als Kandidaten ausfüllen müssen, das ist eine ziemliche Bürokratie. Allein für die Bürgermeisterwahl sind es drei Formulare mit teils fünf Unterblättern. Für jeden Kandidaten sind es dann nochmal fünf Blätter, allerdings auch mit Erklärungen. Diese Formulare kann man Computer ausfüllen, die sehen auch schön aus — aber bei einem dieser Formulare funktioniert das eben nicht. Also habe ich im Rathaus angerufen und es hieß: Ja, dieses Formular kann man leider nicht am Computer bearbeiten. Ich denke, dass man die Bürokratie sicher noch mehr digitalisieren und einfacher machen kann, etwa auch bei den Anträgen für den Personalausweis. Aber da sind wir ja auch schon dabei, so dass man künftig vielleicht mehr Dinge im Internet erledigen kann. Eine Sache, worauf ich aber gerade erst erneut angesprochen wurde: Die Internetseite der Gemeinde ist dringend zu überarbeiten. Da frage ich mich wirklich, warum sieht das niemand in der Verwaltung? Für mich ist die Gemeindeseite auch nicht okay, weder inhaltlich noch optisch. Ich selbst habe zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe ankündigen wollen, die sich über mehrere Termine erstreckt. Nach Rücksprache mit der Verwaltung stellte sich dann heraus, dass jeder einzelne der Termine von mir gesondert eingegeben werden muss in den Veranstaltungskalender. So etwa ließe sich sicherlich wie überall automatisieren. Bei aller Digitalisierung darf aber auch der persönliche Kontakt zum Bürger nicht fehlen. Deshalb ist das Bürgerbüro auch wichtig. Denn es gibt viele Bürger, vor allem unter den Senioren, die lieber persönlichen Kontakt haben, um ihre Angelegenheiten zu erledigen.

Emscherblog: Noch eine Frage zum Abschluss: Wenn Sie zur Bürgermeisterin gewählt werden sollten, muss die Belegschaft im Rathaus dann fürchten, dass die ehemalige Gesundheitssportmanagerin des HSC auch Frühsport im Rathaus einführt?

Werbinsky (lacht): Auf jeden Fall würde ich BGM (Betriebliches Gesundheits-Management) einführen. Erstens wird das super gefördert. Zweitens kann es die Mitarbeiter motivieren und zusammenbringen. Das weiß ich, weil wir  Betriebssport-Maßnahmen schon oft für den Kreis Unna oder andere Firmen  durchgeführt haben. Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, auch einen Tag der Gesundheit einzuführen oder Ruheräume zur Entspannung im neuen Rathaus einzurichten.

Emscherblog: Vielen Dank für das Gespräch.  

Susanne Wwerbinsky


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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