Sozialwirtschaft droht der Kollaps: AWO Ruhr-Lippe-Ems schließt sich Forderungen der Freien Wohlfahrtspflege an
In einem offenen Brief an Ministerpräsident Wüst hatte die Freie Wohlfahrtspflege NRW Anfang Juni auf die allgemein angespannte Lage in der Sozialwirtschaft aufmerksam gemacht. Konkret geht es dabei um die „inflationsbedingt explodierenden Sachkosten und deutliche Tariferhöhungen“, heißt es in dem Brief. In dem Brief wird Ministerpräsident Wüst um Hilfe gebeten. Eine Antwort seitens des Ministerpräsidenten bis heute: Fehlanzeige.
Die AWO NRW hat mit ver.di einen Tarifabschluss vereinbart, der im Ergebnis dieselbe Erhöhung wie im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vorsieht (mehr dazu unter diesem Link). Für den AWO Unterbezirk Ruhr-Lippe-Ems bedeuten diese Erhöhungen, von denen rund 1.650 Mitarbeitende profitieren, allein im laufenden Jahr Mehrkosten in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro. Im kommenden Jahr entstehen tarifbedingte Mehrkosten mindestens in Höhe von rund 7,2 Millionen Euro.
Hilferuf an Ministerpräsident Hendrik Wüst bleibt unbeantwortet
„Wir freuen uns natürlich sehr für unsere Mitarbeitenden, dass wir zu diesem Tarifabschluss gekommen sind. Unsere Mitarbeitenden haben es sich durch ihren großartigen Einsatz mehr als verdient“, so Rainer Goepfert, Geschäftsführer der AWO Ruhr-Lippe-Ems. Gleichwohl sei es jetzt dringend nötig, für die Träger Klarheit in der Refinanzierung zu schaffen, so Goepfert weiter.
Die Refinanzierung dieser Mehrkosten ist bis dato nicht geklärt, was die Träger sozialer Einrichtungen vor große Herausforderungen stellt. „Das Problem zieht sich durch unser ganzes Dienstleistungsspektrum. Betroffen sind u.a. Kindertageseinrichtungen, die offenen Ganztagsschulen, Beratungsstellen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Wir benötigen dringend Klarheit, wie diese Mehrkosten refinanziert werden können“, appelliert Goepfert eindringlich. Da die so dringend benötigte Antwort ausgeblieben ist, hat die Freie Wohlfahrtspflege NRW eine alarmierende Pressemitteilung herausgegeben. Danach müsse damit gerechnet werden, „dass eine Vielzahl Kitas in NRW, ihre Anzahl der Gruppen reduzieren oder ihren Betrieb und damit die Betreuung der Kinder einstellen“ muss.
Allein im Kita-Bereich fehlen den Trägern 580 Mio. Euro
Der Grund: Allein im Kita-Bereich, und damit für die Kinder und Familien, fehlten „zeitnah 590 Millionen Euro“ im System. „Mit diesen Kosten werden die Träger für die nächsten 18 Monate alleine gelassen“, so Stephan Jentgens, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Tageseinrichtungen für Kinder der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Aber nicht alle werden in der Lage sein, das bis zur nächsten vorgesehenen Anhebung der Finanzierung durchzuhalten. Wir rechnen damit, dass, ohne Zwischenfinanzierung durch das Land und die Kommunen, in den kommenden 18 Monaten 50 Prozent der Träger in finanzielle Schwierigkeiten geraten, bis hin zur Insolvenz, auch weil Rücklagen nicht vorhanden, zu gering oder zweckgebunden sind.“