Skip to main content

Silvesterfeier im Extrablatt endet mit Schlägerei: Freispruch mangels Beweise

Es muss hoch hergegangen sein in der Silvesternacht 2019/20 im Extrablatt in Unna. Alle Beteiligten hatten reichlich dem Alkohol zugesprochen und einige von ihnen ganz klar auch zuviel: Statt friedlich nach Hause zu gehen, endete die Silvesterfeier in einer Schlägerei. Für einen der Beteiligten endete der Rutsch ins neue Jahr deshalb nur ein paar Stunden später im Krankenhaus. Vor dem Amtsgericht in Unna sahen sich gestern (30.7.) alle Beteiligten wieder – in deutlich friedlicherer Atmosphäre.

Auf der Anklagebank saß der 31 Jahre alte D. aus Holzwickede. Der Tatvorwurf: Körperverletzung. Er soll den 28jährigen K. in der Silvesternacht zu vorgerückter Stunde vor dem Café Extrablatt mit einem Faustschlag niedergeschlagen und den bewusstlos am Boden Liegenden auch noch gegen den Kopf getreten haben. So lautete Anklage, die sich in erster Linie auf die erste Aussage des Geschädigten bei der Polizei stützt.

Alle Beteiligte waren erheblich alkoholisiert

Ein halbes Dutzend weiterer Zeugen waren vorhanden. Doch offenbar hatte der Alkohol allen die Sinne derart vernebelt, dass jeder von ihnen gestern eine andere Version des Geschehens in der Verhandlung auftischte:

Der Angeklagte räumte ein, dass er den Geschädigten geschlagen habe und dieser daraufhin zu Boden gegangen sei. Allerdings will er „nur einmal mit der flachen Hand“ eine Ohrfeige verteilt haben. „Weil er mich bedrängt hat, da habe ich mich bedroht gefühlt.“ Als K. daraufhin umfiel, will der Holzwickede sich abgewandt und weggegangen sein.

Entzündet habe sich der Streit, weil D. die damalige Freundin von K. mehrfach angesprochen und diese daraufhin verärgert reagiert habe. Stunden später will D. mit einem Kumpel draußen vor dem Extrablatt gestanden habe, als K. mit seiner Freundin nach draußen kam und auf ihn losgegangen sei.

Die Freundin (30 J.) von K. sagte aus, dass sie von D. in der Silvesternacht penetrant auf ihre umfangreichen Tattoos angesprochen worden sei, die seinen vom Stil her sehr ähnlich seien. Schließlich habe sie sich belästigt gefühlt und sich seine Anmache „vielleicht auch etwas ruppiger“ verbeten. Eine ganze Zeit später sei sie dann zum Rauchen vor die Tür gegangen und ihr damaliger Freund K. habe sie begleitet. Wenig später sei D. ihr mit einem Freund nach draußen gefolgt und nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung („Worum es dabei ging, weiß ich nicht.“)  habe sich eine Rangelei entwickelt.

Ihr Freund sei dabei ständig zurückgewichen und D. habe ihn wie „wie ein Boxer“ immer weiter zurückgedrängt und verfolgt. „Sein Freund hat mich festgehalten, weil ich dazwischen gehen wollte“, so die Freundin. „Aus etwa 30 Meter“ Entfernung, so die Freundin, habe sie dann gesehen, wie D. ihren Freund niedergestreckt habe und dieser bewusstlos auf den Boden fiel.

Jeder Zeuge mit anderer Version

Der Geschädigte K. sagte dagegen aus, dass er direkt vor dem Extrablatt im Beisein seiner Freundin von D. niedergeschlagen worden ist. Er habe mit seiner Freundin nach Hause gehen wollen, D. sei ihnen mit einem Freund gefolgt und habe seine Freundin beleidigt. „Was er gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Aber ich habe ihn gefragt, was das soll.“ Ein Wort habe das andere gegeben und D. habe ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen. „Ich bin ins Taumeln geraten und hingefallen.“ 

Überraschend zog K. dann einen wesentlichen Teil seiner Aussage bei der Polizei zurück: „Ich hatte da ausgesagt, dass er auch gegen meinen Kopf getreten hat. Daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Deshalb möchte ich das zurücknehmen. Das war nicht so.“ Auf Nachfrage von Richter Schaffernicht erklärte K. seinen überraschenden Rückzieher so: „Was nach dem Schlag passierte weiß ich nicht mehr. Als ich aufwachte, hatte ich eine blutende Kopfwunde. Da war es nur eine Schlussfolgerung von mir, dass ich getreten wurde.“  Immerhin war K. laut ärztlichem Attest nach dem Vorfall eine Woche krankgeschrieben und klagte noch wochenlang über Kopfschmerzen.

Geschädigter zieht Aussage teilweise zurück

„Es macht strafrechtlich einen erheblicher Unterschied“, erläuterte der Richter dem Angeklagte, ob er nur geschlagen oder auch noch gegen den Kopf getreten worden sei. Ein wesentlicher Anklagepunkt sei deshalb nach seiner Aussage gestern hinfällig. Ohnehin waren alle bisherigen Zeugenaussagen voller Widersprüche, wie der Richter feststellte. Weshalb die Einlassungen des Angeklagten, er habe in Notwehr gehandelt, kaum zu widerlegen seien.

Noch einen letzten Versuch startete das Gericht, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, und hörte einen unbeteiligten weiteren Zeugen, der weder zum Freundeskreis des Angeklagten noch des Geschädigten gehört. Der junge Mann, 21 Jahre alt und aus Werl, konnte sich bis allerdings an gar keine Einzelheiten mehr erinnern: „Es gab Streit wegen des Mädchens. Das einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist, dass einer den anderen getreten hat.“  Auf die Aussage vier weiterer Zeugen, die noch auf dem Flur warteten, verzichtete das Gericht anschließend.  

Nach dieser weiteren Version des Geschehens in der Silvesternacht waren sich immerhin die Anklagevertreterin und Verteidigerin einig und plädierten beide auf Freispruch, da der Tatvorwurf nicht erwiesen sei. So sah dann auch das Urteil von Richter Schaffernicht aus: „Die Einlassung des Angeklagten, dass er sich nur verteidigt und in Notwehr gehandelt sind, sind nicht zu widerlegen gewesen.“

Körperverletzung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert