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Die Ausgabestelle der Tafel in Holzwickede, hier ein Archivfoto, ist ab sofort nur noch alle 14 Tage geöffnet. Das Foto zeigt von li.: Willy Dorna, Wilfried Knoke, Bürgermeisterin Ulrike Drossel, Peter Strobel, die Tafel-Vorsitzende Ulrike Trümper, Gunther Siepmann und Andreas vom Lehn (Gemeinde Holzwickede) bei einer Lebensmittelausgabe in Holzwickede. (Foto: Archiv)

Opfer der Corona-Pandemie: Abgesang auf das System der Tafelausgabe

Freude über die unbürokratische und schnelle Zwischenlösung für die Holzwickeder Tafelkunden, v.l. Willy Dorna, Wilfried Knoke, Bürgermeisterin Ulrike Drossel, Peter Strobel, Tafel-Geschäftsführerin Ulrike Trümper, Gunther Siepmann und Andreas vom lehn (Teamleiter Soziale Dienste) bei der vorläufig letzten Lebensmittelausgabe heute in Holzwickede. (Foto: Gemeinde Holzwickede)
Die Ausgabestelle der Tafel in Holzwickede, hier ein Archivfoto aus besseren Zeiten, ist auf unabsehbare Zeit geschlossen, v.l. Willy Dorna, Wilfried Knoke, Bürgermeisterin Ulrike Drossel, Peter Strobel, Tafel-Vorsitzende Ulrike Trümper, Gunther Siepmann und Andreas vom Lehn (Teamleiter Soziale Dienste) bei einer Lebensmittelausgabe in Holzwickede. (Foto: Archiv)

Die Corona-Krise und das damit einhergehende Kontaktverbot trifft derzeit alle von uns. Doch wie so oft sind es wieder die Ärmsten und Schwächsten, die in unserer Gesellschaft stärker als andere betroffen sind: So ist das System der Tafeln, an denen die Ärmsten vergünstigt Lebensmittel bekommen können, mit dem Auftauchen des Covid-19 Virus komplett zusammengebrochen. Nicht nur die Ausgabestelle Holzwickede ist dicht. Ob die Tafeln nach der Pandemie überhaupt jemals wieder so funktionieren können wie vor der Corona-Krise – daran zweifeln auch langjährige ehrenamtliche Helfer wie Gunther Siepmann.

„Wir haben ja auch schon vor Corona immer weniger Lebensmittel bekommen“, bestätigt Siepmann, Helfer der ersten Stunde an der Holzwickeder Ausgabestelle der Tafel. Der Grund: Es bleiben immer weniger Waren übrig, weil viele Lebensmittelmärkte und -discounter dazu übergegangen sind, ihre Warenumsätze schärfer zu kalkulieren. „Die Filialleiter stehen zunehmend unter Druck“, ist der Eindruck von Gunther Siepmann. Er kennt Filialen, in denen neuerdings regelmäßig nach Ladenschluss ein Disponent kontrolliert, was an Waren nicht verkauft wurde. „Bleibt zuviel übrig, muss am anderen Tag weniger bestellt werden.“  

Immer weniger Waren – auch schon vor Corona

Auf das Problem, dass immer weniger Waren für die Tafeln übrig bleiben, hatte Ulrike Trümper, die Geschäftsführerin der Tafel Unna, der die Ausgabestelle Holzwickede angeschlossen ist, schon vor Corona in einem Rundschreiben hingewiesen.  Hinzu kommt, dass durch Hamsterkäufe in der Corona-Krise das Warenproblem weiter verschärft wurde. „Es sieht schlecht aus“, bestätigt Gunter Siepmann und nennt ein Beispiel. „Zuletzt war es echt knapp. Was noch rausgestellt wird, ist viel zu wenig. Sonst haben wir etwa bei Lidl zehn bis 20 Kisten abholen können, beim letzten Mal waren es nur noch fünf Kisten.“

Noch viel problematischer als die rückläufigen Warenüberschüsse sind für die Tafel aktuell jedoch die Auflagen und Einschränkungen., die mit der Corona-Krise verbunden sind „Wir haben keine Mitarbeiter mehr, die herumfahren, Lebensmittel einsammeln, sortieren und ausgeben können. Darum hat es von der Zentrale in Berlin die Empfehlung gegeben, bundesweit alle Tafeldienste einzustellen“, bestätigt Gunther Siepmann.  „Mit dieser Situation sind auch viele von uns ehrenamtlichen Helfern überhaupt nicht zufrieden“, räumt Siepmann ein. „Wir haben schon überlegt, ob wir vielleicht eine Ausgabe improvisieren können und natürlich auch Rücksprache mit Ulrike Trümper in Unna gehalten. Doch es gibt keine Chance.“

„Mit dieser Situation sind auch viele von uns ehrenamtlichen Helfern überhaupt nicht zufrieden.“

– Gunther Siepmann

Die Gefahr ist einfach zu groß: An dem Umstand, dass die meisten Ehrenamtlichen der Gruppe Mit Rat und Tat in Holzwickede schon recht alt sind und zur Risikogruppe bei Corona-Infektionen gehören, führt kein Weg vorbei. „Wir hätten ja auch nicht einmal mehr eine Ausgabestelle, weil das Gemeindehaus ebenfalls geschlossen ist“, erinnert Gunther Siepmann. Und dann wäre da ja noch das Problem der knappen Lebensmittel.   

Am vergangenen Freitag war Gunther Siepmann noch einmal in dem kleinen Lager der Tafel-Ausgabe in Holzwickede, um zu sehen, welche Lebensmittel überhaupt noch da sind und welche abgelaufen sind oder kurz davor stehen. „Es waren nicht mehr viele Lebensmittel. Was noch da war, habe ich mir ins Auto gepackt und verteilt.“

Wobei sich ein weiteres Problem zeigte: „Wir kennen die Adressen unserer Kunden nicht, könnten ihnen also nicht einmal die Lebensmittel liefern, wenn wir das wollten“, meint Siepmann. „Und selbst wenn: Wir könnten ja schlecht nur einigen auserwählten Kunden etwas bringen, anderen aber nichts.“  Gunter Siepmann ist am Freitag mit den letzten Paketen zur Bahnhofstraße 11 gefahren und hat die Lebensmittel dort an vier Bewohner verteilt, die er angetroffen hatte.

Tafel-Klientel auf Spenden angewiesen

Das war’s dann mit der Tafel-Ausgabe Holzwickede – auf vorerst unbestimmte Zeit.

Für ihre bedürftige Kundschaft haben die Tafel-Helfer nur wenig Hoffnung: „Wir können unsere Kunden nur an das Sozialamt verweisen, das zuständig ist“, habe die Tafel-Vorsitzende Ulrike Trümper geraten, sagt Siepmann. „Angeblich soll es auch über die Bürgerstiftung Geld geben, das dort beantragt werden kann. Das wäre wohl die beste Lösung jetzt: Geldspenden für die Bedürftigen.“

Beim Sozialamt der Gemeinde dürfen Tafel-Kunden allerdings keine zusätzliche Hilfe erwarten, bedauerte Fachbereichsleiterin Stefanie Heinrich auf Nachfrage. „Wir können natürlich kein Essen oder zusätzliches Geld für Lebensmittel anbieten. Mit dem Geld, was wir an die Hilfeempfänger auszahlen, ist der Lebensunterhalt insgesamt gedeckt. Es ist sehr schade in der aktuellen Situation, aber im Regelsatz ist auch das Geld für den Einkauf von Lebensmitteln enthalten.“  

Darüber hinaus gebe es für das Sozialamt aber auch ein praktisches Problem: „Wir wissen ja gar nicht, wer normalerweise zur Tafel geht und wer nicht.“  

Corona-Krise, Tafel


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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