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Offener Brief an einen mutmaßlichen Bankräuber

 

Das von mir nachträglich gepixelte Fahndungsfoto der Polizei Dortmund.
Das von mir nachträglich gepixelte Fahndungsfoto der Polizei Dortmund.

Heute möchte ich ausnahmsweise einmal in eigener Sache hier im Emscherblog.de berichten. Pünktlich zum Jahreswechsel erreichte mich eine E-Mail, die sich auf einen öffentlichen Fahndungsaufruf der Polizei bezieht, den ich hier und  zu dem ich noch einmal einen Folgebeitrag  hier im Emscherblog veröffentlicht habe. Zu diesen beiden Beiträgen erreichte mich zum Jahreswechsel eine E-Mail des gesuchten mutmaßlichen Täters, die ich als unveränderten Screenshot nachfolgend veröffentliche (lediglich die  Absenderadresse habe ich unkenntlich gemacht).

Screen
Zum Vergrößern bitte anklicken.

Ich habe mich daraufhin entschlossen, dem Absender hier im Emscherblog in einem offenen Brief zu antworten:

Guten Tag,
nicht verehrter (mutmaßlicher) Straftäter,

die Einschränkung „mutmaßlich“  habe ich an dieser Stelle gewählt, weil, wie Ihnen bekannt sein dürfte, in unserem Land jeder solange als unschuldig zu gelten hat, bis er von einem ordentlichen Gericht abgeurteilt worden ist. Dies steht Ihnen meines Wissens nach aber erst noch bevor, da die deutsche Justiz bekanntlich langsam arbeitet, da sie vielfach überlastet ist.

Ihre E-Mail, die mich pünktlich zu Jahresbeginn erreicht hat, und in der Sie mir auf doch recht unfreundliche Art unterstellen, ich würde Ihre Persönlichkeitsrechte verletzen, hat mich beinahe sprachlos gemacht. Offenbar sind sie einer Verwechslung aufgesessen: Ich betreibe nicht die Suchmaschine Google, sondern den Emscherblog. Neben einigen weiteren kleinen Marginalien unterscheidet sich mein Blog von Google unter anderem dadurch, dass es im Emscherblog wie im richtigen Leben kein Recht auf Vergessen gibt. Jedenfalls keines, was ohne das Zauberwort mit fünf Buchstaben und zwei „T“ in der Mitte zu bekommen wäre.

Ihre Drohung mit einer Anwältin lässt mich kalt. Da Sie offenbar sehr auf die Wahrung Ihrer Persönlichkeitsrechte bedacht sind, sollten Sie vielleicht in Erwägung ziehen, künftig wie jeder anständige Räuber eine Maske zu tragen.

Wenn ich trotzdem Ihr Konterfei auf den Fahndungsfotos im Nachhinein in meinem Blog unkenntlich gemacht habe, dann nicht, weil ich der Ansicht bin, dass Sie als relative Person der Zeitgeschichte darauf ein Anrecht hätten, sondern weil ich  Ihnen demonstrieren will, dass ich Ihre E-Mail trotz des feindseligen Tons keineswegs persönlich nehme und der ehrlichen Überzeugung bin, dass auch (mutmaßliche) Straftäter aus Resozialisierungsgründen der Vergessenheit anheimfallen können sollten – auch ohne umständlich Juristen bemühen zu müssen.

Gewundert hat mich allerdings die Chuzpe, mit der jemand, der (mutmaßlich) eine Bank überfallen hat, sich anschließend darüber beklagt, dass das Fahndungsfoto von ihm seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Liegt es vielleicht daran, dass der Fahndungsdruck durch die Veröffentlichung in allen Medien plötzlich so groß wurde, dass Sie sich freiwillig gestellt haben? Haben Sie sich eigentlich jemals Gedanken darüber gemacht, was mit den  Persönlichkeitsrechten der Bankmitarbeiter passiert ist, die sie (mutmaßlich) bedroht und überfallen haben?

Aus diesem Grunde hoffe ich aufrichtig, dass Ihnen tatsächlich noch „irgendwelche nachteile endstehen“ werden, wie Sie mir schreiben – wenn sie das nicht schon sind. Denn das wäre ja noch schöner, wenn jemand eine Bank überfällt und er anschließend keinerlei Nachteile zu zeitigen hätte.

Peter Gräber
Emscherblog.de

P.S: Ich möchte Ihre E-Mail zum Anlass nehmen, um auf ein Verständnis von Persönlichkeitsrecht aufmerksam zu machen, das mich wirklich als Journalist ärgert. Wie die allgemeine Erfahrung und insbesondere Ihr konkreter Fall zeigt, ist die Öffentlichkeitsfahndung mit Fahndungsfotos ein sehr zielführendes Instrument. Leider können die polizeilichen Ermittler ein Fahndungsfoto nach gängiger Rechtsauffassung in Deutschland erst dann veröffentlichen, wenn dazu ein richterlicher Beschluss vorliegt. Das umständlich Verfahren führt dazu, das nicht selten einige Monate zwischen der Tat und der Veröffentlichung eines Fahndungsfotos liegen. Auch viele polizeiliche Ermittler beklagen, dass hier wertvolle Zeit bis zu einer öffentlichen Fahndung verloren geht. In den meisten europäischen Nachbarländern, etwa in den Niederlanden, ist das anders geregelt und können Fahndungsfotos unverzüglich oder sehr zeitnah veröffentlicht werden. Für mich ist das ein gutes Beispiel dafür, wie in Deutschland mitunter die Rechte der Täter höher als die der Opfer gehängt werden.


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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