Neuregelung der Inklusion: Clara-Schumann-Gymnasium fürchtet Wettbewerbsnachteil
Durch einen Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung NRW regelt die Landesregierung die Ausrichtung der schulischen Inklusion neu. Gymnasien sind nach der neuen Regelung grundsätzlich keine Schulen des Gemeinsamen Lernens mehr und sollen von der Inklusion ausgeklammert werden. Das gilt allerdings nicht für das Clara-Schumann-Gymnasium, das aufgrund dieser Ungleichbehandlung Wettbewerbsnachteile befürchtet.
Im Schulausschuss am Donnerstagabend stand das Thema auf der Tagesordnung. Wie die Verwaltung dort informierte, soll das Ziel der Neuausrichtung der schulischen Inklusion sein, die Zahl der Schulen des Gemeinsamen Lernens zu reduzieren und die zur Verfügung stehenden Resscourcen an den verbleibenden Schulen zu bündeln.
Unter Gemeinsamen Lernen wird die Inklusion der Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf im Regelschulsystem verstanden. Die Neuregelung betrifft insbesondere den Übergang der Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Bedarf von der Grundschule in die weiterführenden Schulen.
JRS und CSG Schulen Gemeinsamen Lernens
Nach dem neuen Erlass sind im Regelfall von den Haupt-, Real- und Gesamtschulen einer Kommune, die Schulen des Gemeinsamen Lernens in der Sekundarstufe 1 sind, jährlich drei Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung pro Eingangsklasse aufzunehmen.
In Holzwickede waren bisher beide weiterführenden Schulen auch Schulen Gemeinsamen Lernens. Die Josef-Reding-Schule, die voraussichtlich eine neue Eingangsklasse bilden wird zum nächsten Schuljahr, wird dann drei Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf aufnehmen müssen.
Mehr Schüler mit besonderem Förderbedarf, das machte Schulleiter Klaus Helmig im Ausschuss bereits deutlich, wird die Holzwickeder Hauptschule aufgrund der vorhandenen oder besser gesagt: nicht vorhandenen räumlichen und personellen Ressourcen auch nicht aufnehmen können.
Gymnasien sind nach dem neuen Erlass grundsätzlich keine Schulen des Gemeinsamen Lernens mehr, müssen also auch keine Schüler mit besonderem Förderbedarf mehr aufnehmen. Ausnahmen bedürfen einer Sonderregelung.
Da die sonderpädagogische Förderung an Gymnasien in der Regel zielgleich erfolgt, d.h. auch diese Schüler in der Regel zum selben Abschluss geführt werden wie alle anderen, wird ein Gymnasium hierdurch nicht zu einer Schule des Gemeinsamen Lernens.
Genau Zahl der Schüler mit Förderbedarf offen
Warum der Erlass zur Ungleichbehandlung des CSG führt: Nach dem im Schulausschuss genannten Stand wechseln zum nächsten Schuljahr 2019/2020 voraussichtlich 19 Schüler aus Holzwickede mit besonderem Förderbedarf von den Grundschulen in die Sekunderstufe 1. Nicht alle diese Kinder werden eine allgemeine Schule besuchen. Nach Angaben von Fachbereichsleiter Matthias Aufermann werden von diesen Kindern voraussichtlich 14 Schüler mit besonderem Förderbedarf zu den beiden weiterführenden Schulen am Ort wechseln. Davon wird die Hauptschule (mit voraussichtlich einer Eingangsklasse) nur drei Schüler aufnehmen können.
Das Clara-Schumann-Gymnasium (mit voraussichtlich zwei Eingangsklassen) wird mindestens sechs dieser Kinder mit Unterstützungsbedarf aufnehmen müssen, wobei diese Kinder zieldifferent, d.h. nicht mit den gleichen Lerninhalten und -zielen wie die anderen Schüler unterrichtet werden müssen.
Wie viele Schüler tatsächlich in die Sekundarstufe 1 wechseln werden, steht noch nicht endgültig fest. Lutz Lamek, der als Schulaufsichtsbeamter für die Förderschulen im Kreis zuständig ist, geht nur von zwölf Holzwickeder Kinder aus, die zu einer der beiden weiterführenden Schule in Holzwickede wechseln werden. Eine Liste mit den Kindern will die Gemeinde den Schulleitern nächsten Woche Donnerstag übermitteln können.
Doch es scheint ziemlich sicher, dass das CSG eine Schule des Gemeinsamen Lernens bleiben wird, obwohl das nach dem Erlass gar nicht vorgesehen ist.
Ausweichen auf Schulen im Umland kaum möglich
Denn die Holzwickeder Kinder können auch nicht einfach nach Unna zur Gesamtschule wechseln. „Dort ist der Bedarf auch sehr hoch“, weiß Matthias Aufermann. Im Schulausschuss betonte die Leiterin des CSG, Andrea Hellmig-Neumann, dass es ihr und ihrem Kollegium keineswegs um ein ideologisches Problem geht: „Über die grundsätzliche Frage der Inklusion sind wir längst weit hinaus“, stellte sie fest. „Selbstverständlich haben die Kinder aus Holzwickede mit besonderem Förderbedarf das Recht, ortsnah beschult zu werden.“
Doch das Clara-Schumann-Gymnasium sei weder räumlich, noch ausstattungsmäßig oder personell darauf eingestellt, Schüler zieldifferent angemessen zu unterrichten. „Diese Schüler haben beispielsweise Anspruch auf Unterricht in den Fächern Technik oder Hauswirtschaft – alles, das gibt es am CSG nicht.“
Die größte Sorge bereitet der Schulleiterin jedoch die Ungleichbehandlung gegenüber den Gymnasien im Umland, die keine Schüler mit besonderem Förderbedarf aufnehmen müssen: „Wie entscheiden sich Eltern einer gymnasialen Schülerschaft? Es geht nicht um den Sinn von Inklusion. Aber wir stehen im Wettbewerb und fürchten einen Standortnachteil.“ Viele Schüler am CSG kommen aus Dortmund und dem übrigen Umland, wo die Gymnasien eben keine Schulen des Gemeinsamen Lernens mehr sind.
Außerdem: Je mehr Kinder das CSG aufnimmt, die aufgrund ihres Förderbedarfs gar kein Abitur machen werden, desto weniger Kinder wird es auch in der Oberstufenkurse geben, was die Wahlmöglichkeiten für die Schüler noch weiter einschränken würde.
Bitte um „absolute Unterstützung“
Der Erlass, da sind sich die beiden Schulleiter und die Gemeinde einig, muss umgesetzt werden. Aus Sicht der CSG-Leiterin hat ja auch niemand der Verantwortlichen einen Fehler gemacht. „Landesweit betrachtet sind wir in Holzwickede nur ein Kollateralschaden“, stellt Hellmig-Neumann bedauernd fest.
„Landesweit betrachtet sind wir nur ein Kollateralschaden.“
Andrea Hellmig-Neumann, CSG-Leiterin
Knackpunkt sei der regionale Bezugspunkt in dem Erlass: „Der Kreis Unna hat insgesamt neun Gesamtschule, aber der Erlass bezieht sich auf die Stadt Unna.“ Oder: In einer großen Stadt wie Dortmund seien nicht einmal alle Gesamtschulen von dem Erlass betroffen. Doch da es in Holzwickede nur die Hauptschule und ein Gymnasium gibt, muss das CSG eine Schule des Gemeinsamen Lernens bleiben. Einig war man sich im Ausschuss aber auch darüber, dass es nicht Sinn eines Erlasses sein kann, die Existenz einer Schule zu gefährden.
Der dringende Appell der CSG-Leiterin im Ausschuss richtete sich an die Politik: „Ich bitte Sie um absolute Unterstützung, um das Clara-Schumann-Gymnasium weiter zukunftsfähig aufzustellen.“ Außerdem sollten alle Fraktionen ihre Kontakte nach Düsseldorf nutzen. Holzwickedes Beigeordnete Bernd Kasischke wies zudem darauf hin, dass die Gemeinde auch schon Kontakt zum Städte- und Gemeindebund aufgenommen hat, um auf das Problem der kleineren Kommunen im Ministerium hinzuweisen.
Gymnasium, Hauptschule, Schulausschuss
Petra Rommerskirchen
Da gebe ich Frau Hellmig-Neumann recht,
Ziel different zu lehren ist nicht die Starke des CSG.
Allerdings könnte das CSG durch Inklusion genau dort profitieren, wo derzeit am kleinen und angebotsschwachen Gymnasium auch Probleme sowohl in der Kommunikation des formellen als auch des informellen Teams gross sind.