Massenprügelei in der Albert-Schweitzer-Straße: Vier junge Schläger vor Gericht
Es muss ziemlich heftig hergegangen sein, als die beiden Gruppen alkoholisierter junger Männer und Frauen sich am Abend des 20. Juni vorigen Jahres in der Albert-Schweitzer-Straße in Holzwickede in die Haare gerieten. Drei junge Männer im Alter von 18, 19 und 22 Jahren sowie eine 19-jährige Frau hatten sich deshalb am Freitag (21.11.) wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor dem Jugendschöffengericht in Unna zu verantworten.
Wobei die 19-Jährige Angeklagte S.J. die Verhandlung beinahe zum Platzen gebrachte hätte: Sie hatte sich kurz vor Eröffnung der Verhandlung um 9 Uhr telefonisch von ihrem Wohnort Dortmund aus gemeldet und ausrichten lassen, dass sie verschlafen habe. Obendrein konnte die 19-Jährige auf ihrer Anreise dann das Amtsgericht in Unna nicht finden und war irrtümlich in Dortmund-Asseln ausgestiegen…
19-jährige Angeklagte verschläft ihre Hauptverhandlung
Diese Eskapade führte dazu, dass eine Richterin, zwei Schöffen, vier Anwälte, ein Praktikant, eine Gerichtsschreiberin, sowie drei Vertreter der Jugendämter des Kreises Unna und der Stadt Dortmund, zwei Gerichtsdiener, die einen der aus der JVA Herford vorgeführten Angeklagten bewachen mussten, drei Angeklagte, ein halbes Dutzend Zeugen sowie eine ganze Schulklasse mehr als eine Stunde auf die 19-jährige Angeklagte warten musste, bevor die Verhandlung endlich eröffnet werden konnte.
Darin erklärte der Angeklagte D.B. (18 J.) aus Notwehr gehandelt zu haben, als sich die beiden Gruppen alkoholisierter junger Leute in der Albert-Schweitzer-Straße zunächst anpöbelten und die Situation plötzlich eskalierte. Sein Freund und Mitangeklagter, J.S. (19 J.) sei von mehreren Mitgliedern der anderen Gruppe gleichzeitig verprügelt worden. Da sei er eingeschritten. Allerdings verlor B. die Kontrolle, wie die Richterin im vorhielt, denn er trat einem bereits am Boden liegenden Kontrahenten mit voller Wucht vor den Kopf.
Sein Kumpel und Mitangeklagter, J.S., soll einem seiner Kontrahenten später ebenfalls gezielt vor den Kopf getreten haben.
Ausgelöst hatte den Streit offenbar die Angeklagte S.J. aus Dortmund, die Mitglieder der anderen Gruppe provoziert und das T-Shirt eines Jugendlichen zerrissen haben soll.
Der 22-jährige Angeklagte J.W. sagte aus, dass er mit einigen Jungen und Mädchen der anderen Gruppe zunächst am Feuerwehrgerätehaus gesessen habe. Dann seien einige aus seiner Gruppe in die Albert-Schweitzer-Straße gegangen, wo sie mit den anderen Jugendlichen in Streit geraten seien. Den Beginn habe er gar nicht mitbekommen. Er sei erst dazu gekommen, als der Angeklagte J.S. bereits am Boden lag. „Plötzlich habe ich von hinten einen Schlag auf den Kopf gekriegt.“ Worauf er eine Rangelei mit der 19-Jährigen Angeklagten S.J. gehabt habe.
Verfahren gegen die Angeklagten werden abgetrennt
Was zunächst nach einer langwierigen Verhandlung aussah, wurde von der erstaunlich gelassenen Richterin schließlich überraschend kurz und ohne Vernehmung weiterer Zeugen zu Ende gebracht.
Das Verfahren gegen J.W. (22 J.) wurde eingestellt, da dieser nach übereinstimmender Ansicht des Gerichts und der Staatsanwaltschaft „sicher nur einen sehr kleinen Anteil am Geschehen“ gehabt habe, so die Richterin.
Das Verfahren gegen den 19-jährigen J.S. wurde ebenfalls eingestellt, da J.S. wegen einer noch schwerer wiegenden Straftat bereits zu drei Jahren Haft verurteilt worden ist.
Das Verfahren gegen die Langschläferin und dritte Angeklagte aus Dortmund wurde ebenfalls abgetrennt. Es wird jedoch nicht eingestellt, sondern mit zwei weiteren Strafverfahren zusammengefasst, die gegen die 19-Jährige in Dortmund anhängig sind, und neu verhandelt.
Erneute Schlägerei nach Derby zwischen Schalke und Dortmund
Der vierte Angeklagte, der 19-jährige D.B. aus Holzwickede, wurde zu einer Geldstrafe von 500 Euro wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, die an den Förderkreis zur Resozialisierung Unna/Kamen gehen. Mit berücksichtigt wurde bei diesem Urteil vom Jugendschöffengericht eine weitere gefährliche Körperverletzung, die der Holzwickeder nur drei Monate nach der Schlägerei in Holzwickede auf dem Heimweg nach dem Derby BVB gegen Schalke begangen hatte. Erstaunliche Duplizität der Ereignisse: Auch in diesem Fall hatte der stark alkoholisierte 19-Jährige einem Freund helfen wollen, der von gegnerischen Fans angegriffenen wurde. Und wieder trat er in der folgenden Prügelei seinem bereits wehrlos am Boden liegenden Gegner mit voller Wucht gegen den Kopf. Nur mit Mühe konnten ihn Zeugen damals dazu bringen, von seinem schon wehrlosen Opfer abzulassen.
Die Richterin machte deutlich, dass der 19-Jährige nur deshalb heute so glimpflich mit einer Geldstrafe davongekommen ist, weil seit den beiden Straftaten eine relativ lange Zeit vergangen ist, in der sich der Angeklagte nichts weiter zuschulden kommen lassen hat. Erzieherische Maßnahmen nach so langem zeitlichem Abstand erschienen der Richterin wenig sinnvoll. Zumal der 19-Jährige inzwischen auch erfolgreich eine Ausbildung absolviert. Allerdings empfahl die Richterin dem Holzwickeder dringend, seine Aggressionen in den Griff zu kriegen. Einzugreifen, um jemandem zu helfen, sei grundsätzlich richtig. Aber man dürfe dabei nicht vom Helfer zum Täter werden, wie es D.B. zweimal passiert sei. „Ein Tritt gegen den Kopf kann fürchterliche Folgen haben“, warnte die Richterin. Für das Opfer natürlich, aber auch für den Täter.
Die Kosten der Verfahren trägt jeweils die Staatskasse.
Gefährliche Körperverletzung, Jugendschöffgengericht