Marode Flüchtlingsunterkünfte an der Bahnhofstraße: Chronik eines Dilemmas
Die Entscheidung, was mit den maroden Flüchtlingsunterkünften an der Bahnhofstraße 11 und 11a passieren soll, ist noch immer offen. Im Planungs- und Bauausschuss (PluBa) stand das Thema diese Woche erneut auf der Tagesordnung. Es ging um die Beantwortung einer Reihe von Fragen, die von den Grünen schon im Oktober vorigen Jahres an die Verwaltung gerichtet worden waren.
In der Sitzung des PluBa im November vorigen Jahres stand das Thema erstmals öffentlich auf der Tagesordnung, wurde aber ohne Angabe von Gründen kurzfristig wieder abgesetzt. Auf die Frage der Verantwortlichkeit für das auch finanzielle Desaster ging die Verwaltung allerdings in ihren Antworten auch in der Sitzung am Mittwoch (17.3.) nicht explizit ein. Wie schon mehrfach berichtet, kann der Bauunternehmer, die Firma M.P. Butt, nicht mehr haftbar gemacht werden, da das Unternehmen und ein Rechtsnachfolger angeblich nicht mehr existiert.
Die Verantwortung
Den Kardinalfehler, der zu den Baumängeln geführt hat, haben die Verantwortlichen der Gemeinde indes selbst begangen: Beim Bau der beiden Flüchtlingsunterkünfte an der Bahnhofstraße wurde die Bauaufsicht dem ausführenden Bauunternehmen übertragen. M.P. Butt durfte sich also selbst kontrollieren. Mit fatalen Konsequenzen für die Gemeinde. Schriftlich beanstandet wurden bei der Firma nach Fertigstellung hauptsächlich lediglich Sachmängel an Einrichtungsgegenständen wie Backöfen oder Kühlschränken, nicht aber der später vom Gutachter festgestellte ursächliche Baumangel für die Schäden.
Die Ursache
Wie der Fachbereich Technische Dienste aufgrund der Anfrage der Grünen erklärt, hat eine Begutachtung der Unterkünfte an der Bahnhofstraße ergeben, dass die Holzböden in den Wohncontainern völlig marode sind. Es wurden erhebliche Feuchtigkeitsschäden auf der sich unter der hölzenrnen Bodenplatte befindlichen Folie festgestellt, erklärt die Verwaltung dazu. Diese Folie war laut Sachverständigen nicht Bestandteil der Planung und hätte deshalb auch nicht verbaut werden dürfen. Der Bodenaufbau wurde demnach fehlerhaft durchgeführt.
Die Kosten
Aufgrund von beispielhaften Sanierungsarbeiten in der Wohneinheit 4a beziffert die Verwaltung Kosten für eine Sanierung der Unterkünfte auf schätzungsweise 25.000 Euro je Nutzungseinheit. Je Gebäude (mit zehn Einheiten) sind dies also 250.00 Euro Sanierungskosten, die komplett von der Gemeinde zu tragen wären. Allerdings könnte die Gemeinde auch Einnahmen durch einen Verkauf bzw. teilweisen Verkauf des Grundstückes erzielen.
Das Dilemma für die Gemeinde: Ein Abriss der noch keine fünf Jahre alten Flüchtlingsunterkünfte würde noch viel teurer. Den Restbuchwert beträgt je Gebäude noch 451.477 Euro – für beide Gebäude also etwas mehr als 900.000 Euro. Bei einem Abriss müsste dieses Geld im laufenden Haushaltsjahr außerordentlich abgeschrieben werden. Zwar würde ein Abriss das Jahresergebnis nicht direkt negativ beeinflussen. Allerdings würden das Eigenkapital bzw. die Allgemeinen Rücklagen um den Restbuchwert gemindert und die Bilanzsumme würde um über 900.000 Euro beim Abriss beider Häuser sinken. Aus diesem Grund dürfte aus Sicht des Kämmerers ein Abriss eigentlich nicht in Frage kommen.
Das Konzept
Die Verwaltungsspitze hat der Politik trotzdem vorgeschlagen, zumindest eines der beiden Gebäude, und zwar das parallel zur Bahnhofstraße liegende Gebäude Bahnhofstraße 11, abzureißen. Das Gebäude ist zwar in einem besseren Zustand als das andere, wie es heißt. Allerdings kann das andere Gebäude nicht abgerissen werden, weil darin die Heizungsanlage untergebracht ist. In dem zum Abriss vorgesehene Gebäude befinden sich dagegen die Waschmaschinen. Wo man mit denen hin will nach dem Abriss, ist noch offen. Dafür „muss dann noch eine Lösung erarbeitet werden“, heißt es in der Verwaltungsvorlage.
Der Zeitrahmen
Die Verwaltung hat inzwischen mehrere Gespräche mit der Wohnungsbaugesellschaft UKBS geführt, die grundsätzliches Interesse an einer Wohnbebauung auf der Fläche an der Bahnhofstraße zeigt, wie es heißt. „Das Projekt soll voraussichtlich nach der Grundstücksübergabe und planerischen Vorarbeiten in diesem Jahr dann in 2022 umgesetzt werden“, so die Verwaltungsvorlage. Bei einer Veräußerung des Grundstücks und Nutzung für Wohnbebauung müsste auf jeden Fall auch noch der Bebauungsplan geändert werden.
Die Politik
Die Fraktionen haben bisher keine einheitliche Meinung dazu, wie mit der Problematik umgegangen werden soll. Die CDU hatte sich bisher klar für den Erhalt beider Häuser ausgesprochen. Die Grünen haben auch in der Sitzung in dieser Woche noch einmal betont, dass für sie die zentrumsnahe Unterbringung der Flüchtlinge oberste Priorität hat. Ebenso wie die Flüchtlingsinitiative wünschen sich die Grünen, dass die ohnehin leerstehenden Unterkünfte an der „Mühlenstraße aufgelöst“ werden, so Friedhelm Klemp im Ausschuss: „Vielleicht kann man auch überlegen, feste Unterkünfte für die Flüchtlinge an der Bahnhofstraße zu bauen oder die Häuser an der Massener Straße baulich miteinander zu verbinden.“
Wie Holzwickedes Beigeordneter Bernd Kasischke im Ausschuss erklärte, werde die UKBS sicherlich auch sozialen Wohnungsbau auf dem Gelände schaffen, der dann auch für Flüchtlinge zur Verfügung stünde. Die UKBS mache sich Gedanken über die Unterbringung der Flüchtlinge und Nutzung der Fläche an der Bahnhofstraße. Bis ein Ergebnis vorliegt, sei „Geduld erforderlich“.
Die Fraktionen nahmen das Gesamtkonzept für den Abriss einer Unterkunft und den Neubau zur Kenntnis, wobei sie die weitere Unterbringung der Flüchtlinge in der Gemeindemitte erwarten.
Bahnhofstraße, Flüchtlingsunterkünfte
Ulrich Schulze
Vorsicht mit dem Begriff „Bauaufsicht“. So richtigerweise zu lesen auf der Webseite der Gemeinde Holzwickede. Das wird der Kreis auch gemacht haben.
Der entscheidet in der Regel nach Aktenlage der Bauunterlagen.
Die Behörden kontrollieren nicht Pfusch am Bau, es sei denn es geht eine allgemeine Gefahr – wie Standsicherheit – vom Baukörper aus.
Verantwortlich für die ordnungsgemäße Bauausführung ist der Bauherr. Das ist hier die Gemeinde Holzwickede, die übrigens auch für den Bau gemeindlicher Gebäude beim Kreis einen Bauantrag stellen muss.
Diese Kontrolle und auch die Koordination der Gewerke kann der Bauherr entweder selbst durchführen, dazu bräuchte man den nötigen Sachverstand, oder diese übertragen – z.B. an einen externen Sachverständige. Das kostet aber Geld. Die Übertragung an den Bauträger ist wohl die billigste Variante – und wahrscheinlich ist das geschehen.
Mit der behördlichen Bauaufsicht hat das aber erst einmal nichts zu tun. Die kann rechtlich gar nicht übertragen werde.
Ulrich Schulze
Es fehlt leider der Satz, dass der Kreis Unna die zuständige Bauaufsichtsbehörde ist.