
Kulturverein Annur holt Salafistenprediger Marcel Krass nach Holzwickede

UPDATE v. 26.12.: Der Vereinsvorstand hat die Veranstaltung heute offiziell abgesagt.
Annur – das Licht, nach dem sich der 2014 in Holzwickede gegründete Verein benannt hat, steht in allen Kulturen als Symbol für Frieden, Wahrheit, Hoffnung und Weisheit. Zumindest einigen im Verein scheint diese Symbolik allerdings nicht geläufig: Anders lässt sich nicht erklären, warum der Verein jetzt ausgerechnet den deutschen Konvertiten Marcel Krass zu einem Vortrag nach Holzwickede eingeladen hat. Krass ist einer der bekanntesten Salafistenprediger Deutschlands und wird seit Jahrzehnten schon vom Verfassungsschutz beobachtet. 2012 wurde der wegen seiner radikal-islamistischen Umtriebe als Lehrer des Bertold-Brecht-Berufskollegs in Duisburg von der Bezirksregierung Düsseldorf gefeuert.

Der Diplom-Ingenieur und Elektrotechniker Marcel Krass gilt als fanatischer Islamist. Zwei enge Weggefährten von Krass sind die beiden wohl bekanntesten deutschen salafistischen Hassprediger, Pierre Vogel und Sven Lau. Gemeinsam mit ihnen ist Marcel Krass auf zahlreichen Fotos im Internet zu sehen.
Sven Lau, der auch durch die Gründung einer Scharia-Polizei bekannt wurde, ist gerade erst vom Landgericht Düsseldorf zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen der Unterstützung einer IS-nahen Terrormiliz verurteilt worden. Mit dem Hassprediger Pierre Vogel verbindet Krass nicht nur eine gemeinsame radikal-islamistische Überzeugung. Über die Hamburger Agentur Agimex ATM Muslimereisen GmbH & Co. KG vermitteln beide auch luxuriöse Pilgerreisen nach Mekka (Quelle: Die Rheinpfalz v. 29.6.17).
Ins Visier der Sicherheitsbehörden ist Marcel Krass unmittelbar nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center vor fast 20 Jahren geraten. Die Ermittler fanden im Nachlass von Ziad Jarrah die Telefonnummer des deutschen Konvertiten Krass. Jarrah war einer der Todespiloten, die am 11. September in die Hochhaustürme von New York flogen.
Kontakt zu einem der Todespiloten vom 11. September

Vor und nach seiner Ausbildung durch al-Qaida Ende 1999 soll sich Jarrad einem Bericht der Rheinischen Post aus 2012 zufolge mit Marcel Krass mehrfach besprochen haben. Auch am Tag seiner Abreise zu dem Terroranschlag in New York soll Jarrad noch mit Marcel Krass telefoniert haben.
Allerdings gehörte Marcel Krass auch damals schon zu den bekannteren Persönlichkeiten der Salafisten-Szene. Der Spiegel zitiert ihn aus dieser Zeit mit dem Satz, dass die „Taliban zu 95 Prozent gute Sachen machten“. Damals war Marcel Krass stellvertretender Leiter des Islamischen Zentrums Münster, das er auch mitbegründet hat, wie die Polizei Münster bestätigte. Gegen die beiden Leiter des Zentrums, die Ägypter Osama A. und K. ermittelte die Bundesanwaltschaft im Jahr 2003 wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
2004 wurde das Zentrum in Münster geschlossen. Seitdem ist Marcel Krass bei der Münsteraner Polizei nicht wieder in Erscheinung getreten, wie ein Sprecher der Polizei gegenüber der RP bestätigte.
Trotzdem blieb Marcel Krass aktiv: Im Internet verbreitet er weiterhin seine Botschaften über seine eigene Internetseite sowie mit Videos über Plattformen wie Youtube. In einer DVD-Serie erläutert er außerdem seine Vorstellungen vom Jenseits und den Höllenqualen, die Nicht-Muslime seiner Meinung nach zu erwarten haben. Darüber hinaus tingelt der Salafistenprediger mit seinen Vorträgen aber auch persönlich durch die Moscheen im Land.
Als Akademiker spricht Krass eher gebildete Kreise an
Während Pierre Vogel eher das schlicht gestrickte Publikum anspricht, wendet sich der Akademiker Marcel Krass, der dem politischen Salafismus zuzuordnen ist, eher an gebildete Kreise – beispielsweise mit dem Netzwerk „Jesus im Islam“. Was sich tatsächlich hinter diesem Netzwerk und der gleichnamigen Kampagne verbirgt offenbart der Verfassungsschutzbericht des bayerischen Innenministerium von 2015 in aller Klarheit. Danach handelt es sich bei „Jesus im Islam um ein salafistisches Missionierungsprojekt des Predigers Marcel Krass mit Schwerpunkt im Raum Duisburg. Über den Anknüpfungspunkt ,Jesus‘ sollen vor allem Christen zur Kontaktaufnahme verleitet werden.“
Konkret missionieren seit 2014 kleinere Gruppen von Mitgliedern, zumeist noch Jugendliche und Schüler, regelmäßig u.a. in den Fußgängerzonen von Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Berlin, Frankfurt, Stuttgart und Hamburg für „Jesus im Islam“. Das Netzwerk gibt Broschüren wie „Muslim und Christ im Dialog“ aus, mit denen die Salafisten in Fußgängerzonen gezielt Christen ansprechen. Sie nutzen dabei Jesus als Anknüpfungspunkt für Gespräche und werben auch gezielt u.a. für die Internetseite von Marcel Krass.
„Sie wollen nicht nur ihre Religion ausüben, sondern wirken mit ihrem Handeln auf eine Einführung des strengen islamischen Rechts der Scharia in Deutschland hin“, erklärte dazu auch ein Sprecher des NRW-Innenministeriums gegenüber der ARD.
Vereinsvorstand kennt den Referenten angeblich nicht

Dass ausgerechnet der Kultur- und Bildungsvereins Annur Holzwickede e.V einen salafistischen Eiferer wie Krass zum Vortrag einlädt, ist nur schwer nachvollziehbar. Denn nach seinem Selbstverständnis steht der Verein „für kulturelle und gesellschaftliche Zusammenarbeit und Integration“, so ein Sprecher des Vorstandes, der nach der Anfrage des Emscherblogs auch nicht mehr in Zusammenhang mit dem Namen Marcel Krass genannt werden will.
Tatsächlich ist der Verein Annur mit seinen knapp 60 Mitgliedern bei nahezu allen größeren öffentlichen Festen und Veranstaltungen in Holzwickede präsent, erhält auch finanzielle Förderung der Gemeinde, mit der er gut zusammenarbeitet. Seine Mitglieder organisieren eigene Veranstaltungen wie internationale Fußballturniere, sind in der Flüchtlingsbetreuung aktiv und der Vereinsvorstand praktiziert einen offenen Umgang in der Moschee an der Hauptstraße 32. Bei den Freitagsgebeten treffen sich dort regelmäßig etwa 120 Muslime verschiedener Nationalitäten zum Gebet.
Gut möglich, dass es für den Vortrag von Marcel Krass noch einige Besucher mehr sein werden. Denn wer in den vergangenen Wochen die Facebook-Seite des Vereins aufrief, hätte durchaus den Eindruck gewinnen können, dass der Verein Annur von Marcel Krass bereits vollständig übernommen worden ist: Nicht nur auf dem großen Profilbild, auch auf fast allen anderen Bildern wurde mit seinem Bild für den Vortrag des Salafisten-Predigers geworben.
Wir haben erst vorige Woche noch über die Veranstaltung gesprochen. Da ist nicht der geringste Hinweis auf diese Problematik gekommen. Mir persönlich sagt der Name Marcel Krass auch überhaupt nichts.“
Ein Vorstandsmitglied des Vereins Annur
Darauf angesprochen fiel der Vorstandsprecher von Annur aus allen Wolken: „Das habe ich noch gar nicht bemerkt.“ Nicht bemerkt hat der Vorstand ganz offensichtlich auch die Brisanz der Einladung von Marcel Krass. „Wir haben erst vorige Woche noch über die Veranstaltung gesprochen. Da ist nicht der geringste Hinweis auf diese Problematik gekommen“, gibt der Vorstandssprecher zu. „Mir persönlich sagt der Name Marcel Krass auch überhaupt nichts.“
Der Verein Annur lade regelmäßig auch zu nicht religiösen Themen Vortragende ein. „Wir verstehen uns auch als Bildungsstätte“, erklärt der Vorstandssprecher. „Erst kürzlich hatten wir einen Astronomen und auch einen Mediziner da. Der eine hat etwas über die Sterne erzählt, der andere über Anatomie. Beides waren sehr spannende und interessante Vorträge, die nichts mit Religion zu tun hatten.“
Annur hat eigene Facebook-Seite bereinigt
Laut Einladungstext wird Marcel Krass in Holzwickede über „Surah-al-Asr“ referieren. Surah-al-Asr ist eine der kürzesten Koran-Suren, über die der türkische Rechtsgelehrte Imam Schafii sagt: “Und wäre sonst kein anderer Teil des Koran herabgesandt worden, so hätte den Menschen selbst die Sure Asr gereicht. Diese Sure umfasst das gesamte Wissen des Koran.”
Wie der Vorstandssprecher sagt, sei der der Dipl.-Ing. Marcel Krass jedoch „als Techniker eingeladen“ worden. „Er will zur Schnelllebigkeit unserer heutigen Zeit reden, eher aus wissenschaftlicher Sicht.“ Bei religiösen Vorträgen und Themen seien stets ein oder zwei Mitglieder mit akademischen Graden anwesend. „Die achteten darauf, was gesagt wird. Wenn da etwas Falsches gesagt wird, würden die sofort eingreifen“, behauptet der Vorstandssprecher.
Können die Verantwortlichen von Annur tatsächlich so naiv sein? Offenbar ja. „Wir haben wirklich nicht gewusst, wer Marcel Krass ist. Sonst hätten wir ihn gar nicht erst eingeladen“, versichert das Vorstandsmitglied. „Vielleicht wäre es das Beste, wenn der Vortrag gar nicht mehr stattfinden würde. Aber ob er noch abgesagt werden kann, weiß ich nicht.“
Immerhin: Gleich nach unserer Bitte um Stellungnahme hat der Verein seine Facebook-Seite bereinigt und alle Hinweise auf Marcel Krass und seinen geplanten Vortrag entfernt.
Warum Salafismus gefährlich ist
Salafisten lehnen weltliche Gesetze und die Werte westlicher Gesellschafts- und Herrschaftssysteme als unislamisch und unterlegen kategorisch ab. Sie orientieren sich kompromisslos an der islamischen Frühzeit vor 1.400 Jahren und befürworten frühislamische Herrschafts und Gesellschaftsformen. Dies führt zur Ablehnung der als wesensfremd empfundenen Mehrheitsgesellschaft und ihrer demokratischen Werte. Vor allem die von salafistischen Akteuren in Deutschland propagierte Einheit von Religion und Staat und der ebenfalls erhobene absolute Geltungsanspruch der islamischen Rechtsordnung (Scharia) machen deutlich, dass salafistische Auffassungen Geltung für sämtliche Lebensbereiche beanspruchen.
Die ideologischen Grundsätze des Salafismus sind somit unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien, insbesondere der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung.
Attraktiv ist der Salafismus für manche junge Menschen auch deshalb, weil er ihnen eine vermeintlich klare Orientierung bietet. Der Komplexität und Unübersichtlichkeit der modernen Welt setzt er ein konsequentes Schwarz-Weiß-Denken gegenüber. Von individuellen Entscheidungen und persönlicher Verantwortung wird der junge Mensch durch eine Vielzahl von eindeutigen Geboten und Verboten entlastet. Bestätigt werden diese radikalen Denkmuster regelmäßig durch die Schwarz-Weiß-Rhetorik auf Veranstaltungen salafistischer Prediger.
Zielgruppe von Salafisten sind insbesondere Personen, die sich in persönlichen Krisensituationen befinden bzw. Anschluss, Orientierung und Unterstützung suchen. Dazu zählen auch Flüchtlinge, die aus Krisengebieten nach Deutschland kommen.
(Quelle: Bayerischer Verfassungsschutzbericht, 2015)
Politische und jihadistische Salafisten teilen dieselben ideologischen Grundlagen. Sie unterscheiden sich vornehmlich in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten – die sie als „Missionierung“ (Dawa) bezeichnen – zu verbreiten und die Gesellschaft in einem langfristig angelegten Prozess nach salafistischen Normen zu verändern.
In Teilbereichen positionieren sich die Anhänger des politischen Salafismus ausdrücklich gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islam hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Dennoch ist festzustellen, dass der politische Salafismus ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele pflegt, da religiös legitimierte Gewalt nicht prinzipiell ausgeschlossen wird.
Nach salafistischer Islamauslegung muss der universelle Geltungsanspruch des Islam aufgrund seiner Überlegenheit und nach göttlichem Heilsplan der gesamten Menschheit zuteil und notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Damit ist die grundsätzliche Bejahung von Gewalt ein immanenter Bestandteil salafistischer Ideologie.
(Quelle: Verfassungsschutzbericht Bundesinnenminsterium, 2016)
Bürger Holzwickede
Das war ja nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Radikalen da auftauchen. … und sowas wird noch von der Gemeinde finanziert!
Joachim Vonhoff
Lieber Peter Gräber, vielen Dank für diesen Bericht . Das ist der Journalismus, der uns fehlt. Gut recherchiert und unaufgeregt.
Bleiben Sie an dem Thema dran. Wenn der Vortrag nicht mehr abgesagt werden kann, empfehle ich allen, daran teilzunehmen um demokratisch Flagge zu zeigen. Religiöser Fanatismus hat weder in Holzwickede, noch sonst wo etwas zu suchen.
Der Führer
Genau mein Junge..
Tinkerbell
Wer aufmerksam den Text gelesen hat wird festgestellt haben, dass es beim Vortrag um die Auslegung eines Vers Asr = Die Zeit aus dem Koran handelt, wobei sich für alle interessierte, weltoffene und neugierige Menschen die Gelegenheit bietet etwas aus dem Koran auf der wissenschaftlichen Ebenen zu Erfahren. Das Thema an sich hat mit der westlich feindseliger Einstellung oder gar teroristischer Einstelung überhaupt nichts zu tun genauso wie der Inhalt dieser Vers, was man eben aus dem Beitrag von Peter Gräber eindeutig entnehmen kann. Von Marcel Krass habe ich als gläubige Muslimin nie etwas gehört, aber in Ihrem „Beitrag“ sein ganzes Lebenslauf lesen konnte und das in Verbindung mit der entsetztlichstem Erreigniss, den 9/11 Anschlag. Nebenbei erwähnen Sie noch den Vorstand der Moschee, die Mitglieder und Wohlgesonnene Predigt “ Jesus im Islam“ welche alleine dem Frieden und Verständigung der Religionen dient. Alles in einem Beitrag zu lesen ist nicht nur geschmacklos, es wird mir nach diesem „Eintopf Gräber“ richtig schlecht. Einem Frieden, Volkerverständigung und Religionendialog tragen Sie mit Ihrem „Eintopf“ mit Sicherheit nicht.
Soufian
Du hast es auf den Punkt gebracht Schwester.
Ein Mensch
Ich bin enttäuscht von der Art und Weise, wie viele deutsche Journalisten über den Islam berichten. Sie scheinen nur die negativen Aspekte dieser Religion hervorzuheben und ignorieren die Vielfalt und den Reichtum ihrer Traditionen und Werte. Sie zitieren oft aus dem Koran, ohne den Kontext oder die Interpretationen zu berücksichtigen. Sie verallgemeinern und stigmatisieren eine ganze Glaubensgemeinschaft, die aus mehr als einer Milliarde Menschen besteht. Das ist nicht nur unfair, sondern auch gefährlich. Denn solche Artikel schüren Vorurteile und Hass gegen Muslime, die schon genug unter Diskriminierung und Gewalt leiden. Das nennt man Islamophobie1, und es ist eine Form von Rassismus2. Wenn man über Juden so einen Artikel verfassen würde, hieße es Antisemitismus. Aber für anti Islam gibt es nicht einmal einen Begriff3. Das muss sich ändern. Wir brauchen mehr Respekt und Dialog zwischen den Religionen, nicht mehr Hetze und Spaltung.