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In diesem Gebäude an der Wilhelmstraße ist die Diamorphin-Praxis untergebracht. Die Holzwickeder Grünen treffen sich dort morgen zum Gespräch mit Frau Dr. Harbrink-Schlegel. (Foto: P. Gräber - Emscherblog) traße ist die Diamorphin-Praxis untergebracht. Die Gemeinde wünscht sich von den Praxisbetreibern einen Fahrdienst, einen Kümmerer für die Abhängigen und Mithilfe zur Verbesserung der Wahrnehmung rund um den Praxisbetrieb. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)

Grüne nach Gespräch in Diamorphin-Praxis „enttäuscht“: Wenig Verständnis für Probleme der Anwohner

In diesem Gebäude an der Wilhelmstraße ist die Diamorphin-Praxis untergebracht. Die Holzwickeder Grünen treffen sich dort morgen zum Gespräch mit Frau Dr. Harbrink-Schlegel. (Foto: P. Gräber - Emscherblog) traße ist die Diamorphin-Praxis untergebracht. Die Gemeinde wünscht sich von den Praxisbetreibern einen Fahrdienst, einen Kümmerer für die Abhängigen und Mithilfe zur Verbesserung der Wahrnehmung rund um den Praxisbetrieb. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)
In diesem Gebäude an der Wilhelmstraße ist die Diamorphin-Praxis untergebracht. Innerhalb des Gebäude haben die Betreiber der Praxis nun eine weitere Etage angemietet, um den Patienten mehr Aufenthaltsmöglichkeiten bieten zu können. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Die Holzwickeder Grünen haben in der vergangenen Woche das Gespräch mit Dr. Martina Habrink-Schlegel in der Diamorphin-Praxis an der Wilhelmstraße gesucht. Zum einen ging es ihnen darum, „die Wogen zu glätten“, nachdem es immer wieder Beschwerden aus der Holzwickeder Bevölkerung über das Verhalten einzelner Patienten der Praxis gibt, wie Angelika Hartjenstein sagt. Zum anderen wollten die Grünen, die der Praxis und ihrem Konzept grundsätzlich positiv gegenüber stehen, über die Verhältnismäßigkeit solcher Beschwerden reden und möglichst eine Basis für ein gemeinsames weiteres Vorgehen schaffen. „Leider bin ich schon etwas enttäuscht, was unser Gespräch angeht“, erklärt Angelika Hartjenstein anschließend dem Emscherblog.

„Wir hatten im Vorfeld unseres Treffens mit zahlreichen Anwohnern gesprochen und deren Bedenken und Probleme gesammelt“, so die sachkundige Bürgerin der Grünen. Vorbringen konnten die Grünen allerdings nichts davon in ihrem Gespräch. „Frau Dr. Harbrink-Schlegel wollte sich überhaupt nicht auf die Bürgerbedenken einlassen. Sie erklärte uns vielmehr, dass es nur in Holzwickede Beschwerden über ihre Patienten gibt. An allen anderen Standorten mit vergleichbaren Praxen, gebe es solche Probleme nicht. Offenbar seien die Holzwickeder wenig tolerant.“

Nur eine Frage der Toleranz?

Zwar habe die Ärztin zurecht darauf hingewiesen, dass es nach Auskunft der Polizei, im Umfeld der Praxis keinen Anstieg von Diebstählen oder anderen Vergehen gibt und das Aussehen von Menschen schließlich nicht strafbar ist. Für Hartjenstein ist diese Haltung der Ärztin trotzdem nicht nachvollziehbar: „Ich hätte mir da schon mehr Sensibilität von ihr gewünscht. Offenbar erkennen die Verantwortlichen der Praxis die Problematik gar nicht, die nach meiner Meinung vor allem auch damit zu tun hat, dass die Holzwickeder vor Eröffnung der Diamorphinpraxis so gut wie nie Suchtkranke im Ortsbild zu Gesicht bekommen hatten. Hier ist ein ganz anderes Milieu als in einer größeren Stadt. Es ist aber auch unsere Aufgabe, eine solche Gemeinschaft möglichst zu erhalten.“

„Offenbar erkennen die Verantwortlichen der Praxis die Problematik gar nicht, die nach meiner Meinung vor allem auch damit zu tun hat, dass die Holzwickeder vor Eröffnung der Diamorphinpraxis so gut wie nie Suchtkranke im Ortsbild zu Gesicht bekommen hatten.“

– Angelika Hartjenstein

Bei allem Verständnis für die berechtigten Interessen der Praxis und der suchtkranken Patienten, sehen auch die Grünen die Probleme: „Es geht einfach nicht, dass einzelne Patienten völlig weggetreten auf die Straßen laufen, wo sie für sich und andere eine Gefahr darstellen. Oder dass Patienten in Gruppen Haltestellen besetzen und dort sogar schlafen, so dass andere Fahrgäste gar keinen Platz mehr finden“, sagt Angelika Hartjenstein. „Auch nach unserem Gespräch am Abend hielten sich noch Patienten im Hauseingang zur Praxis auf. Das belastet auch die anderen Mieter, wie sie uns bestätigt haben.“

Als „sehr positiv“ stellt Hartjenstein fest, „dass Frau Dr. Harbrink-Schlegel sofort bereit zu dem Gespräch war und sich auch viel Zeit für uns genommen hat“.  Auf Nachfrage erklärte die Ärztin ihren Besuchern, dass mit maximal 150 Patienten die Praxis voll ausgelastet ist. In Iserlohn entstehe gerade eine vergleichbare Praxis. Viele der Patienten kommen nur einmal am Tag, andere zweimal und sehr wenige auch öfters in die Praxis an der Wilhelmstraße. Die Patienten, die Anstoß in der Gemeinde erregen, sind nach Ansicht der Ärztin untypisch für die Praxis. „Wir haben auch Patienten, die kommen morgens um 7 Uhr im grauen Anzug, holen sich ihre Spitze und führen dann den ganzen Tag über im Büro und danach mit ihrer Familie ein ganz normales Leben“, so die Ärztin. Doch natürlich gebe es auch Patienten, die dazu nicht in der Lage sind, lange Leidensgeschichten haben und auch auf der Straße leben.

40 bis 45% der Patienten kommen aus dem Kreis Unna

Von den ihren 150 Patienten kommen etwa 40 bis 45 Prozent aus Holzwickede und dem Kreis Unna, die übrigen Patienten kommen aus Hamm, Neuenrade, Dortmund. Täglich werden außerdem 15 Patienten aus Iserlohn mit einem eigenen Shuttelbus gebracht, der von einem Förderverein finanziert wird. Dass die Praxis ebenfalls einen Shuttlebus für ihre Patienten zwischen Bahnhof und Wilhelmstraße einsetzen und finanzieren könnte, schließt Dr. Habrink-Schlegel dagegen aus, berichtet Angelika Hartjenstein. „Einerseits sehen die Verantwortlichen der Praxis gar keinen Anlass dafür. Andererseits weist Dr. Harbrink-Schlegel darauf hin, dass sie schon sehr viel freiwillige Leistungen erbringen. So beschäftige die Praxis auch zwei Sozialarbeiter, wozu man nicht verpflichtet sei.“ Außerdem haben die Ärzte gerade eine weitere Etage über ihren Praxisräumen angemietet, wo zusätzliche Aufenthalts- und Unterhaltungsmöglichkeiten für ihre Patienten geschaffen werden und auch eine begehbare Außenterrasse vorhanden ist.

„Klar bestritten wurde von Frau Dr. Harbrink-Schlegel auch, dass ihre Patienten noch andere Medikamente oder Substanzen verabreicht bekommen, die zu einem Zustand der Orientierungs- oder Teilnahmslosigkeit führen.“

– Angelika Hartjenstein

Auf Nachfrage versicherte die Ärztin, dass außerdem alle Patienten die Praxis bei klarem Bewusstsein und keineswegs benebelt oder so „zugedröhnt“ verlassen, wie sie von vielen Bürgern im Ortsbild wahrgenommen werden. Das verabreichte Diamorphin wirke eher belebend, als schläfrig machend, wie die Dr. Harbrink-Schlegel erklärt. Es sei ja auch gerade das Ziel der dosierten Diamorphin-Ausgabe an die Patienten, dass diese wieder zu einem geregelten Tagesablauf kommen und ein möglichst „normales“ Leben führen können. „Klar bestritten wurde von Frau Dr. Harbrink-Schlegel auch, dass ihre Patienten noch andere Medikamente oder Substanzen verabreicht bekommen, die zu einem Zustand der Orientierungs- oder Teilnahmslosigkeit führen“, berichtet Hartjenstein. „Wenn es Patienten gebe, die offenkundig benebelt durch die Gemeinde torkeln, dann hätten sich diese außerhalb der Praxis mit Alkohol oder Beikonsum versorgt. In die Praxis herrscht striktes Alkoholverbot. Sollten Patienten alkoholisiert erscheinen, erhielten diese, je nach Pegel, weniger bis gar kein Diamorphin mehr, wurde uns versichert“, so Hartjenstein. Allerdings: „Die Taschen von Patienten darf und will man auch nicht kontrollieren.“

Darüber hinaus habe sich Dr. Habrink-Schlegel auf die Position zurückgezogen, dass sie „selbstverständlich keine Verantwortung dafür übernehmen“ kann, „was außerhalb der Praxisräume passiert“, so Angelika Hartjenstein weiter. Das sei „nicht kontrollierbar.“

Betreiber wollen auf Gemeinde zugehen

„Ich finde allerdings, dass es sich die Ärztin mit dieser Haltung etwas zu leicht macht. Ich denke schon, dass die allermeisten Patienten der Praxis unauffällig sind und nur ein Bruchteil der Patienten negativ auffällt und problematisch ist. Aber unter dieser Minderheit leiden auch alle anderen. Ich hätte auch Zweifel, ob Patienten, die immer wieder negativ auffallen, weil sie offenbar noch anderen Beikonsum haben, tatsächlich noch in dieses Programm gehören oder ob nicht andere Patienten diese Chance eher verdient hätten.“

Auf Anregung der Grünen, über die Arbeit der Praxis offensiver aufzuklären und so Vorurteile in der Gemeinde abzubauen, reagierte die Ärztin durchaus positiv. „Frau Dr. Harbrink-Schlegel hat uns erzählt, dass schon länger geplant sei, vor der Praxis in der Wilhelmstraße einen Info-Stand aufzustellen und dort mit einigen Patienten Waffeln zu backen. Leider sei Corona dazwischen gekommen. Wir haben daraufhin vorgeschlagen, dass sich die Praxis in dieser Weise doch besser noch in eine der zahlreichen Veranstaltungen der Gemeinde auf dem Marktplatz einbringen könnte. Diesen Vorschlag nahm die Ärztin dankend auf und will die Gemeinde ansprechen.“

Aus Sicht von Angelika Hartjenstein könnte es auch sinnvoll sein, wenn sich die Verantwortlichen der Praxis auch an der Aufklärungsarbeit und Drogenprävention in den Schulen beteiligen.

Grüne regen Runden Tisch an

Nach dem Gespräch mit Dr. Harbrink-Schlegel halten die Grünen einen Runden Tisch mit Vertretern aller Fraktionen für sinnvoll, um sich gemeinsam auf eine Linie im Umgang mit der Diamorphin-Praxis festzulegen. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass dies auf positive Resonanz stoßen wird“, glaubt Angelika Hartjenstein. „Erste Kontakte in dieser Sache sind ganz positiv aufgenommen hat.“

INFO: Angelika Hartjenstein

Angelika Hartjenstein. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)
Angelika Hartjenstein. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Die freiberufliche Autorin und Redakteurin Angelika Hartjenstein ist 51 Jahre alt und dreifache Mutter. Die Sachkundige Bürgerin der Grünen ist über leidvolle persönliche Erfahrungen zum Thema Drogenprävention gekommen und verfügt über die Kompetenz einer Mitbetroffenen. Angelika Hartjenstein war mit einem heroinabhängigen Mann verheiratet und hat ihn durch die Tiefen des Rückfalls und erneuten Entzugversuches begleitet. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes musste sie eine Entscheidung treffen und trennte sich zugunsten des Babys von ihrem Mann. Dieser verstarb wenig später im Alter von 37 Jahren an seiner Drogensucht. Inzwischen ist Angelika Hartjenstein wieder verheiratet, hat zwei weitere Kinder bekommen und versucht, die Erlebnisse dieser Jahre zusammen mit ihrem ältesten Sohn (21 Jahre) aufzuarbeiten. Hierfür schreiben sie gemeinsam an einem Buch über die schwere Zeit mit ihrem verstorbenen Mann und Vater.


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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