Eklatante Preisschere: Verbrauchspreis für Trinkwasser in Holzwickede 68 Cent teurer als in Bergdörfern
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt es als wichtigste Regel im Gemeindehaushalt, dass der Wasserpreis in Holzwickede nicht von dem in den Ortsteilen Hengsen und Opherdicke abweichen darf. Wenn der Bezugspreis für das Trinkwasser auch nur ein oder zwei Cent/Pfennig voneinander abwich, war das sofort ein Politikum und der Aufschrei groß. Beim Blick auf die seit Jahresbeginn geltenden neuen Wasserpreise in der Emscherquellgemeinde wäre wohl sofort der Streit über Sinn und Unsinn einer eigenen Wasserversorgung entbrannt.
Denn wie der Blick auf die Gebühreninformation 2023 der Gemeinde Holzwickede zeigt, müssen die Haushalte in Holzwickede satte 68 Cent (!) mehr pro Kubikmeter Trinkwasser bezahlen, als in die Opherdicke und Hengsen: Während die Wasserversorgung 1,86 Cent/m³ (zzgl. 7% MWSt.) verlangt, kostet das gleiche Trinkwasser bei den Dortmunder Stadtwerken DEW21, die Opherdicke und Hengsen versorgen nur 1,18 Cent/m³ (zzgl. 7% MWSt.).
Gleiches Wasser, unterschiedliche Preise
Nun ist es keineswegs so, dass die Bergbewohner stilles Wasser und die übrigen Holzwickeder Sprudelwasser bekommen. Beide Anbieter beziehen das gleiche Trinkwasser vom gleichen Versorger zum gleichen Preis aus der gleichen Ruhr.
Neben den genannten Verbrauchspreisen gibt es aber weitere Unterschiede: In Holzwickede verlangt die Wasserversorgung von den Haushalten eine jährliche Grundgebühr, die bei der meistverbreiteten Zählergröße (Q3=4) 260 Euro beträgt (zzgl. 7% MWSt.)
Die Dortmunder DEW21 verlangen dagegen einen Systempreis (ehem. Grundgebühr), der komplizierter zu berechnen ist. Er ist nach Größe der Wohngebäude und Anzahl der Wohneinheiten gestaffelt und kann in Gebäuden mit vielen Wohneinheiten recht teuer werden. Beispiele: In Gebäuden mit nur einer Wohneinheit (WE) liegt der Systempreis bei 235,83 Euro jährlich, mit zwei Wohneinheiten bei 310,54 Euro je WE/jährlich, mit drei Wohneinheiten bei 351,30 Euro je WE/jährlich und mit vier Wohneinheiten bei 387,32 Euro je WE/jährlich (alles ohne MWSt.)
Tarifdschungel erschwert Vergleiche
Aufgrund solcher unterschiedlichen Tarifstrukturen anderer Anbieter seien die „Wasserpreise auch nicht mehr vergleichbar“, behauptet Stefan Petersmann, Leiter des Eigenbetriebs Wasserversorgung der Gemeinde. In Holzwickede gebe es neben dem Arbeitspreis nur noch eine jährliche Grundgebühr. „Vor einigen Jahren haben die Wasserwerke Westfalen dann einen Systempreis entworfen.“
In der Folge seien in Schwerte, Dortmund, Fröndenberg überall unterschiedliche Tarifstrukturen entstanden. „Die einen arbeiten wie Dortmund mit einem Arbeits- und einem Systempreis, andere nur noch mit einem Arbeitspreis, Schwerte hat einen Arbeits-, Systempreis und auch noch eine Grundgebühr“, weiß Petersmann: „Es gibt inzwischen einen Tarifdschungel, der nicht mehr nachvollziehbar ist. Unterm Strich kommt aber bis auf ein paar Euro überall das Gleiche ‚raus“, glaubt Petersmann.
„Es gibt inzwischen einen Tarifdschungel, der nicht mehr nachvollziehbar ist. Unterm Strich kommt aber bis auf ein paar Euro überall das Gleiche ‚raus“
– Stefan Petersmann (Leiter Wasserversorgung)
Außerdem sei durch das Programm „Reine Ruhr“ allein auf die Wasserversorgung in Holzwickede eine jährliche Mehrbelastung von 70- 80.000 Euro zugekommen. Diese Mehrkosten fiele zwar auch für alle anderen Anrainer der Ruhr an. „Aber da sind alles Gesellschaften (GmbH oder AG), die das anders verpacken können, als wir mit unserem Eigenbetrieb“, betont Petersmann. „Wir sind mit der Zeit immer anlagenbezogener geworden durch neue Zähler, eine verbesserte Infrastruktur. Daran kann ich aber nichts ändern. Ich bin gefangen im Kommunalabgabengesetz (KAG) und kann nur damit kalkulieren, was mir vorgegeben wird. Ich muss diese Mehrkosten so weitergeben.“
Trinkwasserpreis, Wasserversorgung
Tom
Eine Preisdifferenz von 57% mit unterschiedlichen Abrechnungsmethoden erklären zu wollen, das muss schon höhere Mathematik sein. Für das gleiche Trinkwasser vom gleichen Versorger aus der gleichen Ruhr bei gleichem Bezugspreis. Auch die Erklärung der zusätzlichen Kosten, die bei den AG’s anders „vepackt“ wird, klingt nicht plausibel. Kosten sind Kosten, die ein kaufmännisch geführter Betrieb nicht einfach verschwinden lassen kann. Da drängt sich eher der Verdacht auf, dass sich die Gemeindeverwaltung durch Taschenspielertricks eine Mehreinnahme zu Lasten der eigenen Bürger gönnen möchte. Die Politik ist nun gefordert, der Verwaltung zu erklären, dass ein für die Bürger bestmögliches Abrechnungssystem genutzt werden muss.
JottWill
Hallo Herr Gräber,
vielen Dank für diesen informativen Bericht! Wiedermal hervorragend recherchiert und dem Bürger die Augen geöffnet.
Ich habe mich schon seit längerem gewundert und gefragt warum es die unterschiedlichen Tarife in unserer Gemeinde gibt.
Nach Erhalt der Gebühreninfo 2023 platzte mir dann der Kragen und ich versuchte und versuche es immer noch, der Sache auf den Grund zu gehen.
Nun haben Sie ja fast zeitgleich das Thema auf den Punkt gebracht, wie so oft zum richtigen Zeitpunkt.
Für mich als interessierten und engagierten Bürger unserer Gemeinde zählen bei den Energiepreisen immer die Endsummen, also was zum Schluss rauskommt.
Beim Wasserverbrauch (Frischwasser) zählt die verbrauchte Menge plus Tarif plus Grundpreis plus 7% MwSt. geteilt durch die abgelesene Zählerdifferenz.
Zahlenbeispiel:
Unser Wasserverbrauch 2022 betrug 131 m*3, kostet nach der letzten Verbrauchsabrechnung eine Endsumme von 503,87€. Heißt im Klartext 1m*3 Frischwasser kostet mich in der Gemeindemitte 3,85€.
Gleicher Verbrauch in Hengsen und Opherdicke kosten 417,74€, hier kostet der m*3
3,19€. Gesamtdifferenz rund 86€ im Jahr 2022.
Im Jahr 2023 ist der Unterschied noch größer- nämlich rund 120 €.
Bin mal gespannt auf die Erklärung der zuständigen Fachbereiche zu diesem Thema.
Augenzwinkernd noch eine Anmerkung:
Das Problem ist ja nun, wie bekommen wir das günstige Frischwasser aus den Bergdörfern in die Gemeindemitte?
Ein Vorschlag, die Fraktion der Partei DIE PARTEI hält doch noch an ihrer Idee fest eine Seilbahn von der Ortsmitte in die Bergdörfer zu bauen.
Man könnte dann doch unter diese Trasse eine Wasserleitung mit ausreichend Abzapfstellen verlegen.
Schönen Tach noch, Glückauf
P.S. Wenn die Tarife der DEW21 im Jahr 2023 so bleiben, beträgt die Differenz pro m*3
incl. MwSt 0,7276€ für Frischwasser !!
Michael T.
So wie es aussieht kann die gemeindeeigene Wasserversorgung nicht so preiswert produzieren wie die DEW21. Vielleicht macht es Sinn, die komplette Wasserversorgung in Holzwickede der DEW21 zu übertragen.