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Leider sehr unter der Einsamkeit: Christa Biernath im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Seniorenbeirates, Frank Brockbals. Seit ein paar Tagen funktioniert wenigstens ihr Fernseher wieder. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)

Einsamkeit in Coronazeiten: Wenn Kreuzworträtsel das einzige Vergnügen ist

Leider sehr unter der Einsamkeit: Christa Biernath im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Seniorenbeirates, Frank Brockbals. Seit ein paar Tagen funktioniert wenigstens ihr Fernseher wieder. (Foto: P. Gräber - Emscherblog)
Leider sehr unter der Einsamkeit: Christa B. im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Seniorenbeirates, Frank Brockbals. Seit ein paar Tagen funktioniert wenigstens ihr Fernseher wieder. (Foto: P. Gräber – Emscherblog)

Christa B. ist eine adrette, rüstige 80 Jahre alte Dame. Ihre Tochter lebt in Ungarn, die Enkelin in Berlin. Vor drei Jahren zog Christa B. von Heeren nach Holzwickede. Ihr größtes Problem hier ist die Einsamkeit und Isolation: „Ich finde einfach keinen Kontakt“, sagt die 80-Jährige traurig. Dabei ist Christa B. weder auf den Mund gefallen noch kontaktscheu. Doch ihre sporadischen Versuche, Kontakte etwa zu einer Spielrunde in einem Seniorenhaus oder auch den Ehrenamtlichen eines Kirchcafés zu bekommen, sind leider sehr einseitig verlaufen. „Die wollten mich wohl nicht“, meint die 80-Jährige.

Eigentlich würde sich die Seniorin auch gerne ehrenamtlich engagieren. „In der Altenstube in Heeren habe ich mittwochs immer Waffeln gebacken, das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und bin mal unter Leute gekommen“, meint Christa B., die auch gerne singt und in Heeren einem Singkreis angehörte.

Auch das noch: Ein halbes Jahr kein Fernsehempfang

Die Coronazeit hat die Isolation der Senioren noch verschärft. Sie sitzt allein zuhause in ihrer ordentlichen und gepflegten kleinen Wohnung in der Gemeindemitte. Ihre einzigen Vergnügen sind Kreuzworträtsel, Fernsehen und ihre beiden Katzen. „Aber meine Katzen können mir auch nicht antworten“, sagt die 80-Jährige, die mit ihrer kleinen Rente auf Unterstützung angewiesen ist.

Im Juni muckte dann ihr Fernseher nach einem heftigen Sturm das erste Mal. „Erst habe ich  gedacht, es liegt an der Antenne. Aber mein Vermieter war in Urlaub.“ Seitdem hockt die alte Dame ganz ohne Fernsehen – und leidet noch stärker unter ihrer Einsamkeit als zuvor. Mal schaute ein Bekannter vorbei, fand aber keinen Fehler. Dann empfahl ein Bekannter ihr seinen Bekannten, der das Gerät auch wieder in Gang brachte. „Aber nur für einen Tag, dann flackerte das Bild wieder und es war wieder alles dunkel.“ 

„So allein sein, ist einfach fürchterlich. Ganz ehrlich, auch schon daran gedacht, mir das das Leben zu nehmen, wenn ich meine beiden Katzen nicht gehabt hätte.“

Christa B. (80 Jahre)

So ging das wochen- und monatelang. Auch ein neues Antennenkabel, das ein Bekannter ihres Vermieters der Seniorin verlegte, brachte nichts. Sogar einen gebrauchten anderen Fernseher kaufte Christa B.. Doch auch der blieb dunkel. Schließlich bekam sie sogar Streit mit ihrem Vermieter, weil sie ihm eine Mietminderung angedrohte, da sie nach wie vor davon ausging, dass die Störung an der Hausantenne lag. Immerhin: „Der Viermieter war da und seit ein paar Tagen funktioniert er endlich wieder“, freut sich die alte Dame. Was der Fehler? Schulterzucken. „Ich weiß nicht, was er gemacht hat.“

Seit Juni hockte die einsame Seniorin in ihrer kleinen Wohnung ganz ohne Fernsehen. „Mein einziges Vergnügen war das Kreuzworträtsel. So allein sein, ist einfach fürchterlich. Ganz ehrlich, ich hatte auch schon daran gedacht, mir das das Leben zu nehmen, wenn ich meine beiden Katzen nicht gehabt hätte“, sagt die 80-Jährige.

Kontakt zum Seniorenbeirat

Zum Glück hat Christa B. inzwischen Kontakt zum Seniorenbeirat bekommen. Der Vorsitzende Frank Brockbals hat die alte Dame am vergangenen Freitag (11.12.) besucht und ihr versprochen, Kontakt zu halten. Gemeinsam mit ihr will er auch die Seniorenbegegnungsstätte besuchen, sobald sie nach dem Corona-Lockdown wieder geöffnet ist. „Dort gibt es viele Angebote für Senioren“, erklärte Frank Brockbals der Seniorin. „Ganz sicher hat man dort auch immer Bedarf für jemanden, der sich ehrenamtlich engagieren will, etwa im Küchenteam.“

Einsamkeit und Isolation gibt es aber nicht nur während der Pandemie, und es sind beileibe nicht nur ältere und alte Menschen betroffen: „Die Corona-Krise wirkt allerdings aktuell wie ein Vergrößerungsglas, das uns das Thema Vereinsamung und Isolation deutlich vor Augen führt“. Jürgen Jentsch, der Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Nordrhein-Westfalen (LSV NRW), hört derzeit aus zahlreichen Kommunen, wie bitter sich die vielfach fehlenden Kontakte auswirken. „Aber wir vernehmen andererseits auch erfreut, wie engagiert sich Seniorenvertreter, private Gruppen oder Vereine vor Ort kreativ gegen Einsamkeit einsetzen“.

Hans Kurth, Vorsitzender der kommunalen Seniorenvertretung in Münster, kann das nur bestätigen. „Restaurants und Cafés sind als beliebte Treffpunkte geschlossen, dazu kommen die Ängste vor einer Ansteckung und dann fallen ja auch die regelmäßigen Angebote in Seniorenzentren und Begegnungsstätten aus“. Kurth, der engagiert im selbstverwalteten Begegnungszentrum „Altes Backhaus“ in Münster mitarbeitet, konnte diese Gedanken erst kürzlich in einem Fernseh-Interview im WDR einem breiten Publikum nahebringen.

Einsamkeit verhindern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Dabei wurde deutlich, wie sehr es mit zum Kerngeschäft von Seniorenvertretungen gehört, auf die anderen um sich herum zu achten. „Wir in Münster etwa haben uns bemüht, in den städtischen Corona-Krisenstab die Perspektive der Senioren einzubringen“, berichtet Kurth. Auch weist er auf die große Bedeutung der kleinen Gesten in sozialen Netzwerken, von Telefonaten oder postalischen Grüßen in der Zeit der erzwungenen Distanzen hin, um Kontakte zu halten. „Auch viele Jüngere, etwa im Homeoffice oder im Studium am Bildschirm, leiden unter Vereinsamung. Sie haben nur in der Regel mehr Möglichkeiten, daraus zu entkommen.“

Einsamkeit zu verhindern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Erschreckend für den Vorstand der Landesseniorenvertretung: Laut dem Deutschen Zentrum für Altersfragen erhält jeder vierte alte Mensch nur einmal im Monat Besuch von Freunden oder Bekannten, manche haben überhaupt keinen Kontakt nach außen. „Umso wichtiger ist es – nicht nur für die kommunalen Seniorenvertretungen – diese soziale Isolation in Städten und Gemeinden zum Thema zu machen, auch wenn es in diesen Zeiten dafür noch mehr Kraft und Kreativität braucht“.  Aber die, so Jentsch zuversichtlich, habe den Seniorenvertretungen ja noch nie gefehlt.

  • Kontakt Seniorenbeirat: Tel. 0174 61 86 377 (Mo u Di 9 bis 10.30 Uhr)

Corona, Einsamkeit, Seniorenbeirat


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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