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Ehemann nach Streit mit seiner Frau wegen schweren Raubes angeklagt: Freispruch

Die Anklage gegen den 39-jährigen Vater von zwei Jungen im Alter von acht und zwölf Jahren wiegt schwer: Der in Holzwickede wohnende polnische Staatsbürger soll am 23. Januar gegen 22 Uhr stark alkoholisiert vor dem Wohnhaus seiner ebenfalls polnischen Frau in der Hamburger Allee lautstark mit ihr gestritten und sie schließlich mit einem langen Küchenmesser bedroht und ihre Handtasche mitgenommen haben. Für den 39-Jährigen ging es heute (19. Dezember) vor dem Schöffengricht Unna um viel: Die Anklage gegen ihn lautet auf schweren Raub. Dafür sieht das Gesetz eine Mindeststrafe von drei Jahren und selbst in einem minderschweren Fall noch mindestens ein Jahr Gefängnis vor.

Bereits in der ersten Verhandlung im Mai des Jahres hatte der Angeklagte den Sachverhalt jedoch ganz anders dargestellt als seine Frau. Die Verhandlung war danach unterbrochen worden, weil ein familienrechtliches Hauptverfahren anhängig ist und das Gericht zunächst Akteneinsicht nehmen wollte, um die sehr schwierige Beziehung des Angeklagten und seiner Frau verstehen zu können.

Sorge um eigene Kinder

Der Angeklagt schilderte über eine Dolmetscherin, dass er an dem Tattag seinen jüngeren Sohn gegen 20 Uhr zur Wohnung der von ihm getrennt lebenden Mutter gebracht habe. Auf sein Klingeln habe sein älterer Sohn habe den jüngeren Bruder ins Haus gelassen, weil er das Haus nicht betreten durfte. Dann sei er zu seiner eignen Wohnung zurück gefahren. Etwas später hätten ihn dann seine Kinder angerufen und gebeten, ihnen etwas zum Essen zu besorgen. Sie wären ganz allein zu Hause und hätten Hunger. Da habe er sich Sorgen gemacht. Er habe bei McDonalds etwas zu essen für seine Kinder besorgt und sei zur Wohnung seiner Frau zurück. Vor dem Haus sei ihm dann seine Frau entgegengekommen.

Er habe sie zur Rede gestellt, weil sie ihre Kinder allein gelassen habe und ihr mit dem Jugendamt gedroht.  Es entwickelte sich ein lautstarker Streit – wie so oft in ihrer zerrütteten Ehe. Schließlich sei seine Frau auf ihn losgegangen und habe ihn mit ihrer Handtasche geschlagen. Dabei sei der Trageriemen gerissen und die Tasche zu Boden gefallen. Weil er verhindern wollte, dass seine Frau mit ihrem Auto wieder wegfährt, habe er ihre Handtasche mit den Autoschlüsseln an sich genommen. Nicht ohne den Hinweis an seine Frau, dass sie die Tasche am anderen Tag wiederbekommt.

Er habe mit seiner Frau vereinbart, dass sie ihm einige Dokumente aushändige, die er benötige, wenn er die Tasche am anderen Tag zurückbringe. Als er am anderen Tag mit der Tasche bei seiner Frau auftauchte, habe diese ihn gebeten, vor dem Haus im Auto zu warten. Sie schicke ihren Sohn, die Tasche zu holen. Stattdessen kam die Polizei, nahm die Tasche in Empfang – und schickte den 39-Jährigen nach einer knappen Ansprache nach Hause.

Mit Messer gedroht und Handtasche geraubt

Der Angeklagte beharrte aber darauf: Er sei zur Tatzeit weder alkoholisiert gewesen noch habe er seine Frau geschlagen. Er habe sie auch nicht mit einem Messer bedroht.

Seine 32 Jahre alte Ehefrau zögerte heute zunächst, als Richterin Sarah Schlierkamp sie fragte, ob sie aussagen oder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte. Möglicherweise deshalb, weil sich beide Ehepartner inzwischen darauf verständigt haben, jeweils einen der beiden Söhne zu sich zu nehmen. Schließlich sagte die Mutter aber doch noch aus – und belastete ihren Mann, ebenfalls mit Hilfe einer Dolmetscherin, schwer:

Als sie an besagtem Abend von der Spätschicht als Altenpflegerin nach Hause kam, habe ihr Mann sie weggestoßen und nicht ins Haus gelassen. Er habe sie sofort übel beschimpft, umklammert und schließlich auch mit einem gezücktem Messer gedroht: „Ich töte Dich, Du Lappen!“ Als sie daraufhin zu ihrem Auto rannte, lief er hinterher, stieß sie und zerrte an ihr herum und nahm ihr die Handtasche weg. Als sie eine vorbeigehende Frau Hilfe bat, die aber nicht reagierte, ging ihr Mann weg. Zunächst gab sie an, dass er sie auch geschlagen habe. Auf genaueres Nachfrage blieb sie seltsam vage und verneinte das schließlich.

Tags darauf habe ihr Mann sie dann mit dauernden Anrufen terrorisiert und auch bedroht. Der sei auch mehrmals vor ihrem Haus gewesen, habe aber die Tasche nicht freiwillig zurückgegeben. Die habe sie vielmehr erst durch die Polizei bekommen, die sie erneut gerufen hatte.

Widersprüchliche Aussagen

Als weitere Zeugen sagten heute auch zwei Polizeibeamte aus – ohne den widersprüchlichen Sachverhalt erhellen zu können. Nach kurzer Beratung verzichtete die Richterin auf die Ladung weiterer Zeugen und schloss die Beweisaufnahme. Letztlich blieb es dabei, dass hier Aussage gegen Aussage stand.

Da hier Aussage gegen Aussage steht, sei dem Angeklagten ein schwerer Raub nicht nachzuweisen, räumte die Anklagevertreterin ein: Erwiesen sei lediglich, dass es einen heftigen beiderseitigen Streit gegeben habe und der Angeklagte  seine Frau zu ihrem Pkw verfolgt habe. Dort habe er dann ihre auf dem Boden gefallene Handtasche mitgenommen. Dies sei als Diebstahl zu werten, da ihm die Tasche nicht freiwillig überlassen wurde. Dabei sei es egal, ob er die Tasche behalten wollte oder nicht. Für den Angeklagten sei zu werten, dass er geständig sei. Seine eheliche Beziehung sei ausgesprochen schwierig und von Spannungen und Streitigkeiten geprägt. Der Angeklagte ist aber auch schon einmal wegen Diebstahls vorbestraft. Die Anklagevertreterin hielt deshalb eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen a‘ 25 Euro für angemessen.

Die Verteidigerin des 39-Jährigen sah dagegen keinen einzigen der Tatbestände als erwiesen an. Für einen Diebstahl hätte ihr Mandant den Vorsatz haben müssen, die Tasche dauerhaft in seinen Besitz zu bringen. Er habe jedoch kein Interesse an der Tasche oder ihrem Inhalt gehabt, sondern gewollt, dass seine Frau nicht wieder wegfährt. Außerdem habe er gleich deutlich gemacht, dass er ihr die Tasche am anderen Tag wiedergeben werde. Für die Verteidigerin kam deshalb nur ein Freispruch infrage.

Tatbestände nicht nachweisbar

Nach etwa halbstündigen Beratung lautete das Urteil des Schöffengerichts schließlich: Freispruch.

Das Gericht ging bei dem Urteil davon aus, dass es einen Streit mit gegenseitigem Gerangel und Beleidigungen gab, erläuterte Richterin Sarah Schlierkamp. Der Angeklagte habe dann die Tasche an sich genommen, die Rückgabe aber sofort mit seiner Frau verabredet. Seine Frau habe die Tasche dann auch am nächsten Tag wie verabredet zurück erhalten.

Dass der Angeklagte ein Messer oder einen Ausweis aus der Handtasche einbehalten habe, sei „nicht nachweisbar“.  Seine Frau habe eine Aussage gemacht, die sich inhaltlich von ihrer gegenüber der Polizei genmachten Aussage unterschied. Es sei auch völlig unklar geblieben, woher das Messer kam o0der wo es geblieben ist. Von daher sei die Aussage der Frau nicht besonders glaubhaft.

Um einen Diebstahl hat es sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht gehandelt, weil der Angeklagte sich die Handtasche nicht wirklich aneignen wollte.  Der Wille, die Tasche zu behalten, sei nicht nachweisbar. Dagegen sei es nicht unüblich in ihrer Beziehungen gewesen, dass der Angeklagte seiner Frau die Tasche vorübergehend wegnimmt, um sie ihr später wieder auszuhändigen. Auch wenn er die Tasche tatsächlich genutzt haben sollte, um seine Frau unter Druck zu setzen, sei das „keine Nötigung, sondern nur unglaublich schlechtes Verhalten“.

Strafrechtlich mag es nichts geben, was mit diesem Urteil an dem Angeklagten hängen bleibt, darüber hinaus aber Vieles, was an der sehr schwierigen Beziehung der Eheleute hängen bleibt, mahnte die Richterin. Leidtragende seien vor allem ihre beiden Kinder, sollten sich beide deutlich machen. „Wir können nur hoffen, dass es Ihnen gelingt, ihre Probleme künftig anders zu regeln.“  

schwerer Raub


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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