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Der Lotse geht von Bord: Jenz Rother wechselt nach 16 Jahren in Ruhestand

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Nach 16-jähriger Amtszeit wird Bürgermeister Jenz Rother heute in den Ruhestand verabschiedet. (Foto: SPD)

Die Sondersitzung des Gemeinderates heute (20. Oktober) ab 16 Uhr im Forum des Schulzentrums wird eine politische Zäsur bringen und Lokalgeschichte schreiben.  Nach 16-jähriger Amtszeit wird Bürgermeister Jenz Rother (69 J.) aus dem Amt verabschiedet. Anschließend wird Ulrike Drossel (Bürgerblock) als erste hauptamtliche Bürgermeisterin der Emschergemeinde neu ins Amt eingeführt.

Eröffnen wird die Sondersitzung noch Bürgermeister Jenz Rother, der nach der Begrüßung einige Worte zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit sagen wird. Danach werden reihum die Vorsitzenden aller Ratsfraktion sein Wirken als Bürgermeister in der Gemeinde würdigen, unterbrochen nur durch musikalische Intermezzi Uli Bärs.  Wie immer bei solchen Gelegenheiten dürfte es viel Lob und kaum kritische Worte für den scheidenden Amtsinhaber geben.

Tatsächlich ist eine abschließende Bilanz der Amtszeit von Bürgermeister Jenz Rother gar nicht so einfach zu ziehen. Das zeigt sich schon daran, dass die Zahl derjenigen, die Rothers Abschied heute kaum erwarten können in etwa so groß sein dürfte wie derjenigen, die ihn gerne noch etwas länger im Amt sehen würden. Das war mal ganz anders, als der ehemalige Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Holzwickede sich vor 16 Jahren zur Kandidatur entschied.

Das ist umso bemerkenswerter, weil eigentlich doch gar kein Zweifel daran bestehen kann: Jenz Rother hat in seiner Amtszeit als Bürgermeister viel für die Gemeinde Holzwickede erreicht. Kaum ein anderer Bürgermeister,  der nach Abschaffung der Doppelspitze im Kreis Unna ins Amt gekommen ist, hat wohl mehr für seine Kommune erreicht, als der ehemalige Pfarrer, dem das anfangs kaum einer zugetraut hätte.

Als Bürgermeister viel erreicht für Holzwickede

Eine von Rothers größten Stärken ist dabei neben seiner auf der Kanzel geschulten Rhetorik immer gewesen, dass er spontan und unbefangen auf Menschen zugehen und eine Gesprächsebene mit ihnen finden kann. Und zwar ganz unabhängig davon, welchem politischen Lager sie angehören oder anderer Widrigkeiten.

Als Bürgermeister zeichnet Rother neben einem ausgeprägten politischen Instinkt aus, was so vielen anderen Kommunalpolitkern abgeht: Er kann Visionen entwickeln und verfolgen, auch und gerade über alle Sachzwänge und Begleitumstände hinweg.

Mit zunehmender Dauer seiner Amtszeit ist Jenz Rother allerdings auch beratungsresistenter geworden und neigte zu Alleingängen, was schließlich dazu führte, dass er mehr als einmal nicht nur seine politischen Gegner, sondern auch die eigenen Mitarbeiter im Rathaus und seine Parteifreunde zur Verzweiflung trieb. Dies und seine unberechenbare Art der Personalführung führten dazu, dass er als Verwaltungschef zeitweise seine komplette Führungsriege im Rathaus gegen sich aufgebracht hatte und so mancher fähige und erfahrene Mitarbeiter sich frustriert zurückgezogen hat.

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Jenz Rother unmittelbar vor seiner Wahl als Bürgermeister. (Foto: Archiv)

Mit seiner direkten und jovialen Art, die von vielen als gönnerhaft, herablassend und manchmal auch verletzend empfunden wird,  gelang es Jenz Rother trotzdem gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit Bewegung in einige seit Jahren schon festgefahrene Verhandlungen zu bringen: So konnte er etwa einem als schwierig geltenden Landwirt den Grundbesitz abhandeln, der für den Bau eines Radweges an der Opherdicker Straße unbedingt nötig war.

Mit ähnlich diplomatischem Geschick schaffte es Jenz Rother auch, den „Schandfleck“ Schrottplatz im Norden der Gemeinde zu beseitigen. Voraussetzung dafür war der Kauf des 10.000 m2­ großen Meiritsch-Grundstücks für mehrere Millionen Euro durch den Diskounter Lidl, dessen Geschäftsführer Rother davon überzeugen konnte, sich an der Wilhelmstraße anzusiedeln.

Kaum zu glauben: Zu Beginn seiner ersten Amtszeit waren fehlende Einkaufsmöglichkeiten im Norden der Gemeinde noch ein großes Thema. Mit der Beseitigung der Autoverwertung am Ortseingang und der Ansiedlung von Lidl schlug Rother also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. In der Folgezeit gelang dann unter seiner Regie mit der Entwicklung der Gewerbeflächen an der Stehfenstraße ein echter Coup. Dass die Gemeinde Holzwickede es schaffte, die ehemaligen Bahnflächen dort in kaum fünf Jahren für den Einzelhandel umzuwandeln,  ist maßgeblich Jenz Rother zu verdanken. Es zeigt zugleich, welche ausgezeichneten Kontakte und Netzwerke er als Bürgermeister von Holzwickede in Politik und Wirtschaft knüpfen konnte: Nach einem Vortrag in Düsseldorf zur Aktivierung von Bahnflächen war er zum Vorsitzenden des Forums Bahnflächen NRW gewählt worden und gewann damit direkten Zugang zum damaligen Bau- und Verkehrsminister. Während es anfangs nicht einmal möglich war zu klären, welcher Bahngesellschaft welche Flächen auf dem Gelände gehören,  ging die Entwicklung des Areals mit Rother als Vorsitzenden des Forums Bahnflächen plötzlich ganz schnell. So fix,  dass darüber andere Kommunen im Land noch immer Staunen können.

Rothers größter Erfolg: Entwicklung der Carolinefläche

Seinen größten politischen Erfolg als Bürgermeister erzielte Rother jedoch mit der Entwicklung der Carolinefläche in der Gemeindemitte um die Jahrtausendwende. Was für viele heute „nur“ ein demografisch wichtiges Neubaugebiet ist, war in Wirklichkeit mehr eine komplizierte Rettungsmaßnahme für Holzwickedes damals größten Arbeitgeber, die Wiederholt-Werke. Für knapp sechs Mio. Euro, die über Kredite finanziert wurden, kaufte die Gemeinde Holzwickede Wiederholt die Carolinefläche ab. Mit dem Geld aus dem Grundstücksverkauf konnte sich Wiederholt auf dem einen verbleibenden Standort konsolidieren. Abgewickelt wurde die Finanzierung außerhalb des Gemeindehaushaltes über ein Treuhandkonto. Neben den Krediten für die Standortsicherung investierte die Gemeinde anschließend weitere mehrere Millionen Euro für die städtebauliche Entwicklung der Carolinefläche, die heute ein blühendes Wohngebiet ist.

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Seltenes Treffen im Jahr 2001. Bürgermeister Jenz Rother (2.v.l.) mit seinem Dortmunder Amtskollegen OB Langemeyer (2.v.r.), seinem früheren Referenten Gerd Kolbe (l.). sowie Bauamtsleiter Jens-Uwe Schmiedgen (r.) und Holzwickedes Beigeordneter Max-Otto Kohl (3.v.r.)  (Foto: Archiv)

Doch bis es soweit kam, waren schwierige Gespräche nötig, mussten dicke politische Bretter gebohrt werden. Allein drei Jahre dauerten die Verhandlungen um den Grunderwerb, in denen sich Jenz Rother gegen alle Bedenkenträger im eigenen und anderen Lager als  zäher und geduldiger Verhandlungsführer erwies. Viele Einzelheiten des Vertrages, der schließlich nach einer Marathon-Sitzung im Holiday Inn in Kamen unterzeichnet wurde, waren – typisch für Rother, der weltlichen Genüssen nie abgeneigt war – in der Dortmunder Edel-Pizzeria Navona ausgehandelt worden.

Die Liste der unter seiner Führung umgesetzten Projekte in der Emschergemeinde ließe sich noch lange fortsetzen: die Vorfinanzierung und Umbaumaßnahme der Chaussee, die Ansiedlung von Rewe, Aldi und eines Fachmarktzentrums samt Rad- und Gehwegen an der Stehfenstraße, die Erweiterung von Sonepar zum größten Arbeitgeber der Gemeinde, die Umsiedlung von Stahl und Plastik, die Realisierung des Ausbildungszentrums von Montanhydraulik, der neue Marktplatz, der Kunstrasenplatz in Opherdicke, die Brücke an der Vincenz-Wiederholt-Straße, die Aufhübschung der Unterführung  – kein Zweifel: Jenz Rother hat wie kaum ein anderer Bürgermeister seine Spuren in Holzwickede hinterlassen.

Fußgängerbrücke und Ratskeller-Affäre trüben das Bild

Jenz Rothers Tragik ist allerdings, dass seine unbestreitbaren Erfolge kaum jemand wahrnehmen will. Vielmehr wird seine Person vor allem mit der Kostenexplosion beim Bau der Fußgängerbrücke in der neuen Caroline sowie den Skandal um den Ratskeller verbunden.

Zuzuschreiben hat sich das Jenz Rother vor allem selbst. Während er sich politische Erfolge gerne ans eigene Revers heftet, lehnte er für die Vorgänge um die Fußgängerbrücke und den Ratskeller jede politische Verantwortung ab. Und noch immer sieht er sich selbst in beiden Angelegenheiten als unschuldiges Opfer einer Kampagne.

Was Rother, der ansonsten ja durchaus über politischen Gespür verfügt, unterschätzt hat: Mögen die Parteien im Rat auch nicht einig genug für ein Misstrauensvotum gegen ihn gewesen sein. In der Holzwickeder Bevölkerung war die Meinung über seine Verantwortung ziemlich einhellig. Beim Bürger auf der Straße kam sein Verhalten gar nicht gut an und die Politikverdrossenheit wuchs, tra schließlich auch seine Partei, die SPD.

Bei seinen seltener gewordenen öffentlichen Auftritten wirkte Jenz Rother spätestens seit der Ratskeller-Affäre denn auch seltsam angeschlagen und wie ein Bürgermeister auf Abruf. Wohl auch aus Trotz erwies Jenz Rother schließlich seiner eigenen Partei einen Bärendienst, indem er die Goldene Brücke, die allen Bürgermeistern in NRW von der Landesregierung vor der Kommunalwahl 2014 gebaut wurde, nicht betreten und seine Amtszeit bis zum planmäßigen Ende bringen wollte. Damit verhinderte Rother eine gemeinsame Kommunal- und Bürgermeisterwahl im vergangenen Jahr. Und nicht wenige in seiner eigenen Parteien sehen darin einen der Hauptgründe für die verlorene Wahl des SPD-Spitzenkandidaten in diesem Jahr.

Dass Jenz Rother seit fast einem Jahr sein Amt aus gesundheitlichen Gründen kaum noch wahrnehmen konnte, ist ihm nicht anzulasten. Er selbst hat sich sein letztes Amtsjahr sicher auch ganz anders vorgestellt.

Und wer weiß: Vielleicht ändert sich im zeitlichen Abstand ja auch noch einmal die Meinung seiner Kritiker über ihn und es wird in einigen Jahren über den heute verabschiedeten Bürgermeister heißen: „Eigentlich war Jenz Rother ja doch einer der besten Bürgermeister, die wir hatten in Holzwickede.“


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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