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Beleidigung und Nötigung: 750 Euro Geldstrafe und ein Monat Fahrverbot für renitenten Rentner

Mitunter sind bei einem Rechtsanwalt nicht nur die juristischen, sondern vor allem die psychologischen Fähigkeiten gefragt im Umgang mit dem eigenen Mandanten. So wohl auch bei einem 71-jährigen Rentner aus Holzwickede, der sich wegen Beleidigung und Nötigung vor dem Amtsgericht Unna zu verantworten hatte. Zwischen seinem ersten Verhandlungstermin im April, den der Rentner noch ganz ohne Rechtsbeistand wahrnahm, und seinem zweiten am vergangenen Freitag, änderte der Rentner seine Aussage und sein Verhalten um 180 Grad. Genützt hat es dem 71-Jährigen aber nur bedingt: Richter Jörn Granseuer verurteilte den Rentner zu einer Geldstrafe von 750 Euro und einem Monat Fahrverbot.

Angeklagt war der Senior, weil er am 9. Oktober vorigen Jahres um 8.15 Uhr einem 58 Jahre alten E-Biker auf der Landskroner Straße bei der Ausfahrt von seinem Grundstück in Höhe des Hixterwaldes die Vorfahrt genommen und anschließend auch noch den Mittelfinger gezeigt hatte (Emscherblog berichtete).

An der Einmündung Römer- und Wellstraße musste der Rentner mit seinem Pkw anhalten, weil er nach links abbiegen wollte, der E-Bike-Fahrer schloss auf und die ungleichen Kontrahenten trafen sich wieder. Der Radler versuchten den Rentner an der Weiterfahrt zu hindern und ihn zur Rede zu stellen. Doch der erzwang sich die Weiterfahrt.

Rentner gibt Unschuldslamm in erster Verhandlung

Dass das Ganze nicht in harmonischer Eintracht abgelaufen ist, dürfte naheliegen. In der ersten Verhandlung gab der Rentner jedoch das vollkommene Unschuldslamm: Er habe weder dem Biker die Vorfahrt genommen noch ihn irgendwie beleidigt und schon gar nicht abgedrängt. Im Gegenteil: Der E-Biker sei schon „wie ein Hooligan“ ganz in Schwarz mit Sonnenbrille bekleidet gewesen und habe sich auch so benommen. Wenn jemand genötigt worden sei, dann nur er, so der Angeklagte, der seinem Kontrahenten sogar „eine Persönlichkeitsstörung“ attestierte.

Das Pech des renitenten Rentners: Seine Aussage widersprach nicht nur jeder Lebenserfahrung. Sein Kontrahent konnte auch zwei Zeugen vorweisen, die im Einmündungsbereich Römerstraße alles beobachtet hatten.

Trotz guten Zuredens durch den Richter blieb der Rentner aber starrköpfig bei seiner Aussage. Deshalb blieb dem Gericht nichts anderes übrig, als einen weiteren Verhandlungstermin anzusetzen, um die beiden Augenzeugen zu befragen.

Das gestaltete sich allerdings als schwieriger als erwartet. Nach mehreren Vertagungen konnte schließlich am vergangenen Freitag ein Termin gefunden werden. Zu dem erschienen dann nicht nur die beiden Zeugen, die befragt werden sollten, sondern auch der Angeklagte mit einem Rechtsbeistand. Dieser hatte seinem Mandanten offenbar klarmachen können, was ihm drohen könnte, wenn er bei seiner starrköpfigen Haltung bleibt: unter anderem der dauerhafte Entzug der Fahrerlaubnis. Das zeigte offenbar Wirkung.

Kehrtwende in der zweiten Verhandlung

Sein Mandant sei ein „sehr selbstbewusster, aber auch sehr selbstkritischer Mensch, zu dessen Selbstbildnis die ihm vorgeworfene Entgleisung so gar nicht passt“, erklärte der Anwalt beredt.  „Deshalb hat er in Bausch und Bogen die Vorwürfe des Geschädigten bestritten.“  Er habe seinem Mandanten aber klargemacht, dass dies so nicht gehe. „Mein Mandant tritt deshalb den Vorwürfen gegen ihn nicht mehr entgegen und will sich auch bei dem Geschädigten entschuldigen“, so der Verteidiger im Namen seines Mandanten.

„Das hätten wir aber auch alles viel einfacher haben können“, befand Richter Jörn Granseuer daraufhin – und entließ die beiden geladenen Zeugen ungehört wieder nach Hause.

„Das hätten wir aber auch alles viel einfacher haben können.“

– Richter Jörn Granseuer

Nachdem sich der 71-Jährige tatsächlich kleinlaut bei dem Geschädigten „für die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen bereitet habe“ entschuldigte, plädierte der Vertreter der Anklage auf eine Gesamtstrafe von 1.200 Euro für den Angeklagten. Als strafmildernd hatte er dabei berücksichtigt, dass der Rentner keinerlei Vorstrafen hat und sich schließlich noch entschuldigt hat. Dem konnte sich auch der verteidiger anschließen.

Das Urteil von Richter Jörn Granseuer fiel mit 25 Tagessätzen a‘ 30 Euro (=750 Euro) etwas milder aus. Allerdings verhängte der Richter auch ein Fahrverbot von einem Monat gegen den 71-Jährigen. „Von diesem Fahrverbot war nicht abzusehen“, begründete der Richter sein Urteil. „Schließlich war das Verhalten des Angeklagten im Straßenverkehr nicht ungefährlich.“ Andererseits sei der eine Monat ausreichend, „um dem Angeklagten zu zeigen, dass es so nicht geht, wie er sich verhalten hat“.


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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