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Eine Frage der Perspektive

Eine Dreiviertel Million Euro ist viel Geld. Darum ist es mehr als bedauerlich, dass Holzwickede die Fördermittel vom Land nicht wie von NRW-Ministerin Ina Scharrenbach angekündigt erhalten wird. Dass Fördermittel nur für Maßnahmen gezahlt werden, mit denen noch nicht begonnen wurde, ist üblich und vor allem rechtens. Der Politik in Holzwickede daraus nun im Nachhinein einen Vorwurf zu machen, wäre allerdings wohlfeil.
Schließlich hatte die Holzwickeder Politik gute Gründe, warum man sich im September 2020 dafür entschieden hat, das Nichtschwimmerbecken aus Eigenmitteln zu erneuern:  Die Bürger in Holzwickede hatten bereits eine Saison ohne das wichtigste Becken im Freibad Schöne Flöte hinnehmen müssen und es war klar, dass ein neues Becken auch in der Badesaison 2021 noch nicht zur Verfügung stehen kann. Deshalb sollte kein weiteres Jahr verloren werden, in dem man auf einen Förderbescheid wartet, der höchstwahrscheinlich erneut negativ ausfallen würde, wie die Verwaltung die Signale aus der Bezirksregierung deutete.
Und selbst wenn: Ein Förderbescheid käme erst gegen Ende 2021, was bedeutet hätte, dass die Gemeinde die Arbeiten für das neue Becken nicht mehr rechtzeitig auf den Weg hätte bringen können. Ein Saisonstart mit neuem Becken wäre in diesem und vermutlich auch noch im nächsten Jahr völlig ausgeschlossen gewesen.
Der Eigenbetrieb Wasserversorgung, dem der Bäderbetrieb angeschlossen ist, und auch der Kämmerer der Gemeinde teilten der Politik aber mit, dass sich die Gemeinde Holzwickede die fast eine Million Euro teure Maßnahme auch ohne Fördermittel leisten zu könne.
Also wurde die Entscheidung, mit der Maßnahme sofort zu beginnen, ohne die vage Aussicht auf Fördermittel abzuwarten, ganz bewusst von der Politik getroffen.

Natürlich kann man das kritisieren. Doch dann muss man den Bürgern ehrlicherweise auch sagen, dass sie frühestens in der Badesaison 2023/2024 wieder im Nichtschwimmerbecken planschen könnten.
Die Holzwickeder Politik entschied im September 2020 einmütig anders, alle waren zufrieden und eine Förderung war auch kein Thema mehr.
Dieses „Fass“ machte dann ganz ohne Not erst die NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung des Landes NRW bei ihrem Besuch im November vorigen Jahres bei ihrem Besuch im Kreis auf Haus Opherdicke auf. Warum? Weil sich Ministerinnen und Minister aller Parteien nun einmal gerne bei ihren seltenen Besuchen in der Provinz oder noch lieber dem eigenen Wahlkreis als Wohltäter gerieren und das Füllhorn der Fördermittel über das Wahlvolk ausschütten. Macht sich einfach auch gut, so wenige Monate vor einer Landtagswahl.
Wie sich jetzt zeigt, hätte sich die Ministerin besser in ihrer eigenen Administration genauer erkundigen sollen, wie der Stand des Verfahrens ist. Die Peinlichkeit, öffentlich zurückrudern zu müssen, wäre ihr erspart geblieben.
Aber auch ihre Bürokratie hat sich nicht mit Ruhm in dieser Sache bekleckert. Schließlich lag der Bezirksregierung der Förderantrag der Gemeinde schon im Herbst 2020 vor. Für eine Förderung im selben Jahr war das vielleicht noch etwas zu kurzfristig. Doch warum sich ihre Bürokraten dann bis Ende 2021, also noch einmal mehr als ein ganzes Jahr Zeit ließen, um über den schon vergilbenden Förderantrag zu entscheiden, mag nur verstehen, wer Amtsschimmel auch für Rennpferde hält.
Statt sich zu ärgern, dass der Gemeinde so 750.000 Euro Fördermittel durch die „Lappen gegangen“ sind, sollten sich die Holzwickeder also lieber freuen, dass sich die Gemeinde ein neues Edelstahlbecken für die Schöne Flöte auch aus eigener Finanzkraft leisten kann und ihre Politik das auch will.

Förderbescheid, Nichtschwimmerbecken


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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