900 Euro Geldstrafe für drastische Beleidigung am Telefon
Einen Behinderten-Bonus gab es für den Angeklagten, der nach einem Motorradunfall seit 2011 an den Rollstuhl gefesselt ist, heute (9.2.) nicht: Richter Jörg Granseuer verurteilte den 35-jährigen Dortmunder wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 900 Euro.
Laut Anklageschrift soll der Angeklagte am 14. Januar 2015, also vor über einem Jahr, in der Autowerkstatt seines Vertrauens an der Schäferkampstraße 6 in Holzwickede angerufen und einen Mitarbeiter am Telefon mit den wenig schmeichelhaften Bezeichnungen „Du Schwanz“ und „Du Wichser“ beschimpft haben .
Fünf Zeugen wurden in der Verhandlung heute dazu gehört, wobei sich kein einheitliches Bild des Geschehens abzeichnete. Der Angeklagt selbst gab das Unschuldslamm: Er habe am Tattag mit Freunden gemeinsam ein Café und besucht und sei einkaufen gewesen. Unterwegs habe im Armaturenbrett des Autos, mit dem man unterwegs gewesen sei, ein Lämpchen geleuchtet. Darum habe er in der ihm gut bekannten Werkstatt in der Schäferkampstraße angerufen.
Doch kaum habe er jemanden abgehoben, sei er auch sofort angegangen worden: „Ich habe Dir doch gesagt, dass Du nicht vorbeikommen sollst. Ich rufe die Polizei“, habe sein Gesprächspartner gesagt und aufgelegt, so der Angeklagte. „Ich war völlig perplex und wusste überhaupt nicht, was los ist. Da habe ich meinen Freunden gesagt, dass wir besser weg bleiben sollten.“ Das Gelände der Werkstatt, das sie inzwischen erreicht hatten, verließen die vier Freunde daraufhin wieder unverrichteter Dinge. „Ich habe erst später erfahren, dass wohl jemand mit dem Namen Ivo dort angerufen und einen Mitarbeiter beleidigt hatte.“ Da auch er sich immer mit Ivo melde und von allen nur so genannt werde, muss es sich um eine Verwechslung handeln, so der Angeklagte mit treuherzigem Blick. „Ganz ehrlich. Ich habe niemanden beleidigt. Wenn Sie mit mir nach Dortmund kommen, kann ich Ihnen 10.000 Leute zeigen, die alle Ivo heißen.“
Ganz ehrlich. Ich habe niemanden beleidigt. Wenn Sie mit mir nach Dortmund kommen, kann ich Ihnen 10.000 Leute zeigen, die alle Ivo heißen.“
Der Angeklagte zu Richter Jörg Granseuer
Ein paar Tage nach dem Vorfall sei er dann in die Werkstatt gefahren, um sich zu entschuldigen, wie er einräumte. „Aber nicht für mich, sondern für diesen unbekannten Anrufer“, so der Angeklagte ernsthaft.
Anrufer soll der große Unbekannte gewesen sein
Der Mitarbeiter, den er beleidigt haben soll, erklärte als Zeuge, dass er am Tattag mehrfach von dem Angeklagten angerufen worden sei,. Dieser habe zunächst den Chef und später dann auch eine andere Mitarbeiterin sprechen wollen. Beiden seien aber nicht erreichbar gewesen und der Angeklagte habe ihm nicht sagen wollen, worum es geht. Schließlich habe er ihn beschimpft und beleidigt und dann aufgelegt. Vorher habe er aber noch angedroht, persönlich vorbei zu kommen. „Ich kannte den Angeklagten nicht persönlich. Aber es war bei uns in der Firma bekannt, dass er aggressiv wird. Auch andere Mitarbeiter hatten schon Probleme mit ihm.“ Schließlich sei ein ihm unbekannter Mann in den Betrieb gekommen, und habe ihn herausholen wollen, weil der Angeklagte in seinem Auto draußen auf ihn warte. „Ich bin aber nicht gegangen, sondern wir haben die Polizei geholt“, so der Zeuge.
Als sein Chef, der den Angeklagten als Kunden kannte, zurückkam und von dem Zwischenfall erfuhr, rief er den Angeklagten an und wollte ihn zur Rede stellen. „Da hat er auch mich beleidigt und gedroht, dass er persönlich vorbei kommen wolle, was er dann ja auch getan hat.“
Eine Verwechslung sei ausgeschlossen, betonte der Werkstatt-Inhaber. „Ich kenne nur diesen einen Ivo. Außerdem ist er ja auch ein paar Tage später wieder da gewesen und hat sich bei meinem Mitarbeiter entschuldigt.“ Dass er dies für jemanden anderen getan habe – davon sei nicht die Rede gewesen, erklärten beide Zeugen übereinstimmend. „Es war ja auch nicht der erste Vorfall dieser Art. Er hat auch schon andere Mitarbeiter beleidigt. Irgendwann ist jedoch eine Grenze überschritten. Und das hatte er an diesem Tag getan.“
Die drei Freunde des Angeklagten, die mit ihm am Tattag unterwegs waren, bestätigten dagegen übereinstimmend, was ihr angeklagter Kumpel ausgesagt hatte. Sie konnten sich zwar nur noch sehr lückenhaft an das Geschehen vor über einem Jahr erinnern. Doch dass es keine Beleidigungen gegeben habe und ihr Freund völlig unschuldig sei, wussten sie noch genau.
Viele Vorstrafen, darunter auch einschlägige
Der Vertreterin der Anklage schien das wenig glaubhaft. Die Aussagen der drei Entlastungszeugen klangen ihr zudem „sehr abgesprochen“. Den Vorwurf der Beleidigung sah sie durch die recht detaillierten Aussagen der beiden anderen Zeuge als erwiesen an. Gegen den Angeklagten spreche sein erhebliches Vorstrafenregister, darunter auch eine einschlägige Vorstrafe. Sie beantragte deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen a‘ 15 Euro für den Angeklagten.
Der Verteidiger des Angeklagten sprach dagegen von einer Glaubensfrage und beantwortete diese anders: Dass die drei Zeugen, die für seinen Mandaten aussagten, nach über einem Jahr große Erinnerungslücken gezeigt hätten, sei doch nachvollziehbar und glaubwürdig. Zumindest habe keiner von ihnen eine Beleidigung gehört. Die beiden anderen Zeugen hätten sich dagegen viel detaillierter erinnern können. Wobei der Firmenchef in der Verhandlung heute zum ersten Mal erklärt habe, dass er ebenfalls beleidigt worden sei. Keiner der beiden Belastungszeugen habe den Angeklagten jedoch am Tattag gesehen. „Wenn drei Zeugen unglaubwürdig waren, haben ja vielleicht alle fünf Zeugen dummes Zeug geredet?“, fragte der Verteidiger. Es blieben Zweifel, weshalb er für seinen Mandanten einen Freispruch forderte.
Richter Jörg Granseuer hatte keine Zweifel, wie er in seiner Urteilsbegründung verdeutlichte. Er folgte mit seinem Urteil von 900 Euro Geldstrafe dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Auch der Richter bezeichnete die Aussagen der drei Freunde des Angeklagten als unglaubwürdig, nicht nur weil sie offenkundig abgesprochen waren. Es erscheine aber doch sehr unwahrscheinlich, dass die Gruppe um den Angeklagten wegen eines Defektes zunächst die Werkstatt aufsucht und dann unverrichteter Dinge wieder wegfährt, nachdem der Angeklagte ein kurzes Telefonat mit der Werkstatt geführt habe, das er sich angeblich gar nicht erklären kann. „Wenn man schon mal draußen vor der Tür steht, fährt man doch nicht einfach weg, sondern fragt zumindest mal persönlich nach.“ Dass der Firmenchef heute in der Verhandlung erklärt habe, er sei ebenfalls beleidigt worden, spreche außerdem nicht gegen seine Glaubwürdigkeit.
Angeklagter kündigt Berufung an
Gegen den Angeklagten sprechen dagegen seine vielen Vorstrafen, so der Richter weiter. Zu seinen Gunsten spreche aber, dass er sich seit fünf Jahren nichts mehr zuschulden kommen lassen hat und sich bei dem Mitarbeiter ein paar Tage später persönlich entschuldigt habe. „Auch wenn das Prozessverhalten heute gezeigt hat, dass die Entschuldigung nicht sonderlich glaubwürdig ist“, so der Richter.
Annehmen wird der Angeklagte das Urteil wohl nicht. Er kündigte noch im Gerichtssaal heute an, in die Berufung gehen zu wollen.