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20-Jähriger reist zum Diebstahl aus Rumänien ein: Haftstrafe zur Bewährung

Immer wieder einmal landen Straftäter, zumeist aus dem osteuropäischen Raum, vor deutschen Gerichten, weil sie beim gewerbsmäßigen Ladendiebstahl erwischt werden. Meist werden die Täter, die oft kein einziges Wort Deutsch sprechen, von professionell organisierten Hintermännern auf Diebestour quer durchs ganze Land geschickt. Werden sie erwischt, bleiben die anonymen Drahtzieher unerkannt.  Die Angeklagten schweigen eisern vor Gericht, weil sie Angst um ihr Leben oder das ihrer Familien in den Heimatländern haben. Verurteilt werden so häufig nur die kleinsten Rädchen in der kriminellen Maschinerie.

Auch heute stand wieder ein 20-jähriger Rumäne vor dem Jugendschöffengericht in Unna, dem insgesamt zehn Fälle besonders schweren Diebstahls zur Last gelegt wurden: Von Oktober 2014 bis Mai 2015 wurde der junge Rumäne in Burscheid, Hamm, Wuppertal, Grefrath-Mühlhausen, Herten, Herne, Essen, Witten und schließlich in Holzwickede jeweils in Lidl-Filialen beim Ladendiebstahl erwischt. Teils alleine, teils mit Helfershelfern hatte der Angeklagte Waren im Wert von über 3.000 Euro gestohlen. Beim Verlassen der Läden oder kurz vorher wurden die Diebstähle jeweils bemerkt. In drei Fällen blieb es deshalb auch nur beim Versuch eines Diebstahls.

Am 20. Mai diesen Jahres wurde der Angeklagte schließlich auch im Lidl an der Wilhelmstraße in Holzwickeder erwischt, wie er mit einem vollen Einkaufswagen, in dem 39 Pakete Lavazzo-Kaffee, jede Menge Pistazien und andere Waren im Gesamtwert von rund 423 Euro lagen, an der Kasse vorbei den Laden verlassen wollte. Der 20-Jährige wurde festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft in der JVA Gelsenkirchen.

In allen zehn Fällen blieb die Beute in den Läden. Alle zehn Fälle räumte der 20-Jährige, der nur mit einem Dolmetscher seiner Verhandlung folgen konnte, heute ein.

So weit, so typisch. Ungewöhnlich nur, dass der junge Angeklagte auch zu seinen Hintermännern Angaben machte. Offen und relativ ehrlich räumte der 20-Jährige auf Nachfrage von Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus ein, vor einem Jahr nicht zum Arbeiten, sondern „zum Klauen“ nach Deutschland eingereist zu sein. In Rumänien gebe es ja keine Arbeit.

Zehn Mal beim Ladendiebstahl erwischt

„Das können wir so nicht akzeptieren“, stellte die Richterin einigermaßen fassungslos fest. „Wenn hier jeder zum Klauen herkommt, der keine Arbeit findet, haben wir ein echtes Problem.“  Das sei letztlich organisierte Kriminalität, auch wenn er selbst nur ein kleines Rädchen sei, belehrte die Richterin den 20-Jährigen. Wenn er zehn Mal erwischt worden sei beim Ladendiebstahl, wollte die Richterin noch wissen: „Wie oft klappt denn so etwas?“ Maximal ein- bis zwei Mal pro Woche sei er unterwegs gewesen, räumte der Angeklagte ein. Wenn er alleine war, sei er nicht so häufig erfolgreich gewesen wie mit Komplizen.

Wenn hier jeder zum Klauen herkommt, der keine Arbeit findet, haben wir ein echtes Problem.“

Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus

Eigentlich hat der 20-Jährige in seiner Heimatstadt in Rumänien bis zu seiner Ausreise nach Deutschland einen absolut geraden Lebensweg mit Schulbildung, dualer Berufsausbildung zum Automechaniker und einem Zimmer in der elterlichen Wohnung hinter sich, wie die Richterin auf Nachfrage herausfand. Beide Elternteile sind berufstätig. Dass andere Altersgenossen in seinem Umfeld mehr Geld und Konsumgüter hatten als er, habe ihn schließlich auf die Idee gebracht, nach Deutschland zum Stehlen einzureisen, so der Angeklagte. Über Facebook habe er Kontakt mit einem gewissen Marius bekommen, der ihm wiederum einen Kontakt hier in Deutschland gemacht habe. Vom Flughafen in Dortmund sei nach seiner Ankunft mit einer Fahrkarte zum vereinbarten Treffpunkt mit einer dritten Person gefahren, in dessen Wohnung er auch gewohnt habe. Dort sei auch das Diebesgut zwischengelagert worden. An die Adresse der Wohnung in Dortmund könne er sich zwar nicht mehr erinnern, so der 20-Jährige, wohl aber finde er noch den Weg dorthin.

Angeklagter seit fünf Monaten in Untersuchungshaft

Die Diebstähle will der Angeklagte nur begangen haben, weil er Geld brauchte für Essen, Miete und seinen Lebensunterhalt.  Immerhin schien der Angeklagte seine Straftaten aufrichtig zu bereuen. Auch die fünfmonatige U-Haft schien ihn  sichtlich beeindruckt zu haben: Ohne die Möglichkeit zur Arbeit oder auch nur ein Gespräch, da niemand in Haft rumänisch sprach, hatte der 20-Jährige viel Zeit über seine Taten nachzudenken. Er werde „nie wieder auch nur einen Cent stehlen“, beteuerte der Angeklagte. Er wolle nur noch so schnell wie möglich wieder zu seinen Eltern nach Hause zurück.

Ganz so leicht wollte es ihm das Gericht dann aber doch nicht machen: Er sei zwar voll geständig und habe auch sehr zur Aufklärung beigetragen, so die Richterin. Auch sei bei den zehn Straftaten zumindest kein Schaden entstanden, weil er ja die Beute nicht mehr  abtransportieren konnte. Andererseits  spreche die Vielzahl der Taten und die schnelle Abfolge für ein professionelles Vorgehen und eine Einbindung in professionell organisierte Kriminalität. Der Angeklagte habe sich über Facebook mit einem gewissen Marius zum Klauen hier in Deutschland verabredet und sei nach seiner Einreise auch tatsächlich von Stadt zu Stadt gefahren, um zu stehlen.

Da der 20-Jährige keine Entwicklungsverzögerung zeige, sei er zweifellos nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. Als Warnung mit „hoffentlich auch abschreckender Wirkung in Rumänien“ verurteilte Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, ausgesetzt zur Bewährung auf drei Jahre. Mit ihrem Urteil ging die Richterin noch drei Monate über die von der Anklage geforderte Strafe hinaus. Die Verteidigung hatte ein mildes Urteil nach dem Jugendstrafrecht gefordert.

Da der Haftbefehl gegen den 20-Jährigen mit dem Urteil aufgehoben wurde, konnte dieser den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

besonders schwerer Diebstahl


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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