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Willkommenskultur aus Zufall: Flüchtlinge und Gemeinde leiden unter Versäumnissen

Gleiches Schicksal, aber keine Familie: Uli Bangert und Fr8iedhelm Klemp mit den vier Flüchtlingen aus Syrien, die am Freitagabend plötzlich auf dem Marktplatz standen. (Foto: privat)
Gleiches Schicksal, aber keine Familie: Uli Bangert (3.v.l.) und Friedhelm Klemp (2.v.r.) mit den vier Flüchtlingen aus Syrien, die am Freitagabend plötzlich auf dem Marktplatz standen. (Foto: privat)

Auf Bundes- und Landesebene gibt es katastrophale Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik, unter denen die Kommunen und Flüchtlinge gleichermaßen zu leiden haben.  Das Paradebeispiel dafür war am Freitagabend (2.10.) in Holzwickede zu erleben:

Nach Augenzeugenberichten rollte kurz vor 20 Uhr ein Bus mit etwa 50 Flüchtlingen auf dem Marktplatz vor dem Rathaus vor. Normalerweise wäre das Rathaus um diese Zeit schon längst menschenleer und verriegelt, zumal der heutige Samstag ja ein Feiertag ist.

Zufällig tagte jedoch die Fraktion der Grünen noch im Rathaus, die sich ausnahmsweise einmal nicht dienstags getroffen hatte. Deshalb öffnete jemand dem Busfahrer, nachdem dieser sich bemerkbar gemacht hatte. Nur: Der Busfahrer verstand kein Wort Deutsch. Allerdings konnte der Fahrer eine  Liste vorzeigen, aus der hervorging, dass vier der insgesamt 50 Flüchtlinge in seinem Bus offiziell von der Gemeinde Holzwickede zu übernehmen und unterzubringen sind.

Busfahrer versteht kein Wort Deutsch

Also stiegen vier Flüchtlinge aus Syrien lediglich mit Plastiktüten unter dem Arm aus dem Bus. Nur am Rande sei erwähnt, dass es sich um einen Mann, eine Frau und zwei Kinder handelte, die zwar wie eine Familie aussahen, aber keine sind.

„Was nun?“, fragte sich nicht nur Uli Bangert, Ausländerbeauftragter und Mitglied der Grünen. Erneut ganz zufällig kam in diesem Augenblick ein Mitarbeiter des Baubetriebshofes, der in Holzwickede wohnt und des Arabischen mächtig ist, auf dem Marktplatz vorbei.  Doch als Dolmetscher war er nicht besonders gut zu gebrauchen. Denn wie sich schnell herausstellte, handelte es sich bei vier Flüchtlingen um Kurden aus Syrien, die gar kein arabisch sprechen.

Und noch ein weiteres Mal spielte der Zufall eine Rolle. Denn ein Mitglied der Fraktion der Grünen ist Kurde. Er konnte schließlich für die Flüchtlinge übersetzen.

Doch das war längst noch nicht das Ende vom Lied: Denn weder der Bürgermeister noch der Beigeordnete oder ein anderer Verwaltungsmitarbeiter waren telefonisch erreichbar. Der Grund: Am Freitagabend fand der alljährliche Betriebsausflug der Gemeindeverwaltung statt.

Flüchtlinge ohne Lebensmittel vor Feiertagen

Mit Erschrecken stellten die Grünen außerdem fest, dass die vier Flüchtlinge überhaupt nichts zu essen oder zu trinken hatten – und dies vor den beiden Feiertagen an diesem Wochenende. Prompt eilten einige Fraktionsmitglieder zum Rewe-Markt,  wo sie auf dem letzten Drücker um kurz vor 21 Uhr noch einige Lebensmittel für die Flüchtlinge einkaufen konnten, damit diese wenigstens übers Wochenende etwas zu essen und zu trinken haben.

Zwischenzeitlich war es Uli Bangert dann auch gelungen die Verwaltungsspitze zu erreichen, die dann gegen 21 Uhr — nach gut eineinhalb Stunden — zu sechst auf dem Marktplatz aufliefen.

„Ich kritisiere die Behörden auf Bundes- und Landesebene dafür, wie das abläuft: Da kommt vor zwei Feiertagen ein voller Bus mit Flüchtlingen abends zu einer Zeit vor das Rathaus gerollt, wo es garantiert verriegelt  ist und der Busfahrer spricht kein Wort Deutsch. Das geht so nicht.“

Uli Bangert, Ausländerbeauftragter der Gemeidne und Mitglied der Grünen

Wie sich herausstellte, waren drei Flüchtlinge für Freitag um 11 Uhr angekündigt worden. Angekommen sind schließlich vier Flüchtlinge nach 19 Uhr. Untergebracht werden konnten die vier Menschen in der Flüchtlingsunterkunft an der Bahnhofstraße, so dass die ganze Sache schließlich doch noch ein einigermaßen glückliches Ende nahm.

„Ich möchte unserer Verwaltung überhaupt keinen Vorwurf machen“, meint Uli Bangert. „Ich kritisiere aber die Behörden auf Bundes- und Landesebene dafür, wie das abläuft: Da kommt vor zwei Feiertagen ein voller Bus mit Flüchtlingen abends zu einer Zeit vor das Rathaus gerollt, wo es garantiert verriegelt ist und der Busfahrer spricht kein Wort Deutsch. Das geht so nicht.“

Übrigens: Die anderen 46 Flüchtlinge musste der Busfahrer am Freitagabend noch nach Kevelar an den Niederrhein bringen.

Flüchtlinge


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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