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Kurierfahrten für Drogendealer in Holzwickede: 2.000 Euro Geldstrafe

Der 20-jährige L. aus Bönen ist genau der Typ, der beim Wählen der Mannschaften auf dem Bolzplatz stets als letzter übrig bleibt. „Ich habe nicht viele Freunde“, räumt L.. denn auch auf Nachfrage von Amtsrichterin Birgit Vielhaber-Karthaus ein. Kein Wunder also, dass der 20-Jährige nicht widerstehen konnte, als er die Möglichkeit sah, sich dem Holzwickeder W. und seiner coolen Clique anzuschließen. Leider hatte sich der naive 20-jährige Bönener die falschen Freunde ausgesucht. Um Haaresbreite hätte ihn das heute (19.6.)  vor dem Amtsgericht Unna für längere Zeit hinter Gitter gebracht.

Denn der 20-Jährige musste sich dort wegen Beteiligung an gewerbsmäßigen Handel mit verbotenen Betäubungsmitteln in 17 Fällen verantworten. Und darauf steht, zumindest für den Haupttäter, eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft.

Dabei war für Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus und wohl auch alle anderen Beteiligten im Prozess relativ schnell klar, dass L., der keinerlei Vorstrafen hat, nicht wirklich kriminell ist. Freimütig räumte der 20-Jährige seine Taten ein: In der Zeit von Juli bis Oktober vorigen Jahres ließ er sich von Freunden, gegen die in gesonderten Verfahren verhandelt wird, als Drogenkurier einspannen. Nach der Schule oder dem Praktikum fuhr L. mit einem Freund, der kein Auto hatte, nach Holzwickede und nahm dort Kontakt zu dem Dealer W. auf. Während sein Freund dort die Drogen abholte, wartete J. geduldig vor der Haustür des Dealers oder im Emscherpark bis sein Kumpel mit den Drogen im Tuppertopf wiederkam. Dann fuhren sie gemeinsam nach Bönen zurück, um das Cannabis in kleinen Mengen zu verkaufen.

Falsche Freunde nutzen Naivität des 20-Jährigen aus

Dabei wusste der 20-Jährige zwar, wie er sagte, dass es bei den Drogen um Cannabis ging. Aber um, welche Mengen es ging, „wusste ich nicht“.  Lediglich in zwei Fällen half L. seinem Kumpel ausnahmsweise auch mal beim Portionieren der Drogen für den Weiterverkauf.

Und was hatte der Angeklagte von dem Fahrdienst für die Dealer? „Eigentlich nichts“, erklärte er der Richterin. „Ich habe nur etwas für den eigenen Konsum abgekriegt. Aber dafür habe ich ja auch das Benzin für die Fahrten selbst bezahlt.“

„Das hört sich nicht nach einem wirklich guten Geschäft an.  Sie gehen jetzt womöglich in den  Knast, weil ein anderer gemütlich gefahren wird.“

Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus zum Angeklagten

Soviel Naivität konnte Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus kaum fassen. „Das hört sich nicht nach einem wirklich guten Geschäft an“, befand sie. „Sie gehen jetzt womöglich in den  Knast, weil ein anderer gemütlich gefahren wird.“  Denn das, was L. getan hatte, nennt der Gesetzgeber eine Beteiligung am gewerbsmäßigen Handel mit Drogen. Und nach dem allgemeinen Strafrecht muss dafür zwingend eine erhebliche Haftstrafe verhängt werden.

Dass das Erwachsenenstrafrecht auf den 20-Jährigen anzuwenden ist, war eigentlich klar:  L. hat seine Schule und Ausbildung zügig und ohne Unterbrechungen absolviert. Und nach Aussage seines Jugendamtsbetreuers liegt bei ihm keine Reifeverzögerung vor. Also hätte Richterin Birgit Vielhaber-Karthaus L. eigentlich zu einer Haftstrafe verurteilen müssen.

Jugendstrafrecht bewahrt Angeklagten vor Haftstrafe

Doch L. hatte noch einmal Glück: Das Gericht glaubte ihm, dass er keineswegs, wie ein Zeuge in den Ermittlungen aussagte, „einen rollenden Coffee-Shop“ betrieben hatte, sondern einfach nur an die falschen Freunde geraten war, die seine Naivität ausnutzten. „Über mein Verhalten denke ich inzwischen auch ganz anders“, erklärt er. Richterin Birgiut Vielhaber-Karthaus, aber auch die Anklagevertreterin, der Verteidiger und sein Jugendamtsbetreuer waren sich darin einig, dass L. aufgrund seiner Persönlichkeit nicht wirklich in der Lage war, sich dem Einfluss der falschen Freunde zu entziehen. Genau aus diesem Grunde verständigte sich das Gericht schließlich darauf, doch noch das Jugendstrafrecht für L. anzuwenden.

Das Urteil lautete deshalb auf eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro. Außerdem erhielt L. die Auflage zu Präventionsgesprächen bei der Drogenberatung Unna. Mit ihrem Urteil folgte die Richterin den Anträgen der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers. Die Geldstrafe fiel deshalb relativ hoch aus, so ihre Begründung, weil L. durchaus eine Strafe spüren sollte. Schließlich habe er sich mit seinen Kurierdiensten, wenn  auch aus Naivität, auf das ziemlich schmutzige und kriminelle Geschäft des Drogenhandels eingelassen.

Drogenhandel, Gericht


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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