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Geldstrafe wegen Bedrohung: Junger Hitzkopf erleidet Schiffbruch in Berufung

Dass jemand Widerspruch gegen das Urteil eines Amtsgerichts Urteil einlegt, wenn er sich ungerecht beurteilt fühlt, ist sein gutes Recht. Doch in der zweiten Instanz sollte er dann zumindest ein Argument mehr vorweisen können als sein eigenes Gerechtigkeitsempfinden und den Wunsch, eine Vorstrafe zu verhindern. Erst recht, wenn ihm ein Vorsitzender Richter vor der Eröffnung der Verhandlung ziemlich deutlich zu verstehen gibt, wie er das Berufungsverfahren zu behandeln gedenkt.

Der konkrete Fall: Vor dem Amtsgericht Unna war der 24-jährige Holzwickeder im November vorigen Jahres wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt worden. Der Student der Elektrotechnik wollte sich am 23. Februar 2016 in seinem schwarzen Audi auf der Goethestraße in einer Tempo-30-Zone am Pkw eines Ehepaares aus Unna vorbei drängeln, das auf dem Weg zu einer Zahnarzt-Praxis in der Allee war. Der Überholvorgang klappte nicht, weil die Goethestraße zu schmal ist und beide Fahrzeuge kamen nach einem Beinahe-Crash auf gleicher Höhe zum Stehen. Der 24-Jährige stieg wütend aus, es gab einen heftigen Wortwechsel durch die heruntergekurbelte Scheibe, doch danach setzten die Kontrahenten ihren Weg fort.

Streitpunkt: Überholen auf der Goethestraße

Fatalerweise wohnt der 24-Jährige in einer Wohngemeinschaft im Haus der Zahnarzt-Praxis an der Allee 6a. Während die Ehefrau aus Unna bereits in der Praxis behandelt wurde, trafen sich ihr Mann und der Holzwickeder zufällig im Treppenhaus wieder. Prompt stürmte der über zwei Meter große Student auf den Unnaer zu, stieß ihm den Finger in die Brust und herrschte ihn an: „Ich habe mir Dein Kennzeichen gemerkt. Wenn ich Dich oder Dein Auto nochmal sehe, mache ich Dich tot!“ Das war zuviel für den Unnaer. Er rief die Polizei und erstattete Strafanzeige.

Das Amtsgericht sah diesen Sachverhalt für erwiesen an und verurteilte den 24-jährigen Holzwickeder zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Der Holzwickeder legte Widerspruch gegen das Urteil ein.

Ich habe den   Eindruck, dass Sie Ihre Emotionen nicht immer unter Kontrolle haben. Außerdem neigen Sie dazu, zu schnell zu fahren“

Der Vorsitzende Richter Michael Hammeke zum Angeklagten

Noch vor Eröffnung der Berufungsverhandlung am Donnerstag (30.8.) vor dem Landgericht Dortmund hatte der Vorsitzende Richter Michael Hammeke dem Holzwickeder ins Gewissen geredet: „Sie sind ja nicht zum ersten Mal hier und schon mehrfach wegen ähnlicher Delikte wie Beleidigung, Widerstand oder Nötigung verurteilt worden“, stellte der Richter fest. Zuletzt sei er gerade erst vom Amtsgericht Dortmund verurteilt worden und nur fünf Tage später passierte dann der Zwischenfall in Holzwickede. „Ich habe den Eindruck, dass Sie Ihre Emotionen nicht immer unter Kontrolle haben. Außerdem neigen Sie dazu, zu schnell zu fahren“, meinte Richter Hammeke in Kenntnis seiner Akten und warnte den 24-Jährigen: „Wenn ich dieses Verfahren heute hier eröffne, müssen Sie damit rechnen, dass ich alles, was vorgefallen ist, einmal für den nächsten Richter zusammenfasse, damit er einen Überblick bekommt“, warnte der Richter. „Wollen Sie das wirklich? Sie sind doch noch ein junger Mann und müssen aufpassen. Es muss ja nicht unbedingt bei Tagessätzen als Strafe für Sie bleiben.“

Wiedersehen im Treppenhaus des Zahnarztes

Doch der Holzwickeder wollte die Berufung – und gab das Unschuldslamm: „Ich bin groß und auch wütend gewesen und habe mich vielleicht auch vor ihm etwas aufgebaut“, räumte er ein. „Möglicherweise hat mein Gegenüber da auch Angst bekommen. Aber ich habe ihn zu keiner Zeit mit dem Tod bedroht und auch nicht berührt.“

Im Zeugenstand schilderte sein Kontrahent, ein Berufsfeuerwehrmann aus Unna, dagegen glaubwürdig und ohne erkennbare Belastungstendenzen den immerhin schon über zwei Jahre zurückliegenden Vorfall erneut wie in der ersten Verhandlung. Eigentlich habe er den unangenehmen Zwischenfall auf der Goethestraße auf sich beruhen lassen wollen. Doch als er dann im Treppenhaus vor der Zahnarztpraxis von dem 24-Jährigen mit dem Tod bedroht wurde, habe es ihm gereicht und er habe die Polizei gerufen, um Anzeige zu erstatten. „Schließlich fährt auch meine Frau mit unseren Kindern in dem Auto“, so der Zeuge.

Noch während die Polizei die Anzeige aufnahm, sei der 24-jährige dann mit einem jungen Mann wiedergekommen, den er als Zeugen präsentierte, der angeblich nicht nur die Auseinandersetzung im Treppenhaus, sondern auch den auslösenden Zwischenfall auf der Goethestraße mitbekommen habe. „Ob dieser Zeuge oben im Treppenhaus stand, kann ich nicht sagen“, so der Unnaer. „Die Situation auf der Goethestraße hat er aber definitiv nicht mitgekriegt.“

Zeugen droht nun Verfahren wegen Falschaussage

Nach dieser Aussage beantragte der Anwalt des 24-Jährigen eine Unterbrechung der Verhandlung zur Beratung mit seinem Mandanten. Danach überraschte der Anwalt mit der Erkenntnis: „Mein Mandant ist ein Hitzkopf. Er ist sehr groß und hat sich vor ihm aufgebaut, was bedrohlich gewirkt haben mag. Mein Mandant möchte bald auswandern nach Australien und das ginge mit einer Vorstrafe nicht. Vielleicht ist es dem Gericht noch ein letztes Mal möglich, ein Auge zuzudrücken. Wir akzeptieren auch eine Geldstrafe.“

Doch da wollte der Richter nicht mitspielen: „Nein, das habe ich ja schon einmal getan.“ Eine erneute „letzte Chance“ gebe es nicht wieder.
Daraufhin zog der Holzwickeder seinen Widersprich gegen das erste Urteil zurück. Die Kosten der zweiten Verhandlung muss der 24-Jährige natürlich trotzdem tragen. Und sein dubioser Zeuge hat obendrein „ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage an den Hacken“, so der Vorsitzende Richter.

Bedrohung, Berzufung


Peter Gräber

Dipl.-Journalist

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